"Im Interesse des Infektionsschutzes" Wo die Impf-Auskunftspflicht kommt – und was sie bedeutet

Sollte der Arbeitgeber den Impfstatus seiner Beschäftigten abfragen dürfen? Ja, lautet die Entscheidung von SPD und Union – doch nur in bestimmten Bereichen. Kritik kommt von den Gewerkschaften.
Arbeitgeber sollen von Beschäftigten in Kitas, Schulen, Pflegeheimen und Massenunterkünften künftig Auskunft über eine Corona-Impfung oder eine überstandene Covid-Erkrankung verlangen können. Darauf haben sich Union und SPD nun geeinigt.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dem "Spiegel", bei Krankenhäusern gelte seit vielen Jahren "aus gutem Grund", dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten im Patientenkontakt fragen dürfe, ob sie gegen Infektionskrankheiten geimpft seien. "Wir wollen in dieser Pandemie dieses Auskunftsrecht auch auf andere Bereiche ausdehnen."
Im Entwurf eines entsprechenden Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD heißt es: "Der Arbeitgeber kann vom Beschäftigten Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen eines Impfschutzes oder das Bestehen einer natürlichen Immunität in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID19) verlangen."
Was folgt aus der Maßnahme für Arbeitnehmer?
Gerade in Kitas, Schulen und Heimen könne es "im Interesse des Infektionsschutzes" nötig sein, Beschäftigte hinsichtlich ihres Corona-Impf- und Serostatus', der über Antikörper Aufschluss gibt, "unterschiedlich einzusetzen oder von einer Beschäftigung ungeimpfter Personen (in bestimmten Bereichen) abzusehen".
Das bedeute jedoch nicht, so das Bundesgesundheitsministerium, dass Arbeitnehmer, die eine Impfung ablehnen, gekündigt werden dürften. Die Auskunft über den Impfstatus solle dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit geben, den Einsatz der Mitarbeiter ihrem Impfstatus entsprechend zu organisieren.
Das kann Auswirkungen etwa auf Dienstpläne haben – und bedeuten, dass Pflegekräfte von Heimbewohnern ferngehalten werden, Erzieherinnen von den Kindern und Lehrer von den Schülern. Es dürfte in den meisten Fällen aber schwierig werden, sie stattdessen in anderen Bereichen einzusetzen. Die Regelung gilt so lang, wie die epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht. Diese wurde zuletzt bis November 2021 verlängert.
Spahn: SPD verhindert geplante Ausweitung der Maßnahme
Union und SPD hatten am Freitag über die Ausweitung der Maßnahme auf andere Bereiche abgestimmt. Spahn wirft der SPD vor, eine generelle Auskunftspflicht von Beschäftigten zu ihrem Impfstatus verhindert zu haben. So sei im Moment "keine Mehrheit im Parlament da", sagte Spahn im Deutschlandfunk.
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Spahn kritisierte, die SPD warte darauf, "dass die Gewerkschaften unbedingt auch ja sagen". Er fügte hinzu: "Ich finde, wir sollten Pandemie-Politik nicht von Einzelinteressen abhängig machen." So wäre eine Abfrage des Impfstatus auch in Großraumbüros sinnvoll gewesen. Die nun beschlossene Maßnahme sei aber ein erster wichtiger Schritt.
Ähnlich äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Bezug auf die Einigung: "Dies ist ein erster wichtiger Schritt. Ich bin aber überzeugt, dass weitere Schritte notwendig und erforderlich sind", sagte der CDU-Politiker. Er setze darauf, dass der Koalitionspartner SPD seine ablehnende Haltung noch ändern werde. "Es geht immerhin um den Gesundheitsschutz von vielen tausend Menschen bei der Arbeit."
Gewerkschaften lehnen Auskunftspflicht ab
Gewerkschaften aus dem Bildungs- und Erziehungsbereich lehnen die geplante Möglichkeit zur Impfstatus-Abfrage für Beschäftigte in Kitas und Schulen ab. "Aus gutem Grund stehen persönliche Daten in Deutschland unter besonderem Schutz. Diesen Schutz müssen wir gewährleisten", sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, der Deutschen Presse-Agentur. Sie verwies darauf, dass die Impfbereitschaft unter den Beschäftigten in Schulen und Kitas mit "80 bis 95 Prozent ganz weit oben" liege.
Auch der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sprach unter Berufung auf Umfragen und Daten der Schulministerien von einer Impfquote von rund 90 Prozent bei Lehrkräften. "Diese Zahlen rechtfertigen aus Sicht des VBE in keiner Weise den mit der Abfrage des Impfstatus verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
"Vorstufe zu einer allgemeinen Impfpflicht"
Vom Deutschen Lehrerverband hieß es, man stehe dem Vorhaben der großen Koalition sehr skeptisch gegenüber. "Gesundheitsdaten sind sehr sensible Daten, auf die Arbeitgeber und Behörden eigentlich grundsätzlich keinen Zugriff haben dürften", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der dpa. Er äußerte die Befürchtung, dass "dies nur die Vorstufe zu einer allgemeinen Impfpflicht ist."
Nach Ansicht von GEW und VBE führt die Debatte an den eigentlichen Themen vorbei. "Was wir wirklich brauchen, sind endlich Luftfilter in allen Räumen, flächendeckende PCR-Tests für Schulkinder und eine einheitliche und klare Leitlinie für Quarantänemaßnahmen", sagte Finnern.
Infektionsschutzgesetz soll ergänzt werden
Für die geplante Neuregelung soll das Infektionsschutzgesetz ergänzt werden. In der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung, die am Mittwoch vom Kabinett gebilligt wurde, war kein generelles Auskunftsrecht für Arbeitgeber enthalten. Diese pochen darauf, ihre Mitarbeiter zum Impfstatus fragen zu dürfen, um effektivere Schutzmaßnahmen in Büros und Fabriken organisieren zu können.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete unterdessen 14.251 neue Positiv-Tests. Das sind 2.222 mehr als am Freitag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 80,2 von 76,9 am Vortag. 33 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Hospitalisierungs-Inzidenz gab das RKI am Freitag mit 1,83 an. Vollständig geimpft sind in Deutschland inzwischen 61 Prozent der Gesamtbevölkerung, mindestens eine Impfdosis haben 65,6 Prozent erhalten.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP