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China: Auf Deutschland, Europa und den Westen braucht Ihr nicht zu hoffen!


Menschheitsverbrechen in China
Auf Deutschland braucht Ihr nicht zu hoffen

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 28.11.2019Lesedauer: 4 Min.
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Lager in China: Der Staat sperrt Millionen Uiguren ein und der Westen schaut zu. Deutschland und der Westen müssen endlich wieder als Werteunion auftreten, schreibt t-online-Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des Bildes
Lager in China: Der Staat sperrt Millionen Uiguren ein und der Westen schaut zu. Deutschland und der Westen müssen endlich wieder als Werteunion auftreten, schreibt t-online-Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: reuters)

Die zunehmende Machtlosigkeit Deutschlands und des Westens wird einem vor Augen geführt. China sperrt Millionen Uiguren in Lager und wir schauen zu. Die Ära westlicher Vorherrschaft ist Geschichte.

Achtung. Diese Kolumne kann Spuren von Defätismus und Resignation enthalten. Aber ich habe nach den Enthüllungen der China Cables leider keine andere Botschaft an die muslimischen Uiguren im Reich der Mitte als diese: Auf Deutschland, Europa und den Westen braucht Ihr nicht zu hoffen! Eure Brüder und Schwestern in der islamischen Welt pfeifen ebenso auf euch; wenn es nicht gegen Israel geht, schweigen die Herrscher zwischen Riad und Teheran und berauschen sich lieber weiter an ihren fetten Geschäften mit Peking. Euch Uiguren steht die goliathsche Macht der Wirtschaft entgegen. Sofern ihr es nicht eh schon ahnt, kein Staat interessiert sich ernsthaft für euch. Im Wettstreit Dollar gegen Moral hat die Moral noch immer verloren.

Ihr müsst also weiter damit rechnen, interniert, eurer Freiheiten beraubt, in Umerziehungslagern gehirngewaschen zu werden. Eure Moscheen werden geschleift, eure Sprache und Traditionen im Steinbruch der Assimilierung abgetragen. Ihr wisst: China hat seit der Kulturrevolution in den Sechziger und Siebziger Jahren Übung darin und keinerlei Skrupel. Euer Pech ist es, dass ihr in einem Land lebt, das in manchen Wirtschaftsbereichen schon führend auf diesem Planeten ist, es in anderen bald werden wird, und militärisch ähnlich aufholt. Meine syrische Familie muss der bitteren Realität des Ausgeliefertseins täglich in Syrien ins Auge blicken – und Syrien ist ein kleiner Fisch, während China der Walhai ist.

Der Niedergang des Westens schleicht sich ein

Der Syrienkrieg, den Russland und der Iran gewonnen haben, hat den Anbruch eines neuen Zeitalters globaler Machtverteilung angedeutet, China setzt nun ein Ausrufezeichen dahinter. Der Niedergang Roms kam einst schleichend, der Niedergang des Westens schleicht sich bereits ein.

Aber bleiben wir bei Deutschland. Was kann ein Wels wie Deutschland, um im Bild zu bleiben, schon gegen einen Walhai anrichten? Natürlich nichts. Deutschland scheitert schon in einer Wirtschaftsnische wie der Rüstungsindustrie daran, keine Güter in Krisengebiete und an autoritäre Regime zu exportieren. Saudi-Arabien, das im Jemen Krieg führt, stand im Jahr 2018 auf Platz zwei der deutschen Rüstungsexporte.

Offenkundige Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Inhaftierungen, grausame Körperstrafen, öffentliche Enthauptungen per Schwert, systematische Diskriminierung von Frauen taten dem keinen Abbruch. Der Mordfall Khashoggi brachte später zwar ein Embargo, doch schon kurz darauf folgten Forderungen aus der großen Koalition nach dessen Ende. Die Wirtschaft wird immer die stärkeren Argumente ins Feld führen.

Nichts außer blutleere Worte

Doch man ist gezwungen, Bundesaußenminister Heiko Maas zuzuhören: "China muss seinen internationalen Verpflichtungen bei den Menschenrechten nachkommen." Dies habe man jüngst mit 23 weiteren Staaten in einem Statement in der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Blick auf die Behandlung der Uiguren bekräftigt. Die internationale Gemeinschaft könne davor nicht die Augen verschließen.

Man will sich ob dieser blutleeren Worte am liebsten die Haare raufen, weiß doch jeder, dass ihnen keine Taten folgen werden. Manche mögen da einwenden, das ist dennoch besser als nichts, besser als Schweigen, besser als ignorieren. Das kann schon sein, gilt aber nur für uns, die wir solche Konflikte aus der Ferne beobachten. Wir können so das Gewissen etwas beruhigen. Denjenigen, die von dem Leid betroffen sind, hilft es nichts. Und wer daran zweifelt, sollte sich vertrauensvoll an die Tibeter wenden, die seit Jahrzehnten für mehr Selbstbestimmung kämpfen – ohne Erfolg, trotz eines Medienlieblings wie dem Dalai Lama, trotz Demonstrationen, Selbstverbrennungen, Protestschreiben, Aufständen.

Was tun, wenn Staaten auf Worte keine Taten folgen lassen?

China verlangt, dass man sich nicht in seine inneren Angelegenheiten einmischt. Das ist die wichtigste außenpolitische Staatsdoktrin, und ihr unterwerfen sich alle. Vielleicht mit einer Ausnahme, die einem allerdings schwerfällt zu benennen: Donald Trump. Der unberechenbare US-Präsident ist der einzige, der China teilweise Paroli bietet.

Also was tun? Mich nervt es, wie Staaten, die sich auf einer moralisch höheren Ebene präsentieren, Unterdrückung hinnehmen. Mich nervt es, leere Worte, Floskeln, Sonntagsreden zu hören und mahnende Zeigefinger zu sehen. Mich nervt es, wenn Politikerinnen und Politiker, die selbst wissen, dass ihre Worte ohne Substanz sind, Tatkraft vortäuschen, um den Sturm der Aufmerksamkeit, der über ein Thema hinwegzieht, auszusitzen. Wann wurde nach den Jugoslawien-Kriegen ein Konflikt von internationalem Interesse konsequent und weitgehend erfolgreich zu einer nachhaltigen Lösung geführt?

Der Westen muss wieder als Wertegemeinschaft handeln

Nun, Aufgeben hat auch noch niemanden nach vorn gebracht. Von daher können Bürgerinnen und Bürger wie wir nur eines machen: Frust und Wut runterschlucken. Sich selbst so lange motivieren, wie es geht, und weiter dicke Bretter bohren, um unsere Volksvertreter zu Konsequenzen zu drängen, indem man Heucheleien aufzeigt und anprangert und Knüppel zwischen den Beinen von Realpolitikern ist.

Der Einfluss des Westens mag erodieren, er ist aber immer noch stark genug, wenn man als Wertegemeinschaft gemeinsam handeln würde. Dann ließe sich selbst ein Walhai wie China einhegen – zumindest wenn man bereit ist, auch einen wirtschaftlichen Nachteil in Kauf zu nehmen. Es lohnt sich. Die Welt rückt bekanntlich immer näher zusammen, sodass uns Konflikte auf anderen Kontinenten unmittelbar betreffen können.

Wer das nicht sieht, sollte kurz an die vielen Geflüchteten im Land denken. Mit der Strophe, dass Deutschland und Europa nicht mehr den Einfluss in der Welt haben wie früher, ist das Lied nicht zu Ende. Nach der Strophe folgt der Refrain und es beginnt eine neue Strophe. So gehen Lieder – immer weiter, immer weiter, immer weiter.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e.V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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