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Gaskrisen-Debatte bei Markus Lanz: Ökonom warnt vor "sozialer Katastrophe"


Gaskrisen-Debatte bei "Markus Lanz"
Topökonom: "Wir laufen sehenden Auges in eine soziale Katastrophe"

Von Daniele Raffaele Gambone

Aktualisiert am 31.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Marcel Fratzscher: Er leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.Vergrößern des Bildes
Marcel Fratzscher: Er leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Kommen wegen der Energiekrise und den hohen Kosten schwere Jahre auf Deutschland zu? DIW-Chef Marcel Fratzscher warnt vor diesem Szenario.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, zeigte sich bei seinem Auftritt in der Talkshow "Markus Lanz" besorgt angesichts der steigenden Energiepreise und der mangelnden finanziellen Reserven vieler Haushalte. Vierzig Prozent der Deutschen hätten keine Rücklagen, um auf den Kostenanstieg reagieren zu können.

"Deshalb ist es so dringend, dass die Politik handelt und Entlastungen herbeiführt, vor allem für Menschen mit geringem Einkommen", mahnte der Wirtschaftswissenschaftler am Dienstagabend im ZDF an.

FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff verteidigte in der Sendung Bundeswirtschaftsminister Habeck gegen Angriffe aus der SPD. Außerdem machte sich der Liberale für einen Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke und weitere Waffenlieferungen an die Ukraine stark.

Gäste:

  • Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Fraktionsvize
  • Anja Maier, Politikjournalistin
  • Marcel Fratzscher, DIW-Chef
  • Kathrin Witsch, Wirtschaftsjournalistin

Krieg in Europa, explodierende Energiekosten und Lebensmittelpreise, eine drohende Rezession: Auch für eine verhältnismäßig junge Regierungskoalition verbieten sich angesichts dieser Voraussetzungen handwerkliche Schnitzer und kindische Zänkereien. Sollte man meinen. SPD, Grüne und FDP streiten trotzdem in aller Öffentlichkeit und nehmen bevorzugt die oft nicht ganz durchdachten Reform- oder Entlastungsvorhaben der Koalitionspartner ins Visier. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck weiß dank seiner missratenen Gasumlage gerade ein Lied davon zu singen.

Zu tief sitzt bei allen die Sorge, am Ende als jene Partei dazustehen, die von den Wählerinnen und Wählern für die Regierungsfehler zur Rechenschaft gezogen wird. Die FDP musste diese Erfahrung zwischen 2009 und 2013 schon einmal machen, während ihrer Koalition mit Angela Merkels Union. Anschließend scheiterten die Liberalen kläglich am Wiedereinzug in den Bundestag.

FDP-Politiker Lambsdorff stellt sich vor Habeck

Den Eindruck, dass sie auch in der gegenwärtigen Ampel-Konstellation bereits Federn lassen mussten, bestätigte die Journalistin Anja Maier. "Ein Drittel Ihrer Wählerschaft ist Ihnen abhandengekommen", rechnete sie FDP-Fraktionsvize Lambsdorff vor. Hintergrund war eine Forsa-Umfrage, die die FDP bei 7 Prozent sieht. Bei der Bundestagswahl im September 2021 hatte die Partei noch 11,5 Prozent erreicht.

Der angesprochene FDP-Politiker zog es allerdings vor, nicht näher auf die Zahlen einzugehen. Lambsdorff, ganz gelernter Diplomat, betonte stattdessen lieber die Vorzüge führender Regierungspolitiker aller Ampelparteien. Zu den sozialdemokratischen Attacken auf den Bundeswirtschaftsminister, beispielsweise durch die beiden SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, positionierte er sich hingegen deutlich. "Ich fand das, was da zum Teil über Herrn Habeck ausgekippt worden ist, nicht mehr zivilisiert", so Lambsdorff.

Einen Grund für die Angriffe erkannte der Liberale ausgerechnet in der Popularität des grünen Kabinettsmitglieds. "Ich glaube, es gibt eine gewisse – eine überzogene, wie ich finde – Nervosität angesichts der guten Umfragewerte von Herrn Habeck", erläuterte er. "Das ist das Letzte, was Robert Habeck gerade brauchte: Mitleid", kommentierte Maier amüsiert.

Spaltet die Gasumlage Deutschland?

Dass es bei der Ausgestaltung der Gasumlage zu Fehlern gekommen sei, war in der Runde unstrittig. Journalistin Maier urteilte sogar: "Sie hat das Potenzial, die Gesellschaft zu spalten. Das fängt schon damit an, dass Leute, die mit Gas heizen, betroffen sind und andere nicht." Das Gefühl, nichts an den Umständen ändern zu können, machte die Medienvertreterin als einen der Hauptgründe für die derzeit weit verbreitete Frustration aus. "Wo man die Leute wirklich triggert, ist das Gefühl von Ungerechtigkeit", befand Maier.

"Die Gasumlage ist ein Instrument, das in der Krise geschaffen wurde, weil die Alternative deutlich schlimmer gewesen wäre", verteidigte hingegen Kathrin Witsch die Maßnahme. Energieunternehmen hätten die Preise andernfalls ungebremst weitergeben dürfen, erklärte die "Handelsblatt"-Journalistin weiter. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass einer Hauptverantwortlichen, der Gasimporteur Uniper, aktuell enorme Verluste mache. "Die Summe ist immens, die ist unvorstellbar", sagte Witsch.

Das Unternehmen habe sich aus dem Irrglauben heraus, Russland wäre ein besonders zuverlässiger Partner, fast ausschließlich auf russische Gaslieferungen verlassen, so die Energieexpertin. Ein weiterer Preistreiber bei Gas und Strom sei der Umstand, dass man zum ersten Mal seit Jahren Strom aus Gas nach Frankreich exportieren müsse. Dort würden wegen Wartungen, hohen Temperaturen und niedrigen Wasserständen Atomkraftwerke ausfallen.

Spitzenökonom Fratzscher sieht Nachteil für deutsche Wirtschaft

Für DIW-Chef Fratzscher ein Grund mehr, den Transformationsprozess hin zu erneuerbaren Energien massiv voranzutreiben. Der Wirtschaftswissenschaftler wagte einen Ausblick in die nahe Zukunft und sah schwere Jahre auf Deutschland zukommen. "Wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht gesehen. Ich glaube, das realisieren viele nicht", sagte Fratzscher mit Blick auf die Steigerungen bei den Energiekosten.

Diese seien größtenteils noch nicht an die Kunden weitergegeben worden und kämen nur mit zeitlicher Verzögerung bei ihnen an. Man werde also auch 2023 und 2024 noch Anstiege sehen. "Und das ist, was mir Sorge macht, dass wir hier sehenden Auges in eine soziale Katastrophe laufen", so die unerfreuliche Prognose des Ökonomen für die deutschen Privathaushalte.

Aber auch auf die deutsche Wirtschaft sah Fratzscher große Herausforderungen zukommen. Die Unternehmen hierzulande seien im Wettbewerb mit jenen aus weniger von russischen Eneergieträgern abhängigen Staaten im Nachteil, führte Fratzscher mit Blick auf die Energiekosten aus. Allerdings erkannte er darin mittelfristig eine echte Chance. Perspektivisch könne, wenn die Transformation gelinge, in zehn Jahren aus dem Nachteil ein Vorteil geworden sein.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 30. August 2022
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