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Nach Razzia: Olaf Scholz verteidigt sich – und überrascht Finanzausschuss


Befragung im Finanzausschuss
Scholz: Kein Minister kann Probleme "mit Fingerschnippen lösen"

Von dpa, afp, t-online
Aktualisiert am 20.09.2021Lesedauer: 3 Min.
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Olaf Scholz: Beim TV-Triell am Sonntag konnte er die Zuschauer wohl am meisten überzeugen. (Quelle: Reuters)
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Der SPD-Kanzlerkandidat überraschte seine Kritiker mit einem persönlichen Erscheinen im Finanzausschuss. Kritik an der Geldwäsche-Spezialeinheit FIU wies Olaf Scholz zurück.

Während Union und Opposition sich vorne über die erwartete Abwesenheit des SPD-Kanzlerkandidaten echauffieren, huscht Olaf Scholz durch den hinteren Eingang in den Saal. Entgegen aller Erwartungen nimmt er am Montag doch persönlich an der Sitzung des Finanzausschusses zur Affäre um die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU teil, die seinen Wahlkampf nur Tage vor dem Höhepunkt durcheinanderwirbelt.

Damit hatte kaum jemand gerechnet – entsprechend angriffslustig gingen Scholz' politische Gegner in die Sitzung: "Wer Respekt plakatiert, der sollte auch den Respekt gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit leben", betonte der FDP-Politiker Florian Toncar vor der Sitzung mit Blick auf Scholz' Wahlkampfthema "Respekt". Jetzt sitzt der Finanzminister doch da – und nimmt seinen Kritikern den Wind aus den Segeln. Rund 30 Minuten lang erklärt er die bereits erreichten Reformen bei der FIU, dann beantwortet er Fragen aller Fraktionen, reihum, wie ein Zeuge im Untersuchungsausschuss.

Razzia kurz vor der Wahl in Scholz' Finanzministerium

Warum er doch selbst kam und sich nicht zuschalten ließ, beantwortet Scholz nicht. Dass er eine Wahlkampf-Veranstaltung in Baden-Württemberg absagen musste, nervt ihn sichtbar schon. Aber man habe versucht, alles möglich zu machen. Warum dann der Hintereingang? "Ich bin durch den Eingang gekommen, der auf meinem Weg der nächste war", sagt Scholz nur. Die Opposition hätte auch eine geheime Sitzung beantragen – und Scholz so zwingen können, persönlich zu erscheinen.

Der Finanzausschuss wollte dem Kanzlerkandidaten sechs Tage vor der Bundestagswahl noch einmal richtig auf den Zahn fühlen. Hintergrund sind Ermittlungen gegen Mitarbeiter der FIU, einer Anti-Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls in Köln, die Scholz' Finanzministerium zugeordnet ist. FIU-Mitarbeiter sollen Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei weitergeleitet haben. In diesem Zusammenhang hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück beim Finanz- und beim Justizministerium angeklopft, um Unterlagen einzusehen.

Scholz weist Vorwürfe gegen die FIU zurück

Die wichtigste Frage sei nun: "Haben Vorgaben aus Berlin zu riesigen Lücken bei der Geldwäsche-Bekämpfung geführt?", sagte der FDP-Finanzpolitiker Toncar. Das Kernproblem sei der sogenannte risikobasierte Ansatz. "Es gibt ein Raster, mit dem Geldwäschemeldung gefiltert werden, aber dieses Raster ist offenbar so grob, dass wir bei der Geldwäschebekämpfung rechtsfreie Räume in Deutschland haben, dass es in großem Stil möglich ist, kriminell zu handeln." Die Durchsuchung in den Ministerien sei nur ein Symptom des Problems.

Scholz wies die Vorwürfe gegen die FIU zurück. Die Behörde habe in den vergangenen drei Jahren mehr hinbekommen als in den 30 Jahren zuvor. Sie sei personell aufgestockt worden und habe eine moderne IT-Struktur bekommen. Das Meldungsaufkommen werde weiter steigen. Die Kriterien, welche Geldwäschemeldungen an Behörden weitergeben werden, würden weiter verbessert. Kein Minister könne jedoch alle Probleme "mit einem Fingerschnippen lösen", so Scholz.

"Nicht genug getan zur Bekämpfung von Geldwäsche"

Die Grünen warfen dem Finanzminister vor, die Sitzung zur Selbstdarstellung genutzt zu haben. "Wieder hat Scholz als Finanzminister alle Verantwortung für das Chaos bei der Anti-Geldwäsche-Behörde FIU und bei der Geldwäschebekämpfung von sich gewiesen", erklärte die Finanzpolitikerin Lisa Paus. "Olaf Scholz hat nicht genug getan zur Bekämpfung von Geldwäsche."

Die Durchsuchung in Scholz' Ministerium nur wenige Tage vor der Bundestagswahl hatte auch Fragen aufgeworfen. So waren die gesuchten Unterlagen der Staatsanwaltschaft nach Darstellung des Justizministeriums bereits lange vorher angeboten worden. Die Staatsanwaltschaft stellt das betreffende Telefonat dagegen so dar, dass das Ministerium die Herausgabe der Unterlagen zunächst ablehnte und auf "den großen Dienstweg" verwies. So habe man entschieden, Durchsuchungen in beiden Häusern zu beantragen. Übereinstimmend heißt es, dass die Ermittler die fraglichen Unterlagen ohne Probleme einsehen konnten.

Verfassungsrechtler hält Razzien für rechtswidrig

Spekulationen über einen Wahlkampf-Hintergrund gab es, weil der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, ebenso CDU-Mitglied ist wie Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza. Der Sprecher der Ermittlungsbehörde wies diese Spekulationen zurück: Die Ermittlungen würden nicht von Südbeck geleitet, sagte er.

Der Verfassungsrechtler Joachim Wieland hält die Durchsuchung dennoch für rechtswidrig. Es gebe "durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit", schrieb er in einem Blogeintrag. "Für das scharfe Schwert einer Durchsuchung ist kein Anlass ersichtlich. Sie war nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig.".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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