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Deutschland und China: "Sorgen bereiten Peking eher die Grünen und die FDP"


Neue China-Politik
"Sorgen bereiten Peking eher die Grünen und die FDP"

InterviewVon Maximilian Kalkhof

02.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Christian Lindner und Marco Buschmann: Die FDP-Politiker solidarisierten sich im vergangenen Jahr mit den Protestbewegungen in Hong-Kong. (Archivfoto)Vergrößern des Bildes
Christian Lindner und Marco Buschmann: Die FDP-Politiker solidarisierten sich im vergangenen Jahr mit den Protestbewegungen in Hong-Kong. (Archivfoto) (Quelle: Christian Spicker/imago-images-bilder)

Wie präsentiert sich die kommende Bundesregierung gegenüber China? Der China-Experte Mikko Huotari glaubt, dass die beiden Parteien das Verhältnis zu dem Land ändern könnten – die Kanzlerfrage sei dagegen zweitrangig.

Mit einer neuen Bundesregierung könnte auch ein neuer Ton in der deutschen Außenpolitik angeschlagen werden: In den 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel hatte die Bundeskanzlerin immer wieder etwa die strategische Partnerschaft mit China betont. Mikko Huotari vom "Mercator Institute for China Studies" hält es nun allerdings für möglich, dass durch eine Regierungsbeteiligung von Grünen und FDP sich die Schwerpunkte verschieben könnten.

Im Gespräch mit t-online erklärt Huotari, wie sich die China-Politik von Angela Merkel in den 16 Kanzlerjahren verändert hat, welche Fehler sie gemacht hat und was China von der kommenden deutschen Regierung erwartet.

t-online: Herr Huotari, in ihren 16 Jahren als Bundeskanzlerin hat Angela Merkel China zwölfmal besucht. In den chinesischen Propagandamedien wird sie derzeit fast schon wehmütig verabschiedet und vielfach als Garantin für Stabilität im deutsch-chinesischen Verhältnis charakterisiert. Wie hat Merkel auf China geblickt?

Mikko Huotari: Ihr Blick hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Zu Beginn ihrer Kanzlerschaft war ihre Chinapolitik deutlich stärker menschenrechtlich begründet. Ich denke da etwa an den Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt 2007. Aber das hat dazu geführt, dass es im Verhältnis zu Peking gerumpelt hat, woraufhin sie andere Prioritäten gesetzt hat. Sie hat China zu einem Land von strategischer Bedeutung für Deutschland gemacht, besonders für die deutsche Wirtschaft. Sie würde wohl noch heute sagen, dass es richtig war, zwölfmal nach China zu reisen und so viel Zeit und Energie in die Beziehungen zu Peking zu stecken.

China hat sich in den 16 Jahren, in denen Merkel Kanzlerin war, dramatisch verändert. Das Land hat unter Präsident Xi Jinping einen hochgradig autoritären Kurs eingeschlagen. Um es mit den Worten des Holocaust-Überlebenden und Investors George Soros zu sagen: Xi Jinping ist der gefährlichste Gegner offener Gesellschaften. Gemessen daran hat sich die deutsche Chinapolitik unter Merkel kaum verändert. Warum?

Ich glaube, es ist für alle Politiker schwierig, von bestehenden Erfolgsrezepten abzurücken. Und Merkel hat ihre auf Handel, Investitionen, Einbindung und Annäherung ausgerichtete Chinapolitik als Erfolg empfunden. Ich glaube auch, sie gesteht dem Regime zu: Wir können euch nicht ändern – und unter diesen Bedingungen bemühen wir uns um gute Beziehungen zu euch. Natürlich gibt es in Deutschland auch strukturelle Kräfte, die auf eine solche Haltung drängen, vorneweg viele große Unternehmen.

Was hat Merkel gegenüber Peking versäumt?

Sie hat es versäumt, Chinapolitik frühzeitig europäisch aufzustellen. Auch die Verdrängungseffekte durch Chinas unfairen Wettbewerb und die Risiken der steigenden Abhängigkeit von China wurden politisch wenig bearbeitet – sofern das möglich ist. Bei Menschenrechtsfragen hat sich Deutschland zunächst vor allem hinter den Türen und erst zuletzt verstärkt international eingesetzt. Verpasst hat Deutschland unter Merkel auch einen streitbaren und offenen Verständigungsprozess darüber, wie wir zukünftig mit Peking umgehen wollen.

Deutschland hat gewählt. Welche Koalition wünscht sich Peking jetzt, Ampel oder Jamaika?

Für Peking macht das keinen großen Unterschied. Die Volksrepublik wünscht sich Kontinuität, im besten Falle die Aufweichung von bestehenden Konflikten. Und mit Olaf Scholz oder Armin Laschet als Kanzler wird sie diese Kontinuität in großen Teilen bekommen. Wirkliche Sorgen bereiten Peking eher die Grünen und die FDP.

Wie viel Einfluss werden die Grünen und die FDP auf die Chinapolitik der neuen Regierung haben?

Chinapolitik ist Kanzlerpolitik. Das hat dazu geführt, dass Außenminister Heiko Maas in dieser Frage nicht besonders präsent war. Das ist nicht nur unter Merkel so gewesen. Insofern ist der Spielraum für die Grünen und die FDP beschränkt, selbst wenn sie das Außenministerium bekommen. Aber wenn sich Grüne und FDP abstimmen, kann es ihnen gelingen, den Kern der außenpolitischen Debatte so zu verschieben, dass China nicht nur als Partner wahrgenommen wird, sondern auch als Wettbewerber und Rivale.

Wird sich die deutsche Chinapolitik verändern?

Es wird wohl kurzfristig keinen fundamentalen Wandel geben. Der Blick auf Peking wird nüchterner und weniger erwartungsvoll sein. Aber in der Praxis wird es auch unter der neuen Regierung Konsens bleiben, dass es wichtig ist, Wirtschaftsbeziehungen mit China zu vertiefen, mit Peking im Gespräch zu bleiben und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten.

Was sind für die neue deutsche Regierung die größten Herausforderungen im Verhältnis zu China?

Grundsätzlich muss die neue Regierung ausloten, wie stark sie auf Peking als Partner für die internationale Ordnung und für die deutsche Wirtschaft setzen will. Dabei müssen mit China verbundene Risiken viel stärker in den Blick genommen werden. Die Volksrepublik und die Führung in Peking stehen unter enormem Druck, der sich an vielen Stellen entladen kann. Die Wette auf ein erfolgreiches, stabiles und weltweit integriertes China kann nicht als sicher gelten. Da braucht es neue Risikoszenarien an den Schaltstellen in Wirtschaft und Politik. Ich denke an Fragen wie: Wie reagieren wir, wenn Peking deutsche Unternehmen noch stärker unter Druck setzt? Wie verhalten wir uns, wenn es zu einer Krise in der Taiwan-Straße kommt? Das sind Szenarien, auf die sich die neue Bundesregierung vorbereiten muss.

Die Frage, ob Huawei am deutschen 5G-Ausbau mitwirken darf, ist immer noch nicht entschieden. Der Bundesnachrichtendienst hat das chinesische Telekommunikationsunternehmen als nicht vertrauenswürdig bezeichnet. Wie wird diese Frage ausgehen?

Ich gehe nicht davon aus, dass es zu einem pauschalen Ausschluss von Huawei kommen wird.

Welchen Einfluss wird die neue Bundesregierung auf die europäische Chinapolitik haben?

Die neue Bundesregierung hat die Chance zu zeigen, dass sie schlagkräftige Koalitionen schmieden kann, die in den kommenden Monaten in wichtigen Politikfeldern konkrete Fortschritte erzielen können, etwa bei der europäischen Indopazifik-Strategie, im Rahmen der G7 und auch mit den Partnern in Washington.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Mikko Huotari
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