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Konflikt mit Seehofer: Kapitulation, die noch kein Kanzler hinnehmen musste


Ende des Unionsstreits
Eine Kapitulation, die noch kein Kanzler hinnehmen musste

  • Gerhad Spörl
MeinungEin Kommentar von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 03.07.2018Lesedauer: 4 Min.
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Am Tag nach der Unionskrise machen Horst Seehofer und Angela Merkel gute Miene zum bösen Spiel: Der CSU-Chef tanzt der Kanzlerin seit Wochen ungestraft auf der Nase herum, findet unser Autor.Vergrößern des Bildes
Am Tag nach der Unionskrise machen Horst Seehofer und Angela Merkel gute Miene zum bösen Spiel: Der CSU-Chef tanzt der Kanzlerin seit Wochen ungestraft auf der Nase herum, findet unser Autor. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)

Nach tagelangem Streit kehrt in der Union wieder Ruhe ein – vorerst. Doch Angela Merkel geht geschwächt aus dem erbitterten Konflikt mit Horst Seehofer hervor.

Für die Friedfertigen unter uns, die Veränderungen nicht für der Weisheit letzten Schluss halten, ist der Kompromiss, den CDU und CSU angeblich gefunden haben, eine gute Nachricht. Der Innenminister, der nicht mehr Innenminister sein wollte, will nun doch Innenminister bleiben, und die Kanzlerin, die er stürzen wollte, bleibt die Kanzlerin. Wie schön.

Für die weniger Friedfertigen, zu denen ich mich zähle, handelt es sich um eine Kapitulation aller vor allen. Angela Merkel hat Mehltau in das Drama geschüttet und das Ultimatum in einen Prozess verwandelt, der es ihr erlaubt, den Abschied zu verhüten. Horst Seehofer, der sich wie ein Überkanzler aufführte, tritt vom Rücktritt zurück und darf es auch, als verstehe es sich von selbst. Markus Söder sagt mit Unschuldsmiene, es sei immer um die Sache und nicht etwa um Personen gegangen und schon gar nicht um Auflösung der Fraktionsgemeinschaft.


Man muss den Handelnden genau zuhören, denn worum es angeblich nicht ging, genau darum ist es gegangen. Um den Sturz der Kanzlerin. Um die Trennung von CDU und CSU. Um das Ende der Regierung. Weil im Oktober in Bayern gewählt wird. Weil Seehofer in einem Austragsstüberl in Berlin sitzt und gefälligst den Auftrag ausführen sollte, die Kanzlerin zu erledigen, ohne dass Konsequenzen zulasten der CSU daraus erwachsen sollten.

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Hat nicht geklappt. Ging zu weit. Die Kanzlerin ließ sich nicht ohne das Ende der Fraktionsgemeinschaft stürzen. Deshalb bleibt sie im Amt und alles geht so weiter, als sei nichts passiert. Nice try, sagen die Amerikaner zu solchen absurden Nullsummenspielen. Man wirds ja mal probieren dürfen.

Der Kompromiss, der nur so tut, als sei er einer

Den Kompromiss hat Julia Klöckner gestern Abend in der ARD mit dem Höchstmaß an Enthusiasmus, dessen sie fähig war, hübsch begründet. Dabei wirkte sie kompetent, immerhin. An der bayerischen Grenze, an der ohnehin kaum Flüchtlinge auftauchen, wird jetzt verschärft abgeschoben, wobei es so ist, dass dort auch bisher schon ziemlich viel abgeschoben wurde. Wie viel mehr Flüchtlinge von nun an sowohl von der Bundespolizei als auch von der bayerischen Grenzpolizei abgewiesen werden dürfen, könnte uns der Innenminister, der nach wie vor Horst Seehofer heißt, tunlichst verraten, aber das will er nicht, weil ja dann herauskäme, dass der Kompromiss kein Kompromiss ist, sonder nur so tut, als sei er einer.


Im Gedächtnis sollten wir ein paar Sätze behalten, die in den letzten Tagen gefallen sind. Den Hauptpreis gewinnt natürlich Horst Seehofer, der einen Satz von sich gab, den wir uns auf der Zunge zergehen lassen sollten: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist."

Damit das klar ist: Wegen dem Horst ist die Angela Kanzlerin und darf es sogar bleiben, weil er sich gnädig herablässt und Innenminister bleibt, woran ihn keine Kanzlerin hindern kann.

Das Problem für Angela Merkel besteht darin, dass dieser sowohl einfältige als auch tückische Satz nicht ganz falsch ist. Ginge es mit rechten Dingen zu, hätte sie ihn schon längst von seinem Amtspflichten erlösen müssen. Seehofer tanzt ihr seit Wochen auf der Nase herum und zeigt ihr, wie wenig sie ihm anhaben kann. Er hat sie geschwächt und durfte es ungestraft.

Das ist eine Kapitulation, die in den 69 Jahren der Nachkriegsrepublik bislang kein Kanzler hinnehmen musste. Diese Folgenlosigkeit wird sich rächen, zumal sich Angela Merkel für die Serie an Demütigungen nicht rächen kann, so schwach, wie sie seit September und mehr noch nach dieser lächerlichen Regierungskrise ist.

Weise Worte zur Katastrophe der letzten Wochen: Es ging um nichts

In den "Tagesthemen" wurde eine Passantin nach ihrer Meinung befragt und sagte lakonisch: Um Politik ging es hier nicht, nur um einen Machtkampf. In diesen weisen Worten liegt die Katastrophe der letzten Wochen: Es ging um nichts. Es ging um den Schein an zurück eroberter Kontrolle in Bayern. Es ging darum, dass Markus Söder, der Provinzbuffo, als Superstaatsmann in Erscheinung treten wollte.

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Zu der Katastrophe der letzten Tage gehört auch die Abwesenheit der SPD, die, so viel ich weiß, der Koalition angehört, die nur aus CDU und CSU zu bestehen schien. Zu Wort hat sich eigentlich nur ein ehemaliger Vorsitzender gemeldet: Sigmar Gabriel, dem es langweilig wird und dann macht er, was er immer gemacht hat, er ärgert seine Nachfolger/-in.

Wo war die SPD?

Andrea Nahles hat ja auch wirklich eine Riesenchance verpasst. In diesem Putsch der CSU hätte sie die Stimme der Vernunft sein können, des gesunden Menschenverstandes. Sie hätte auf die Substanzlosigkeit des Machtkampfes hinweisen können. Sie hätte gemeißelte Sätze in Serie von sich geben müssen. Nahles hätte die Kanzlerin sowohl verteidigen als auch kritisieren können. Sie hätte unsere Stimme sein müssen. Warum sie es versäumt hat, bleibt ihr Geheimnis. Stattdessen blieb die Stimme der liberalen Demokratie Wolfgang Schäuble vorbehalten.

Alles bleibt beim Alten. Bis auf Weiteres. Auf dieser Regierung, die das beste Land in Europa regieren darf, liegt kein Segen. Was in diesen Tagen fast auseinandergeflogen wäre, wird eben später auseinanderfliegen. Angela Merkel ist gut beraten, wenn sie ihren Abschied kontrolliert vorbereitet. Er ist ihr zu gönnen.

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