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Deutschland nach der Bundestagswahl: Es könnte so viel besser werden


Regieren mit Union oder FDP?
Für SPD und Grüne gibt es eine bessere Option

MeinungEin Gastbeitrag von Jan Korte (Linke)

13.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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Wahlplakate von SPD, Grünen und Linken: Die Gesellschaft braucht einen Neuanfang nach Corona, findet unser Gastautor.Vergrößern des Bildes
Wahlplakate von SPD, Grünen und Linken: Die Gesellschaft braucht einen Neuanfang nach Corona, findet unser Gastautor. (Quelle: Revierfoto/imago-images-bilder)

Wie geht es mit Deutschland nach der Wahl weiter? Linken-Politiker Jan Korte fordert im Gastbeitrag ein Ende der Ellenbogenpolitik und erklärt, was er in einem Mitte-Links-Bündnis besser machen will.

Kaum jemand möchte Laschet als Bundeskanzler, selbst Scholz ist inzwischen beliebter – das muss man erst mal hinkriegen. Aber Laschet ist nicht schlechter als die Union allgemein. Grinsen zum falschen Zeitpunkt ist da noch das kleinste Problem: In der Union hat man schon länger Schwierigkeiten damit, den Unterschied zwischen Lobbyismus, Abgeordnetenmandat und Regierungsamt zu erkennen.

Bei vielen zählt der eigene Vorteil zum Gemeinwohl. CDU und CSU haben mittlerweile die Attitüde einer Staatspartei, sie tun so, als würde das Land ihnen gehören. Unter Wirtschaftspolitik versteht man bei ihnen Klientelpolitik für Aktionäre und Konzerne, Umweltpolitik sieht man als ein notwendiges Übel, Sozialpolitik als Mittel der Repression gegenüber den Schwächsten, Digitalisierung als irgendwas mit Internet. Kurz: Es wird Zeit, dass CDU und CSU raus aus der Regierung gewählt werden.

Eine Bundestagswahl wie eine Castingshow

Wenn man die Zeitungen oder Nachrichtensendungen verfolgt, hat man den Eindruck, dass Ende September das Finale einer großen Castingshow stattfindet. Wer inszeniert sich am besten? Wer hat die wenigsten Skandale? Wer hat ohne Hilfe oder Abschreiben ein Buch geschrieben? Wer tritt in das nächste Fettnäpfchen?

Nur leben wir nicht in einer Show. Bei der Bundestagswahl geht es um die wichtigste Richtungsentscheidung seit Langem. Es geht um die Frage, in was für einem Land wir leben wollen: Welche Zukunft sollen unsere Kinder haben, welchen Lebensabend unsere Eltern? Wollen wir immer mehr Armut, Unsicherheit, Ungerechtigkeit und hemmungslose Profitgier akzeptieren? Oder wollen wir ein Land, in dem der riesige Reichtum so verteilt ist, dass alle gut leben können?

Das ist schlimmer als ein "Weiter-so"

Die Vorschläge von CDU/CSU, FDP und AfD gleichen sich vor allem darin, dass sie den Staat und das Gemeinwohl nach der Krise noch weiter kaputtsparen wollen: Sie wollen den Reichen Steuergeschenke machen, ohne jede Deckung, und damit riesige Löcher in den Bundeshaushalt reißen – die "Süddeutsche Zeitung" und das Magazin "Kontraste" beziffern diese auf rund 88 Milliarden (FDP), 33 Milliarden (CDU/CSU) und 53 Milliarden (AfD). Sie ignorieren die durch die Pandemie schmerzhaft offengelegten Aufgaben, die vor uns liegen, komplett.

Wo soll denn das Geld für gute Schulen her? Für gute Pflege, für ein funktionierendes Gesundheitssystem, für Investitionen in lebenswerte Kommunen, die für ihre Bürgerinnen und Bürger da sind? Was bleibt nach so einem Sparprogramm vom Sozialstaat übrig? Das ist schlimmer als ein "Weiter-so", es ist eine Abstiegs-Agenda für den Großteil der Bevölkerung, eine verantwortungslose Ellbogenpolitik, die nur den oberen zehn Prozent nützt. Ihr Regierungsprogramm ist es, die Zukunft der kommenden Generationen zu verspielen.

In welchem Land leben wir nach der Corona-Krise?

Die gesellschaftliche Linke war immer stark, wenn sie ein positives Bild von der Zukunft gezeichnet hat, ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann. Das Verbindende in den Wahlprogrammen von Linken, SPD und Grünen – bei allen Unterschieden – ist die Absicht, das Land nach der Corona-Krise nachhaltig und gerecht wieder aufbauen und auf starke Füße stellen zu wollen.

Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm beschlossen, den Sozialstaat gegen die zu verteidigen, die ihn "abbauen und Sozialleistungen kürzen wollen", sie will die Vermögensteuer wieder einführen und den Spitzensteuersatz erhöhen. Klingt nach guten Ideen und einem Beginn von Selbstkritik. Aber wieso gewinnt man den Eindruck, dass ihr Kanzlerkandidat Scholz mit der FDP koalieren will, deren gefühlt einziger Programmpunkt der Schutz von Reichen ist?

Nicht nur die SPD-Basis, selbst viele SPD-Abgeordnete haben genug davon, eine Kröte nach der anderen zu schlucken. Dass die SPD in der Großen Koalition die Vorschläge der Union jahrelang immer etwas weniger schlimm gemacht hat, hat ihr null gebracht.

Jan Korte ist 43 Jahre alt und sitzt seit 2005 für Die Linke im Bundestag. Der Politikwissenschaftler hat 2017 zudem das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion übernommen.

Ein Treppenwitz der Geschichte

Die Grünen haben ein Programm beschlossen, in dem sie die "Wirtschaft ökologisch modernisieren", mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft sowie sichere und legale Fluchtwege wollen. Da ist es doch geradezu absurd, dass die Lieblingskoalition von Baerbock und Habeck eine mit der Union zu sein scheint. Das will sie ausgerechnet mit Scheuer, Klöckner oder Spahn durchsetzen? Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn diejenigen, die noch vor einigen Wochen als Gegenpart zu Laschet hochgehypt wurden, seiner Trümmertruppe am Ende die Macht sichern würden.

Dieses Land könnte so viel besser werden, wenn die Mitte-Links-Parteien – bei allen politischen Differenzen – gemeinsam für eine Regierung kämpfen würden, die endlich eine progressive und gerechte Politik macht. Und die das Land mit einem positiven Bild von der Zukunft aus der Corona-Krise herausholen will, statt die Krise der Vielen und den Profit der Wenigen zum Dauerzustand zu machen.

Bei SPD, Grünen und Linken gibt es einiges zu klären, keine Frage. Große Teile meiner Partei tragen SPD und Grünen aus guten Gründen die Agenda 2010 nach, das von ihnen gerissene riesige Loch im Sozialstaat müssen wir stopfen. Meine Partei wird es auch nicht mitmachen, dass durch einen pauschalen CO2-Zuschlag auf Treibstoff Geringverdienende draufzahlen müssen, dafür haben wir aber andere Vorschläge, die wir mit den Grünen diskutieren können und die auch noch effizienter sind.

Deutschland muss international mehr Verantwortung übernehmen

Und ja, wir müssten in einer Mitte-Links-Koalition dringend internationale Verantwortung übernehmen, um ein Stichwort der SPD-Rechten aufzugreifen, das immer fällt, wenn es um Koalitionen mit der Linken geht: Die Linke und US-Präsident Biden wollen schon lange eine Freigabe der Patente auf Impfstoffe, um den Kampf gegen die globale Pandemie aufzunehmen.

Die Corona-Pandemie fordert nicht nur gigantisch viele Menschenleben, sondern produziert auch Mutationen, die auch uns immer wieder bedrohen und Impfstoffe obsolet machen können. Mitte-Links könnte sofort Initiativen für gerechte Wirtschaftsbeziehungen mit dem globalen Süden starten, wir könnten uns für die Bekämpfung des Klimawandels einsetzen und Menschen auf der Welt ein gutes Leben ermöglichen, ohne dass sie ihre Familien verlassen müssen.

Wir könnten Stacheldrähte und menschenverachtende Massenlager abbauen. Und wir könnten Waffenexporte stoppen und ächten. Die Linke drängt schon lange darauf, internationale Verantwortung zu übernehmen, und wir brauchen dafür nicht einmal deutsche Kriegsschiffe im Pazifik.

Gegenentwurf von Mitte-Links

Es gibt einen gesellschaftlichen Bedarf und eine sehr große Notwendigkeit für einen Gegenpol zu konservativ-neoliberalen Endzeitszenarios. Der Großteil der Bevölkerung möchte eine Zukunft in einem funktionierenden Land erleben, das sich um lebenswerte Nachbarschaften kümmert, um gute Bildung und Gesundheit, um ein gutes Leben im Alter, um öffentliche Schwimmbäder, dessen Verwaltung für die Leute da ist und nicht beim kleinsten Ausreißer zusammenbricht.

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Das ist ein Nenner, auf den sich SPD, Grüne und Linke einigen können, bei aller Eigenständigkeit, mit der sie ihre unterschiedlichen Milieus und Wählergruppen ansprechen und für ein solches Bündnis gewinnen müssen. Unser Job als Linke ist es dabei, diejenigen, die jeden Tag schikaniert und ausgebeutet werden, anzusprechen und ihre Interessen auf die Tagesordnung zu bringen.

Die aktuellen Umfragen sehen für Mitte-Links eine Mehrheit. Sie ist knapp, keine Frage. Aber wir können sie ausbauen, wenn wir Wählerinnen und Wählern jetzt ein klares politisches Angebot machen: Dass die Parteien, die eine positive Idee von der Zukunft unserer Gesellschaft haben, dazu bereit sind, auf dieses Ziel gemeinsam hinzuarbeiten.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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