Parallele zur AfD? "Das stimmt nicht, bitte keine Legenden erzählen"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mehr als einmal schnellte Bodo Ramelows Puls bei "Maischberger" in die Höhe. Deutlich wurde er unter anderem, als es um Sahra Wagenknecht ging.
Wie sieht sein "Abschied von der Macht" aus? Diese Frage wollte Sandra Maischberger am Mittwochabend mit dem scheidenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, diskutieren. Es dauerte nicht lange, bis es zwischen der Moderatorin und dem Linken-Politiker knirschte. Zu einem hitzigen Wortgefecht kam es, als Maischberger die Sprache auf die Wahlniederlage der Linken bei der Landtagswahl lenkte.
Die Gäste
- Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen
- Ralf Stegner (SPD), Außenpolitiker
- Sarah Pagung, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik
- Bettina Böttinger, Moderatorin
- Gregor Peter Schmitz, "Stern"-Chefredakteur
- Nena Brockhaus, Journalistin
Sein "Amtsbonus" habe offenbar nicht gereicht, um ihn davor zu bewahren, alle Prozentpunkte an das BSW zu verlieren, stichelte Maischberger. Zur Erinnerung: Die Partei um Ramelows ehemalige Parteigenossin Sahra Wagenknecht hatte Anfang September aus dem Stand 15,8 Prozent geholt. Die Thüringer Linke war derweil von 31,0 Prozent auf 13,1 Prozent abgesackt.
"Das stimmt nicht", unterbrach Ramelow die Ausführungen der Moderatorin. Er forderte: "Ich möchte gerne, dass wir bei den Fakten bleiben." 13 Prozent seien immer noch das Dreifache von allen Werten, die seine Partei momentan in Deutschland erziele, stellte er klar. "Meine Landespartei hat eine Stärke behalten, die man ihr gar nicht zugetraut hat", erklärte Ramelow weiter. Das sei seinem Beitrag zu verdanken. "Trotzdem 13 Prozent", beharrte Maischberger.
Ramelow verbessert Maischberger
Uneinig waren sich Moderatorin und Linken-Politiker auch, als es darum ging, wie CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt künftig potenziell als Ministerpräsident regieren könne. Auch wenn die Christdemokraten eine Koalition mit BSW und SPD eingingen, fehle ihnen eine Stimme zur Mehrheit, erklärte Maischberger. "Nein, es reicht vollkommen", widersprach Ramelow.
Maischberger ließ sich davon nicht beirren: Ein Zusammenschluss mit BSW und SPD reiche nicht, um im Parlament immer alles durchzubekommen, beharrte sie. "Das stimmt nicht, ich bitte, keine Legenden zu erzählen!", unterbrach Ramelow. 44 Stimmen reichten aus, um im dritten Wahlgang Ministerpräsident zu werden, erklärte er.
Den Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU, der Verhandlungen mit der Linken auch auf Landesebene ausschließt, nannte Ramelow "kurios". Immerhin sei er mit Stimmen der Union 2021 Bundesratspräsident geworden. Darüber hinaus sei der Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Linke "wegen Frau Wagenknecht und der Kommunistischen Plattform" gefasst worden. Wagenknecht habe seine Partei nun aber verlassen, so Ramelow.
Seitenhieb gegen Wagenknecht
Ob er CDU-Mann Voigt seine Stimme anbieten werde, wenn er in Zukunft eine Mehrheit brauche, wollte Maischberger wissen. Die zwölf Stimmen der Linken "sind zusammen zu haben", wenn das dem Land Thüringen eine gute Entscheidung ermögliche, stellte Ramelow klar. Anders als ihm häufig unterstellt werde, gebe es "keine Privatisierung einer einzelnen Stimme", so der Noch-Ministerpräsident. In Abgrenzung zu Wagenknecht führte der Linken-Politiker aus: Er gehöre auch nicht "zu denen, die sich in die Büsche schlagen".
Maischberger diskutierte am Mittwochabend mit ihren Gästen auch darüber, wie man am besten mit der AfD umgehe, die bei der Landtagswahl in Thüringen die mit Abstand stärkste Kraft geworden war. Bisher lehnen etablierte Parteien jegliche Gespräche mit der als rechtsextrem eingestuften Thüringer AfD ab. Die Moderatorin erkannte darin eine Parallele zu Ramelow, die den Linken-Politiker aus der Haut fahren ließ.
Als er 2014 der erste Ministerpräsident der Linken geworden sei, habe die ein oder andere Zeitung auch von einer "Gefahr für die Demokratie" gesprochen, erinnerte Maischberger. "Warum soll das bei der AfD anders sein…", setzte die Moderatorin zu einer Frage an, kam jedoch nicht weit. "Ich verbitte mir die Gleichstellung!", unterbrach Ramelow.
Reden mit der AfD?
"Es ist keine Gleichstellung", wiederholte Maischberger mehrfach, doch der Linken-Politiker ließ sich nicht so leicht beruhigen. "Ich akzeptiere nicht, wenn Sie das in einem Atemzug nennen, weil damit dämonisieren Sie die Linke und Sie verharmlosen die AfD", kritisierte Ramelow. "Ich lege Wert darauf, dass das kein Vergleich war!", beharrte Maischberger. Ihre Frage stellte sie schließlich stark vereinfacht: "Warum soll die AfD nicht regieren?"
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Ramelow verwies auf die "handelnden Personen" der Partei, die am Ende die Verantwortung tragen müssten und denen diese nicht anvertraut werden könne. AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke sei mehrfach für das Skandieren von SA-Parolen verurteilt worden, nannte er als eines von mehreren Beispielen.
Geteilte Ansichten darüber, ob Parteien im Osten mit der AfD sprechen oder sogar koalieren sollten, gab es in Maischbergers Kommentatoren-Runde. Journalistin Nena Brockhaus vertrat die Ansicht, dass etablierte Parteien sehr wohl Wahlgespräche mit der AfD führen sollten. Ansonsten setze man sich über den Bürgerwillen hinweg und verhalte sich undemokratisch, so ihre Begründung.
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"Stern"-Chefredakteur befürwortet Brandmauer
Die politische Brandmauer gegen die AfD funktioniere nicht, stellte die Journalistin klar. Im Zweifel sollten deswegen auch Koalitionen mit der rechten Partei gebildet werden. "Ich weiß, dass meine These fast schon gefährlich ist”, räumte Brockhaus ein und machte deutlich, sie sei keine AfD-Sympathisantin.
Anderer Meinung war "Stern"-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz. Zwar sei auch er der Ansicht, dass demokratische Abstimmungen respektiert werden müssen, gleichzeitig gebe es keine Verpflichtung, bestimmte Koalitionen einzugehen. Der Gedanke, dass sich die AfD selbst entzaubere, wenn sie an die Macht käme, hielt er für falsch und verwies auf die FPÖ in Österreich.
Die rechtspopulistische Partei sei dort seit Jahrzehnten an der Regierung beteiligt und habe Österreich verändert – nicht umgekehrt, so sein Argument. Dass die CDU ein solches Risiko nicht eingehen wolle und deswegen eine Koalition mit der AfD ausschließe, befürwortete Schmitz. "Einen Ministerpräsidenten Höcke kann niemand wollen", stellte der Chef-Redakteur klar.
- ard.de: "Maischberger" vom 18. September 2024