Steinmeier: "Wir verneigen uns vor den Opfern"
Zu Beginn seines Staatsbesuchs in Griechenland hat BundesprĂ€sident Frank-Walter Steinmeier um Verzeihung fĂŒr die GrĂ€ueltaten der Nazis gebeten. Deutschland werde dies nicht vergessen.
Es ist eine symbolische Geste, noch bevor der eigentliche Staatsbesuch begonnen hat. Gemeinsam mit seiner Frau Elke BĂŒdenbender fĂ€hrt BundesprĂ€sident Frank-Walter Steinmeier in das ehemalige Konzentrationslager Chaidari bei Athen, wo Zehntausende griechische HĂ€ftlinge von SS-Truppen festgehalten, gefoltert und viele getötet wurden.
Ein unauffÀlliges KasernengelÀnde, ein schlichter GefÀngnistrakt, vergitterte Fenster, trotz strahlender Sonne an diesem Donnerstag ein trister Ort. Die Griechen nennen Chaidari das "Vorzimmer des Todes", denn Tausende wurden von hier nach Dachau und Auschwitz deportiert.
Dass das Thema VergangenheitsbewĂ€ltigung mit dem Kurzbesuch in Chaidari erledigt wĂ€re, hat sicher auch Steinmeier nicht angenommen. Wenig spĂ€ter bittet der BundesprĂ€sident, wie vor vier Jahren sein VorgĂ€nger Joachim Gauck, um Verzeihung fĂŒr die deutschen Verbrechen wĂ€hrend der Besatzung von 1941 bis 1944. "Wir verneigen uns vor den Opfern", sagt er.
Weg aus der bilateralen Depression
Die griechischen Reparationsforderungen in dreistelliger Milliardenhöhe stehen im Raum, und werden - wenn auch relativ zurĂŒckhaltend - angesprochen. Aber es geht um mehr, und wieder einmal hĂ€ngt alles mit allem zusammen. Denn mehr als die "ferne Vergangenheit", wie es MinisterprĂ€sident Alexis Tsipras nennt, haben die nahen Jahre der Eurokrise die deutsch-griechischen Beziehungen in jĂŒngerer Zeit getrĂŒbt.
"Alte Vorurteile haben aufgeheizte Debatten geprĂ€gt", sagt Steinmeier am Abend beim feierlichen Staatsbankett. "Nicht immer haben Sie die Anteilnahme aus Deutschland erhalten, die Sie sich gewĂŒnscht hĂ€tten." Das ist heute zwar kein Schnee von gestern, aber Steinmeier ebenso wie seine GesprĂ€chspartner finden den Weg heraus aus der bilateralen Depression in ein - allerdings ebenfalls heikles - gemeinsames Projekt fĂŒr die europĂ€ische Zukunft.
Guter Ruf
Tröstlich immerhin, dass Steinmeier und seine Gastgeber angesichts zahlreicher Angriffe gegen Rechtsstaat und Demokratie an einem Strang ziehen. "Wir haben uns wieder zusammengerauft", sagt der Gast aus Deutschland. Einigkeit besteht auch bei der Forderung nach einer solidarischen Migrationspolitik in der EU - die Zahl der FlĂŒchtlinge in der ĂgĂ€is steigt wieder.
Dass der Staatsbesuch nach allem Streit der letzten Jahre doch recht harmonisch ablĂ€uft, liegt auch an dem guten Ruf, den Steinmeier in Griechenland genieĂt. Man spricht eben mit einem Mann, der sich in schwierigen Zeiten stets fĂŒr VerstĂ€ndigung einsetzte. Genau das hob der griechische PrĂ€sident Prokopis Pavlopoulos bei seiner BegrĂŒĂung hervor.
"Wir sind Teil der Lösung"
Kein einziger negativer Kommentar war am Donnerstag in der griechischen Presse zu lesen. Keine Demonstration - nicht mal eine kleine - auf den StraĂen Athens gegen den Besuch und die "Spardiktate" aus Berlin. Anders noch vor wenigen Jahren, als der damalige Finanzminister Wolfgang SchĂ€uble mit seinem Besuch fĂŒr Chaos auf den StraĂen sorgte oder Kanzlerin Angela Merkel als "SS-Offizierin" dargestellt wurde.
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Seitdem hat sich vieles geĂ€ndert. Der frĂŒhere Revoluzzer und heutige Regierungschef Alexis Tsipras gilt inzwischen als StabilitĂ€tsfaktor. "Wir sind nicht mehr das Problem - Wir sind Teil der Lösung", betont er immer wieder. Damit gehen die deutsch-griechischen Beziehungen trotz der Reparationsfrage in eine neue und normale Phase, wo sich beide Staaten als echte Partner in der EU betrachten. Wie das nach den Parlamentswahlen in Griechenland im nĂ€chsten Jahr aussieht, ist allerdings eine andere Frage.
Und es gibt sogar etwas zu feiern: Nach langen und zĂ€hen Verhandlungen konnte endlich die GrĂŒndung eines deutsch-griechischen Jugendwerks vereinbart werden. Schon 2014 war dies grundsĂ€tzlich beschlossen worden, geschehen ist dann erst einmal gar nichts. Drei Millionen Euro im Jahr lĂ€sst sich das die Bundesregierung nun kosten - gegen griechische Milliardenforderungen soll man das lieber nicht aufrechnen. "Ein gutes Signal", sagt der BundesprĂ€sident.