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Silvester: Böller und Raketen verbieten? Pyrotechniker über Feuerwerksverbot


Pyrotechniker über Böllerverbot
"Ungerecht, ganzen Berufszweig in den Ruin zu stürzen"

InterviewVon Mario Thieme

29.12.2023Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
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Böller auf einer Straße in Berlin: Über ein Böllerverbot wird jährlich diskutiert. Ein Pyrotechniker ist dagegen. (Quelle: Paul Zinken)

Braucht es ein Böllerverbot? Politik und Bürger streiten über diese Frage besonders in den Tagen vor Silvester ausführlich. Ein Pyrotechniker hat eine klare Haltung.

Kurz nach Weihnachten startete der Verkauf von Silvesterfeuerwerk und die Nachfrage ist riesig. Offenbar genießen die Deutschen das Zündeln, Böllern und Knallen zum Jahreswechsel. Doch die Diskussion um ein Feuerwerksverbot flammt jährlich auf und wird, besonders nach den Ausschreitungen in Berlin-Neukölln 2022, immer lauter.

Video | Worauf Sie beim Knallen achten sollten:
Quelle: Glomex

Achim Hagen macht seit fast drei Jahrzehnten professionell Feuerwerk, seit 2015 ist er einer von wenigen hauptberuflichen Pyrotechnikern des Landes. Im t-online-Interview verrät der 63-Jährige, weshalb er ein Feuerwerksverbot konsequent ablehnt.

t-online: Weshalb lieben Sie Ihren Job?

Achim Hagen: Erstens ist es das Kind im Manne, das in mir durchkommt. Und zweitens freue ich mich immer wieder, wenn ich während und nach dem Feuerwerk in die strahlenden Kinderaugen gucken kann – oder auch in die eines Brautpaares. Später kommen sie auf mich zu und bedanken sich, wie super es war. Es ist für mich besonders schön, es geschafft zu haben, die Leute zur heutigen Zeit mit solch einer Kleinigkeit, die es im Grunde ja ist, noch so zu faszinieren.

Würden mit einem Feuerwerksverbot nicht Ihre Aufträge zunehmen?

Vermutlich, aber ich kann immer nur ein Feuerwerk machen. Wenn ich zu Silvester engagiert werde, kann ich nur zu diesem einen Ort fahren, dort mein Feuerwerk machen und muss dann wieder nach Hause. Ich kann am Abend keine fünf Feuerwerke durchführen. Allein aus Sicherheitsgründen könnte ich mir eine solche Hektik nicht erlauben. Denn ein professionelles Feuerwerk muss wohldurchdacht sein, damit nichts passiert. Außerdem verkaufe ich zusätzlich Feuerwerksartikel. Diese Einnahmen fielen durch ein Verbot weg.

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Könnte ein Verbot Ausschreitungen wie die in Berlin verhindern?

Nein, denn wenn Leute Gewalt ausüben wollen, dann werfen sie statt Böllern und Raketen eben Steine und Flaschen. Nur weil manche Leute unvernünftig mit Feuerwerk umgehen, fände ich es ungerecht, es allgemein zu verbieten und damit einen ganzen Berufszweig in den Ruin zu stürzen. Die Leute, die ein Feuerwerksverbot fordern, denken gar nicht an die Folgen. Nicht nur ich als Pyrotechniker wäre betroffen, sondern auch die ganzen Shops, Feuerwerksfirmen und Transportunternehmen, die mit dranhängen.

Und die Leute würden sich die Ware dann im Ausland besorgen?

Ja, denn man kann nach Polen, Tschechien, Holland, Belgien und so weiter fahren, dort Feuerwerk einkaufen und das einfach nach Deutschland bringen. Die Feuerwerk-Freaks würden das auch tun. Die Leute reagieren auf Verbote damit, dass sie es gerade dann trotzdem machen.

Haben Sie Verständnis für Ärzte, die beklagen, dass Krankenhäuser rund um den Jahreswechsel voller sind als üblich, weil es so viele Verletzte durch Feuerwerk gibt?

Ich gebe denen teilweise recht. Es gibt eben unvernünftige Leute, die nicht richtig mit Feuerwerkskörpern umgehen. Da spielt oftmals Alkohol auch eine große Rolle. Aber schwarze Schafe gibt es in allen anderen Lebensbereichen auch. Und jedes Jahr passieren Zigtausende Autounfälle mit Verletzten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen – oftmals selbst verschuldet. In deutschen Haushalten geschehen jährlich sogar millionenfache Unfälle, weil Leute sich mit Messern verletzen oder von Leitern fallen und die Krankenhausbetten dadurch belegen.

Video | Diskussion ums Böllerverbot
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Quelle: t-online

Ein häufiges Argument gegen Feuerwerk ist das Wohl der Tiere. Überzeugt Sie das?

Sicherlich erschrecken Tiere sich, wenn es plötzlich knallt und sie nicht wissen, wo es herkommt. Aber das gibt sich schnell wieder. Ich habe selbst zwei Hunde, die mit mir raus in den Garten kommen, wenn ich Feuerwerk mache, gen Himmel gucken und sich freuen. Tiere, die in einer Wohnung leben, in der es keinen Garten gibt und sie nicht draußen sein können, haben natürlich mehr Angst.

Tiere, die in der freien Natur leben, haben weniger Angst, weil sie zum Beispiel Gewitter und andere verängstigende Situationen oft erleben. Und man muss immer im Kopf behalten: Silvester ist nur einmal im Jahr und nicht jeden Tag.

Ist Feuerwerk, wie viele behaupten, Geldverschwendung?

Es gibt viele Freaks, die darauf hinsparen, sich das ganze Jahr über schon darauf freuen, Silvester ihr Feuerwerk zünden zu können und sich dafür ein ganzes Arsenal zulegen. Leute, die dafür arbeiten gehen und dafür ihr Geld ausgeben wollen, sollten das machen können. Die Leute sind immer noch fasziniert davon. Ich merke nicht, dass das Interesse zurückgeht. Mein Umsatz wurde im vergangenen Jahr nicht weniger, ganz im Gegenteil. Im Falle eines Verbots würde meine Lebensqualität – und die vieler anderer – stark leiden.

Vielen Dank für das Gespräch und guten Rutsch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit t-online-Nutzer und Pyrotechniker Achim Hagen
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