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US-Wahlkampf: "Trump kann sich die TV-Debatten gar nicht entgehen lassen”


US-Experte erwartet Trump-Drama
"Irgendetwas wird passieren"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

22.08.2023Lesedauer: 7 Min.
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Bleibt der Debatte fern: Donald Trump (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Bleibt der Debatte fern: Donald Trump (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Rich Graessle/Icon Sportswire)

Die Kandidaten-Debatten der Republikaner beginnen und Donald Trump verweigert seine Teilnahme. Stattdessen inszeniert er seine Verhaftung. Der renommierte US-Debatten-Experte Alan Schroeder erklärt diese Dynamik.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Überraschend kam Donald Trumps Absage für die erste TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten zwar nicht. Trotzdem verändert sie die Dynamik der wichtigen Fernsehduelle, die über den nächsten Präsidenten mitentscheiden können.

Der amerikanische Experte für Wahlkampfdebatten, Alan Schroeder, erklärt im t-online-Interview, weshalb der vierfach angeklagte ehemalige Präsident die Duelle dennoch dominieren wird. Er spricht über die möglichen Chancen der übrigen Kandidaten und darüber, warum Trump seine Abwesenheit am Ende noch bereuen könnte.

Mister Schroeder, am Mittwochabend wird in den USA die erste sogenannte Primary-Debate, die Vorwahldebatte der Republikanischen Partei in Milwaukee, Wisconsin, übertragen. Warum sollten sich die Amerikaner das überhaupt ansehen?

Alan Schroeder: Die erste Debatte ist ein besonderer Moment. Wie der Startschuss für Athleten bei einem Rennen. Mit ihr beginnt die Wahlkampfsaison für die Präsidentschaftswahlen 2024. Der Auftritt bietet den Kandidaten die Chance, sich den Wählerinnen und Wählern zu präsentieren. Einige sind landesweit ja noch gar nicht so bekannt. Doug Burgum und Vivek Ramaswamy gehören zum Beispiel dazu. In diesem Jahr wird die Dynamik extrem spannend. Donald Trump hat angekündigt, an der ersten Debatte nicht teilzunehmen, und will stattdessen dem langjährigen Fox-News-Kommentator Tucker Carlson ein Interview geben.

Warum macht Trump das?

Im Prinzip kann man das bei ihm nie so genau wissen. Er ist extrem impulsiv. Er könnte sogar mitten in der TV-Debatte plötzlich doch noch auf der Bühne auftauchen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mich würde das nicht überraschen. Das wäre jedenfalls jene Art von TV-Drama, die zu ihm passen würde. Irgendetwas wird passieren. Davon können wir ausgehen. Auch wenn er nicht auf der Bühne auftaucht.

Trumps will sich jetzt ausgerechnet einen Tag nach der Debatte den Behörden in Atlanta stellen. Ist auch das Kalkül?

Auch ohne physisch bei der Debatte anwesend zu sein, wird Trump versuchen, den Fokus auf sich selbst zu richten. Er weiß, dass seine Entscheidung, sich den Behörden am Donnerstag zu stellen, ablenken wird. Das, was in der Debatte passiert sein wird, gerät dann in den Hintergrund. Ein Kandidat, der bei der Debatte vielleicht eine besonders gute Leistung gezeigt hat, könnte dadurch weniger medialen Aufwind bekommen. Auch jegliche Kritik an Trump, die sich aus der Debatte ergibt, wird wohl von dem Spektakel am Tag danach überholt werden. Offenbar wollte Trump sich sogar während der Debatte stellen – das wäre die ultimative Ablenkungstaktik gewesen – doch seine Anwälte rieten ihm davon ab.

Trump tut so, als diene diese Debatte seiner persönlichen Belustigung. In einem Statement behauptete er, sich die Show anzusehen, nur um einen qualifizierten Vizepräsidenten für sich selbst zu finden. Ist dieses Rennen damit nicht von vornherein nutzlos?

Es ist schon öfter passiert, dass die absoluten Favoriten nicht bei der ersten Debatte dabei waren. George W. Bush hat im Jahr 2000 auch nicht teilgenommen. Er lag in den Umfragen zwar nicht so weit vorne wie Trump, er stieg aber trotzdem erst später ein. Ähnliches erwarte ich von Trump. Er kann sich diese Debatten als begnadeter Entertainer gar nicht entgehen lassen. Außerdem läuft er Gefahr, dass über ihn gesprochen wird, ohne sich wehren zu können. Aber mit den Vizekandidaten sprechen Sie einen entscheidenden Punkt an.

Inwiefern?

Die Motivation einiger Kandidaten, überhaupt gegen Trump anzutreten, ist: Sie wollen sich für ihn empfehlen. Trumps ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley und der US-Senator Tim Scott aus South Carolina sind dafür ein gutes Beispiel. So wie Joe Biden einst Kamala Harris zur Vize-Präsidentschaftskandidatin gemacht hat, weil sie gemeinsam auf der Debattenbühne standen, besteht diese Chance auch bei den Republikanern.

Woran erkennt man dann die an einem Amt unter Trump interessierten Kandidaten?

Kandidaten, die sich vorsichtiger zu Trump äußern, spekulieren unter Umständen auf ein späteres Amt unter ihm als Präsident. Das kann die Vizepräsidentschaft sein, aber auch das Amt des Außenministers oder ein wichtiger Botschafterposten.

Trumps gefährlichster Konkurrent, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, wird darauf aber nicht spekulieren, oder?

Zumindest nicht auf das Amt des Vizepräsidenten. Das ginge schon rein rechtlich nicht. Die Kandidaten für das Präsidentenamt und dessen Stellvertreter dürfen nicht im selben Bundesstaat wohnen. Trump und DeSantis sind beide aus Florida. Strategisch ergibt es auch keinen Sinn. Florida wird ohnehin von einem Republikaner gewonnen werden. Warum also das Ass des Vizekandidaten umsonst für den gleichen Bundesstaat verspielen.

Die republikanischen Kandidaten, die Trump wirklich besiegen wollen und später Joe Biden, stehen vor einer großen Herausforderung: Wie können sie in einer TV-Debatte Trumps Anhänger von sich überzeugen, ohne zugleich die später wichtigen Wechselwähler zu vergraulen?

Das ist in diesem Jahr wohl so schwierig wie noch nie. Auch weil Trump einen quasi-religiösen Kult um sich geschaffen hat. Wer Trump kritisiert, kritisiert Jesus. Die beiden Zielgruppen, die angesprochen werden müssen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Wer gewinnen will, darf es sich mit den Trumpisten zumindest nicht verscherzen. Sie bilden die Mehrheit der Parteibasis. Gleichzeitig sollte man beispielsweise beim Thema Abtreibung nicht zu lautstark vorgehen. Denn die überwiegende Mehrheit der Amerikaner lehnt die Bemühungen der Republikaner, die Selbstbestimmungsrechte von Frauen einzuschränken, strikt ab.

Alan Schroeder
Alan Schroeder (Quelle: privat)

Alan Schroeder

ist emeritierter Professor der School of Journalism der Northeastern University in Boston. Der 69-Jährige hat zahlreiche Bücher über Präsidentschaftsdebatten und das dazugehörige Showbusiness geschrieben. Er ist Mitherausgeber des "Routledge Handbook on Electoral Debates" über Fernsehdebatten. Im Jahr 2012 zählte Schroeder laut Princeton Review zu den "Besten 300 Professoren" in den Vereinigten Staaten. Er schrieb bereits für die "New York Times", "Washington Post", "Financial Times", "Politico" und viele weitere Medien.

Welche Strategie könnte denn überhaupt funktionieren?

Es ist brutal. Die Kandidaten werden versuchen, sich so wenig wie möglich auf konkrete Aussagen festnageln zu lassen. Stattdessen werden sie versuchen, sich besonders menschlich zu geben, als nahbar und als Personen, denen man das Amt des Präsidenten anvertrauen möchte. Zu zeigen, dass man die wahren Sorgen der Menschen versteht, darum wird es gehen.

Aber hilft das gegen Trump?

Die Kandidaten werden indirekt versuchen, ihn anzugreifen. Einige werden sagen, dass sie Trump als Präsidenten und seine Agenda gut fanden. Dann werden sie aber darauf verweisen, dass die vielen Anklagen ihn zu sehr ablenken könnten. Nach dem Motto: Wer mich wählt, kann sicher sein, dass ich keine Zeit in Gerichtssälen verbringen muss. Das könnte Trump als unzumutbare Belastung erscheinen lassen.

Hat Trumps früherer Vize Mike Pence noch irgendeine Chance?

Pence ist eine absolut spannende Figur in diesen Debatten. Trumps Leute wollten ihn am 6. Januar 2021 hängen sehen und Trump sagte, dass das vielleicht gar keine schlechte Idee sei. Trotzdem hält sich Pence extrem zurück. Das muss man sich mal vorstellen. Aber es zeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem alle Kandidaten wandern.

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Sie haben die entscheidenden Debatten der vergangenen Jahrzehnte verfolgt. Können sie wirklich einen entscheidenden Umschwung bringen?

Trump bietet dafür das beste Beispiel: Im Jahr 2016 war er der einzige Nicht-Politiker auf der Bühne. Er nutzte die Gelegenheit von Anfang an dafür, eben nicht über politische Themen oder Philosophien zu sprechen. Er wollte nur unterhalten. Und die anderen hatten keine Ahnung, wie sie auf diesen Entertainer reagieren sollten. Für den Kandidaten Marco Rubio beendete die Debatte damals schlagartig seinen Wahlkampf. Er stritt sich auf offener Bühne mit Chris Christie. Das kam nicht gut an. Bei den Demokraten waren die Debatten ein Debakel für den ehemaligen Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg. Eigentlich ein Liebling der Medien, aber auf der Bühne versagte er. Seine Kandidatur war damit vorzeitig beendet.

Wie erklären sich solche extremen Dynamiken?

Bei diesen Debatten schauen die entscheidenden Menschen zu. Die Parteibasis, mögliche Wähler für die kommenden Präsidentschaftswahlen und natürlich auch die extrem wichtigen Spender. Wer sich mies schlägt und in den Umfragen absackt, kann über Nacht seine entscheidenden Unterstützer verlieren. Der Wahlkampf in den USA dauert sehr lange und man benötigt dauerhaft eine Menge Geld, um so eine landesweite Kampagne bis zum Schluss durchzuhalten. Die Kandidaten wissen das und verhalten sich dementsprechend.

Bevor der Startschuss am Mittwoch fällt, führt Trump mit weitem Abstand vor allen anderen Kandidaten. Zugleich ist er angeklagt wegen mutmaßlich schwerwiegender Verbrechen. Können Sie sich an etwas Vergleichbares erinnern?

Nein, zum allerersten Mal in der Geschichte überhaupt liegen kriminelle Vorwürfe gegen einen Kandidaten wie eine schwere Wolke über den Präsidentschaftswahlen. Das ist wirklich beispiellos. Auch darum wird diese erste Debatte ungeheuer spannend. Die Zuschauer können genau beobachten, was jeder Kandidat zu Trumps rechtlichen Problemen sagen wird. Alle werden sich Antworten zurechtgelegt haben, um auf diese Fragen vorbereitet zu sein.

Mit echten Attacken gegen Donald Trump ist bislang nur Chris Christie aufgefallen, der langjährige Gouverneur von New Hampshire.

Genau, und er wird mit dabei sein. Ich denke, viele Republikaner wollen die Debatte auch deshalb anschauen. Sie wollen ein Spektakel sehen, den Kampf gegen Donald Trump, auch wenn er erst mal nicht dabei sein wird. Trump ist das absolut unvermeidliche Thema dieser Debatte.

Also wird es weniger um Inhalte als nur um Trumps Anklagen gehen?

So gut es geht, werden die Kandidaten versuchen, das Gespräch von Trump wegzulenken. Die Moderatoren werden aber ganz sicher nachbohren. Und ja, politische Inhalte werden wohl weniger eine Rolle spielen. Die Kandidaten werden versuchen, mit ihrer jeweiligen Persönlichkeit zu überzeugen. Es geht darum, ein Gefühl bei den Menschen zu erzeugen, damit die sagen: Der oder die ist der oder die Richtige, um das Land in die Zukunft zu führen.

Persönliche Attacken gegen Mitbewerber sind in solchen Debatten oft schlecht für die eigenen Umfragewerte. Für Trump scheinen solche Gesetze nicht zu gelten. Warum?

Das liegt daran, dass er nichts anderes kann. Persönliche Attacken sind alles, was er hat. Trump weiß nichts. Er hat keine Ahnung von irgendwelchen spezifischen Problemen. Und das, obwohl er schon einmal Präsident war. Er versteht nichts von Außenpolitik, nichts von Klimaschutz, nichts von Schusswaffengewalt. Er hat einfach kein Interesse daran. Für ihn ist so eine Debatte Stand-up-Comedy. Das macht Trump einzigartig.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Alan Schroeder
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