Wie lange diktiert Corona das Leben? Fünf Meinungen zum Ausstieg aus dem Kontaktverbot

Wirtschaft und Bevölkerung ächzen unter Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten: Muss also schon über eine Exit-Strategie diskutiert werden? Notwendig, sagen die einen – gefährlich, die anderen.
Aus der Wirtschaft werden Forderungen laut, einen Ausweg aus den Einschränkungen des Alltags zu planen. Sonst drohten irreparable Schäden: Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Rezession. Zeitgleich muss das Bundesverfassungsgericht vielfach prüfen, ob die Maßnahmen Grundrechte verletzen. In der Politik wird bereits über den geeigneten Ablaufplan diskutiert. Ein Überblick über die Standpunkte.
Der Virologe Christian Drosten: "Natürlich muss man da raus", sagte der Experte von der Berliner Charité am Donnerstag, ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. Die Einschränkungen sollten zu einem geeigneten Zeitpunkt stufenweise aufgehoben werden. Es müsse geklärt werden, wo und für wen dies zuerst gelten solle. Hier sei die Wissenschaft gefragt, es brauche Modellvorhersagen. Risikogruppen wie ältere Menschen einfach zu isolieren, funktioniere aber nicht.
Die Innenminister von Bund und Ländern: "Wir sind erst am Anfang der Pandemie und dürfen nicht frühzeitig die notwendigen Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten aufheben", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Montag. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier, sagte dazu: "Es gibt noch keine verlässlichen Zahlen, ob und in welcher Weise die eingeleiteten Schritte wirken. Deshalb kommt eine Lockerung der Maßnahmen gegenwärtig nicht in Betracht."
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Die Opposition: "Lange werden sich das die Leute nicht mehr gefallen lassen. Zugespitzt formuliert: Bald könnte Revolution in der Luft liegen, wenn das so weitergeht", schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, in einem Gastbeitrag für den "Spiegel". Er warnte vor einer Radikalisierung der Mittelschicht und einem "Zusammenbruch politisch geordneter Verhältnisse", der "unfassbares Leid auslösen" könne. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, kritisierte hingegen: "Alarmismus ist das Gegenteil von Vernunft und Sachlichkeit, die jetzt so dringend nötig sind." Es sei eine offene Debatte notwendig, "wie wir aus der Krise herauskommen".
Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: "Vielleicht müssen wir uns darauf einstellen, dass es über Wochen bestimmte Ausgangsbeschränkungen immer mal wieder und zeitlich begrenzt geben wird, je nachdem, wie sich das Virus regional ausbreitet”, sagte der CDU-Politiker zuletzt der "Zeit". Im Fokus müssten Ältere oder chronisch Kranke stehen. "Wenn wir sie schützen, können wir gleichzeitig an anderen Stellen wieder normales Alltagsleben ermöglichen."
t-online.de-Chefredakteur Florian Harms schreibt im Tagesanbruch: "Dieses Virus ist hochgefährlich, und es verbreitet sich immer noch viel zu schnell. (...) Deshalb ist es auch hinnehmbar, dass die Bundesregierung noch keine Exit-Strategie hat, wie sie nun immer mehr Wirtschaftsvertreter fordern. Die Strategie kann gegenwärtig nur eine Taktik sein: täglich die Lage beobachten und auf Sicht fahren."
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa