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Ukraine-Krieg: Schoigu ordnet russischen Rückzug aus Cherson an


Ukraine reagiert skeptisch
Schoigu ordnet russischen Rückzug aus Cherson an

Von t-online, dpa, pdi, dm

Aktualisiert am 09.11.2022Lesedauer: 3 Min.
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"Leben der Soldaten haben Priorität": Hier ordnet Schoigu den Rückzug der Truppen an. (Quelle: t-online)
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Nach schweren Kämpfen kann Russland offenbar den nordwestlichen Teil des annektierten Gebiets Cherson nicht länger halten. Auf Anfrage von t-online reagiert die ukrainische Regierung skeptisch gegenüber den Ankündigungen aus Moskau.

Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven hat Russland angekündigt, seine Truppen aus der Hauptstadt und weiteren Teilen des besetzten Gebiets Cherson abzuziehen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu ordnete am Mittwoch die Räumung des rechten Ufers des Flusses Dnipro an. Seine Anordnung wurde im russischen Staatsfernsehen gezeigt.

Mit dem Rückzug würde Russland im Süden die Kontrolle über die einzige ukrainische Gebietshauptstadt verlieren, die es seit Beginn des Angriffskriegs Ende Februar eroberte. "Das Leben und die Gesundheit der Soldaten der Russischen Föderation waren immer eine Priorität", sagte Schoigu zur Begründung. Der neue Kommandeur der russischen Truppen in der Ukraine, Sergej Surowikin, berichtete von zuletzt heftigem Beschuss der Ukrainer auf die Stadt Cherson und umliegende Ortschaften.

Selenskyj-Berater warnt vor Falle

Ob die ukrainischen Truppen bereits innerhalb der nächsten Tage ein Gelände von über 4.000 Quadratkilometer zurückerobern können – so groß ist der nordwestliche Teil des Gebiets Cherson –, ist derzeit noch unklar. Der Selenskyj-Berater Mychajlo Podoljak warnt, es sei zu früh, um schon von einer "Befreiung Chersons" zu sprechen. "Wir sehen keine russischen Truppenbewegungen, die die Aussagen der russischen Militärführung bestätigen würden", so Podoljak zu t-online. Die Lage vor Ort wird zeigen, ob sich die russischen Truppen tatsächlich zurückziehen oder ob dies nur eine Falle sei, um die ukrainischen Kräfte in Sicherheit zu wiegen, bevor ein harter Häuserkampf beginne.

"Cherson wird definitiv befreit", so der Präsidentenberater, aber man beurteile die Lage anhand von realen Gegebenheiten und Geheimdienstinformationen. "Wir sprechen erst von einer Befreiung Chersons, wenn die ukrainische Flagge wieder über der Stadt weht."

Russische Rekruten als Kanonenfutter

Kommandeur Surowikin hatte bereits im Oktober "schwierige Entscheidungen" in Cherson angekündigt, was von Beobachtern als Indiz für einen geplanten Abzug gedeutet wurde. Er schlug vor, die Truppen auf das andere Ufer des Flusses Dnipro zurückzuziehen und dort Verteidigungsstellungen aufzubauen. Seinen Vorschlag begründete er wie nun Schoigu damit, dass er das Leben russischer Soldaten schützen wolle. "Wir denken in erster Linie an das Leben jedes russischen Soldaten", sagte er.

Russland hat in den acht Monaten Krieg in der Ukraine bereits eine hohe Zahl an toten und verwundeten russischen Soldaten zu verzeichnen. Die britische Russlandexpertin Samantha de Bendern sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) im Oktober, dass selbst konservative Schätzungen von 50.000 Toten ausgehen. Auch die im September angeordnete Teilmobilmachung von Reservisten sorgte zuletzt in Russland für Aufruhr. Zahlreiche Rekruten beklagten eine mangelnde Ausrüstung und Ausbildung. Experten sprachen davon, dass Russland die Reservisten als Kanonenfutter in die Ukraine schickt.

Heftige Gefechte in den vergangenen Wochen

Russland hatte das Gebiet Cherson in den ersten Kriegswochen weitgehend besetzt und im September – ebenso wie die Regionen Saporischschja, Luhansk und Donezk – völkerrechtswidrig annektiert. Ungeachtet dessen kündigte die Ukraine immer wieder an, Stadt und Gebiet Cherson auch mithilfe westlicher Waffen befreien zu wollen.

In den vergangenen Wochen gab es andauernde, heftige Kämpfe. Mehrfach berichteten die Ukrainer von großen Zerstörungen und hohen Verlusten auf russischer Seite. Unabhängig konnte das oft zwar nicht überprüft werden. Zuletzt rechneten aber auch russische Militärblogger mit einem baldigen Rückzug der eigenen Truppen aus der Stadt Cherson. Die russischen Besatzer brachten zudem eigenen Angaben zufolge Zehntausende Zivilisten aus der Stadt Cherson auf die andere Seite des Flussufers. Die Ukraine sprach von einer Verschleppung der Menschen.

Der Rückzug der russischen Truppen stellt einen weiteren schweren Rückschlag für den Kreml dar. Die in den ersten Tagen der Militäroffensive in der Ukraine eingenommene Stadt Cherson war Russlands wichtigste Eroberung. Die gleichnamige Region ist von strategisch großer Bedeutung, weil sie an die 2014 von Moskau annektierte ukrainische Halbinsel Krim grenzt.

"Dramatisches Eingeständnis der Schwäche Russlands"

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul wertete die Ankündigung Schoigus als "ein dramatisches Eingeständnis der Schwäche Russlands". Es zeige, dass die angekündigte Rekrutierungskampagne Russlands nicht funktioniere, sagte der CDU-Außenexperte der Deutschen Presse-Agentur. "Dieser Rückzug wird zu Rissen in der russischen Führung führen". Das Momentum bleibe auf der Seite der Ukraine, sie habe Chancen, die von Russland besetzten Territorien zurückzuerobern. "Doch dafür müssen wir sie endlich schneller und substanzieller unterstützen. Hier ist die Bundesregierung gefragt."

Russland hat das Nachbarland Ukraine am 24. Februar überfallen. Seitdem mussten die russischen Truppen bereits mehrfach größere militärische Niederlagen einstecken. Als eines der aus Kreml-Sicht größten Debakel gilt der Rückzug aus dem ostukrainischen Gebiet Charkiw Mitte September.

Verwendete Quellen
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