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Die neue Ampelkoalition: "Scholz und Merkel sind sich schon ähnlich"


Scholz' Ampelregierung
Kann das gut gehen?

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 13.12.2021Lesedauer: 4 Min.
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Neue Regierung: "Dieser Staffelstabwechsel war schon schön anzuschauen."Vergrößern des Bildes
Neue Regierung: "Dieser Staffelstabwechsel war schon schön anzuschauen." (Quelle: imago-images-bilder)

Die Freude in den Ampelparteien war groß, als Olaf Scholz sich und sein Kabinett vorstellte. Aber das Bündnis ist labiler, als es scheint. Die Grünen werden das größte Problem bekommen.

Da schaut man sich diesen politisch-publizistischen Betrieb nun schon fast 30 Jahre an, aber immer noch passiert etwas, womit man nie gerechnet hätte.

Vielfach ist am Tag der Regierungsübernahme durch die Ampel zufrieden und froh ein "friedlicher Machtwechsel" beobachtet worden. Ich frage mich: Was hatten die Kolleginnen und Kollegen an den Mikrofonen denn erwartet? Dass Armin Laschet doch noch putscht? Dass Angela Merkel sich im Kanzleramt verbarrikadiert? Irgendwie müssen uns etwas die Maßstäbe verrutscht sein, wenn wir wegen eines psychopathisch anmutenden Ex-US-Präsidenten den demokratischen Normalfall schon dermaßen bejubeln.

Wobei ich einräume, dass dieser Staffelstabwechsel schon schön anzuschauen war. Das war an vielen Ecken und Enden liebenswürdig im buchstäblichen Sinne. Wie sich Robert Habeck erst beim Eid im Parlament verlief und hinterher in einer netten Geste dem Bücherwurm Peter Altmaier ein in seinen Augen besonders lesenswertes Buch schenkte – nebst vielen freundlichen Worten. Wie Merkel und ihr SPD-Nachfolger sich sanft mit Lorbeer und erkennbar wirklicher Wertschätzung im Kanzleramt behandelten. Dagegen fielen die paar kleinen Schnitzer gar nicht so ins Gewicht.

Auf karge Zeiten einstellen

Wie etwa das pennälerhafte Foto im roten Kleidchen der frisch vereidigten Außenministerin Annalena Baerbock vor dem Eiffelturm in Paris, das auf peinliche Weise an das Posing-Foto des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg im nächtlichen Lichterglitzer des New Yorker Broadway erinnert. Aber das maschinengleich professionelle Protokoll des Auswärtigen Amtes wird seiner Chefin schon ganz schnell beibiegen, dass sie nicht Germany's First Model ist, sondern dessen oberste Diplomatin.

Medial und vom Unterhaltungswert her waren diese Stunden des Übergangs ein Segen. Und es ist auch immer noch wohlig ungewohnt, wenn morgens von Bundeskanzler Olaf Scholz die Rede ist oder von Finanzminister Christian Lindner. Wir sollten uns alle aber diesbezüglich schon mal auf karge Zeiten einstellen jenseits dieses Auftakts nach Maß.

In die Woche hinein, in der Olaf Scholz zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde, schuf die linksalternative "Tageszeitung" einmal mehr eine Schlagzeile von vollendeter Schönheit und großem Witz. "Neue Merkel-Variante setzt sich durch", stand auf dem Titel der "taz" – neben einem Porträtfoto von Scholz, mit dieser Miene, die Markus Söder so treffend als "schlumpfig" bezeichnet hat.

Scholz und Merkel sind sich schon ähnlich

Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten im Politikstil von Vorgängerin und Nachfolger frappierend. Beide nordisch trocken und nüchtern, beide extrem beherrscht und kontrolliert. In rhetorischer Hinsicht könnte es sogar sein, dass wir uns noch nach der dezent gelispelten Fürsorglichkeit von Angela Merkel zurücksehnen werden, weil sie zwar wahrlich keine Meisterrednerin war und ist, sich aber im Vergleich zu Scholz wie eine ausnimmt.

Eine Kostprobe dessen, was uns erwartet, hat unlängst Florian Harms aufs Trefflichste aufgespießt.

Und auch die beiden Kollegenpaare in ARD und ZDF ("Was nun?" und "Farbe bekennen") mussten am Abend des Machtwechsels zum Entsetzen der Zuschauer feststellen, dass Scholz konsequent auf Fragen antwortet, die gar nicht gestellt wurden.

Krise ist immer

Aber nicht an seinen Worten, an seinen Taten wird der neue Kanzler gemessen werden. Und da hat seine Vorgängerin eine Menge Arbeit hinterlassen. Merkel wurde auch jetzt zu ihrem Abschied immer als Krisenkanzlerin gepriesen. Das ist nicht falsch, übersieht aber, dass das kein Alleinstellungsmerkmal ist. Krise ist immer, die Krise ist das Grundrauschen der Politik. Regieren und Gestalten beginnt jenseits der Krise. Und da ist in den letzten 16 Jahren wenig passiert und viel liegen geblieben.

Das Virus hat die Schwächen Deutschlands, hat seinen Modernisierungsstau gnadenlos offenbart. Es heißt schon was, dass der angehende Oppositionschef Ralph Brinkhaus von der CDU im Wahlkampf die Modernisierung der Verwaltung zum Thema gemacht hat. Und damit auf die Versäumnisse der eigenen Regierungsjahre hingewiesen hat.

"Nur wer von sich selbst begeistert ist, kann auch andere begeistern", hat Oskar Lafontaine einmal beim legendären Mannheimer SPD-Parteitag vor einem Vierteljahrhundert gesagt. Und das gilt auch für die Startphase der Ampel: Diese neue Regierung verströmt eine Freude an sich selbst, und also schlägt ihr insgesamt viel Wohlwollen entgegen. Bemerkenswert, wie über alle Parteigrenzen hinweg die Benennung von Karl Lauterbach zum neuen Gesundheitsminister für gut befunden wurde.

Eine Konstellation anfällig für Argwohn

Das Mobile der drei Ampelparteien wirkt austariert. Und doch haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt, dass dieses Mobile nicht resistent gegen Erschütterungen ist, latent instabiler, als es scheint. Eine Dreierkonstellation, das kennt man aus dem normalen Leben, ist immer anfällig für Argwohn. Die größte Gefahr geht in diesem Fall von den Grünen aus. Sie müssen erleben, dass diese Ampel eher sozialliberal mit grünem Anhang ist denn eine Neuauflage von Rot-Grün mit gelbem Anhängsel.

Obwohl sie in der Bundestagswahl vor der FDP lagen, haben die Grünen beim Gerangel ums Finanzministerium den Kürzeren gezogen. Die Vergabe der Ministerien hat alte Gräben zwischen den Flügeln wieder sichtbar gemacht und Enttäuschte wie Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt zurückgelassen. Nach Annalena Baerbocks gescheiterter Kanzlerkandidatur scheint die neue Rangordnung zwischen ihr und Habeck noch nicht ganz gefunden beziehungsweise akzeptiert.

Eine solche ungeklärte Machtfrage (oder nicht akzeptierte Rangordnung) hat schon einmal den Anfangszauber eines neuen Regierungsbündnisses überschattet, das nach gleichfalls 16 Jahren eines Kanzlers Helmut Kohl an die Macht kam. Gerhard Schröder hatte seinerzeit Oskar Lafontaine schließlich in die Schranken gewiesen. Ausgang bekannt. Habeck muss dieses Kunststück im Idealfall ohne Kollateralschaden hinbekommen. Und zugleich darauf achten, einen ebenso guten Draht zu Scholz zu bekommen wie Christian Lindner. Erste Indizien deuten darauf hin, dass dem Liberalen das schneller gelungen ist.

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Die Grünen werden es auch am schwersten haben, die Erwartungen ihrer Klientel in diesem Bündnis zu erfüllen. Wer die Energiewende derart beschleunigt (80 Prozent Anteil der Erneuerbaren bis 2030), der findet sich bald in flächendeckenden Kämpfen mit Bürgerinitiativen wieder, die nicht nur für die eigene freie Sicht und gegen das Wummern der Windräder ankämpfen. Sondern dabei auch den Feldhamster und den Rotmilan schützen wollen.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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