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Sondierungen: Casual Monday bei der Ampel – aber wie geht's weiter?


Regierungsbildung
Casual Monday bei der Ampel – aber wie geht's weiter?

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

11.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Robert Habeck, Annalena Baerbock, Volker Wissing und Christian Lindner auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen: Wie geht's weiter?Vergrößern des Bildes
Robert Habeck, Annalena Baerbock, Volker Wissing und Christian Lindner auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen: Wie geht's weiter? (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)

SPD, Grüne und FDP beraten, ob es für ein Ampelbündnis reicht. Wie geht es die nächsten Tage weiter? Und wann könnte eine neue Regierung stehen? Der Überblick.

Es ist Casual Monday auf der Berliner Messe: Zumindest kommen die angehenden Ampelkoalitionäre am frühen Montagmorgen auffällig leger zu den Sondierungsgesprächen. FDP-Chef Christian Lindner ohne Krawatte, dafür mit weißen Turnschuhen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit Pullover unterm Jackett. Und Vielleicht-bald-Kanzler Olaf Scholz in Bluejeans und Poloshirt.

Es sind solche Oberflächlichkeiten, mit denen sich die Öffentlichkeit begnügen muss, weil die Verhandler nicht sagen wollen, wo es gerade inhaltlich hakt oder auch nur worüber heute gesprochen wird. Sie wollen das neue Vertrauensverhältnis, das alle Partner gerade beschwören, nicht zu früh auf die Probe stellen.

An die Stelle der Inhalte tritt deshalb gerade die Inszenierung. Was also soll der Casual Monday bedeuten? Wahrscheinlich einerseits: Wir verstehen uns so gut, wir lassen sogar den Schlips weg. Aber andererseits wohl auch: Jetzt geht es richtig an die Arbeit.

Denn, wie Grünen-Chef Robert Habeck am Wochenende im Deutschlandfunk sagte: "Das ganze Ding ist noch lange nicht in trockenen Tüchern." Wie also geht es weiter auf dem komplizierten Weg zu einer Ampelregierung? Ein Überblick.

Der Zeitplan der Sondierungen:

Montag: Die Sondierungsteams der drei Parteien treffen sich von 9 bis 19 Uhr in der Berliner Messe. Anschließend wird es kein Pressestatement geben. Irgendwie konsequent, denn sie wollen sich derzeit ohnehin noch nicht inhaltlich zu den Gesprächen äußern.

Dienstag: Kürzere Sondierungssitzung in der Berliner Messe von 9 bis 13 Uhr. Ob es danach ein Statement geben wird, ist noch nicht klar.

Mittwoch und Donnerstag: Die Gespräche in den Sondierungsteams pausieren, weil Olaf Scholz als Noch-Vizekanzler und Noch-Bundesfinanzminister nach Washington reisen muss. Die Generalsekretäre wollen aber in kleinerer Runde weitersprechen. Auch alle Parteichefs wären noch verfügbar.

Freitag: Der vorerst letzte fest geplante Sondierungstag. Der Zeitraum ist noch unklar, und auch, ob es wirklich der letzte vor den Koalitionsverhandlungen sein wird. Das wollen die Partner davon abhängig machen, wie weit sie gekommen sind.

Alle sind sich einig, dass diese erste Annäherungsphase kurz gehalten werden soll. Und: Es soll keine Nachtsitzungen geben, mit denen in der Politik nicht selten Verhandlungspartner mürbe gemacht werden. Die Ampelpartner haben sich dagegen entscheiden, weil Nachtsitzungen "unseres Erachtens Politik nicht besser machen", sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

Der Modus der Gespräche:

SPD, Grüne und FDP betonen immer wieder, aus den 2017 gescheiterten Jamaika-Gesprächen lernen zu wollen. Es gehe darum, sagte Lars Klingbeil nach der vergangenen Runde, diese Gespräche mit einem politischen Stil zu führen, "der nicht von Gewinnern und Verlierern geprägt ist". Sprich: Keine Profilierung auf Kosten der anderen, und auch mal gönnen können.

Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass harte Verhandlungen und Entscheidungen anstehen. Die sich auch in den Gesprächen niederschlagen werden. "Wir wollen nicht um die Dinge herumreden, sondern wir wollen sie konkret ansprechen und nach Lösungen suchen", sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing.

Die Lehre aus den Jamaika-Gesprächen? "Wir treffen uns am Montag nicht, um mal locker zu plaudern und zu schauen, wohin sich das entwickelt", erklärte Wissing. "Sondern wir legen größten Wert darauf, dass die Gespräche sehr strukturiert und thematisch auf den Punkt geführt werden." Anders als 2017, als "das lockere Drauflosreden in unterschiedlichsten Runden und Gremien und Arbeitsgruppen zu viel Arbeit, aber zu wenig Ergebnis geführt hat". Das dürfe sich nicht wiederholen.

Also Struktur und Ordnung – trotz Casual Monday.

Die Themen:

Nicht einmal über die Themen des Tages geben die drei Partner derzeit Auskunft. Zwischenstände oder Teileinigungen wollen sie ohnehin nicht rausgeben. "Das ist der Geist der Gespräche, die wir führen wollen", sagte Klingbeil. "Wir klären Dinge unter uns. Wir klären sie vertrauensvoll. Und sie werden das hoffentlich gute Ergebnis dann rechtzeitig mitbekommen."

Wie lange sich alle wirklich daran halten, bevor irgendetwas nach außen dringt, ist die andere Frage. Bisher funktioniert das aber überraschend gut – für die Verhandler.

Generell haben die Parteien kontroverse Themen identifiziert und ihnen an den bisherigen Verhandlungstagen ein Zeitfenster zugewiesen. So sollen sie nach und nach abgearbeitet werden. Zwischendurch gibt es Pausen, damit die Parteien besprechen können, wo sie noch weiteren Gesprächsbedarf sehen. "Wir sind der Meinung, dass die Zeit reicht, einen ersten Durchgang durch die Themen zu machen", sagte Wissing.

Ob es dann noch weitere Sondierungstage braucht, entscheidet sich also am Ende der Woche. Abgeschlossen werden könnte die Sondierungsphase mit einem "Sondierungspapier", in dem schon mal die wichtigsten Beschlüsse auch schriftlich festgehalten werden. Das erwartet zumindest Robert Habeck.

Die roten Linien:

SPD, Grüne und FDP werden bei den Verhandlungen große und wohl auch schmerzhafte Zugeständnisse machen müssen. Für alle drei Parteien gibt es aber ein paar Inhalte, die als nicht verhandelbar gelten. Und die für sie wichtig sind, um das Bündnis ihren Wählern und Parteien trotz aller Kompromisse schmackhaft zu machen.

Für die FDP ist das der Erhalt der Schuldenbremse und die Absage an Steuererhöhungen. (Von Steuersenkungen redet die FDP nicht mehr.) Für die Grünen ist das eine Politik, die beim Klimaschutz auf den 1,5-Grad-Pfad führt. (Bei den einzelnen Maßnahmen sind sie gesprächsbereit.) Und für die SPD ist es der Mindestlohn von 12 Euro. (Da gibt es wenig Raum für Interpretationen.)

Der weitere Zeitplan:

Die Sondierungsgespräche dürften wahrscheinlich noch im Oktober beendet werden. "Scheitern ist eigentlich keine Option", sagte Robert Habeck Sonntag im ZDF. Eine Jamaika-Koalition wäre selbst als Notlösung wegen der Krise der Union überaus kompliziert. Die verbleibende Alternative, eine "große" Koalition aus SPD und Union, ebenfalls. Da würde Deutschland "durchdrehen", glaubt zumindest Habeck. "Wir müssen uns schon ein bisschen zusammenreißen."

Trotzdem gibt es vorm Regieren noch einige formelle Hürden zu überwinden. Die Grünen werden einen Parteitag darüber entscheiden lassen, ob sie überhaupt in die offiziellen Koalitionsverhandlungen einsteigen werden, in denen der Regierungsvertrag ausgehandelt wird.

Wenn dann irgendwann der Regierungsvertrag steht, ist es ohnehin üblich, dass Parteien ihn auf einem Parteitag absegnen lassen. Bei den Grünen wird es eine Online-Urabstimmung der Mitglieder geben. SPD-Bundesvize Kevin Kühnert hatte eine Mitgliederbefragung für die SPD ins Spiel gebracht. Das kam aber bei anderen Spitzenpolitikern nicht sonderlich gut an.

Stehen könnte eine Ampelregierung im Idealfall im Dezember. Zumindest peilen das die Parteien an. Der neue Bundestag wird voraussichtlich am 26. Oktober das erste Mal zusammenkommen. Den Bundeskanzler könnten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP dann in der letzten regulären Sitzungswoche vor Weihnachten wählen, vom 13. bis 17. Dezember.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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