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Corona-Krise – Bund-Länder-Runde: Plötzlich Großalarm


Corona-Gipfel
Plötzlich Großalarm

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

21.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Wegen Omikron: Bund und Länder haben in ihrer Spitzenrunde am Dienstag neue Einschränkungen beschlossen. (Quelle: t-online)

Bund und Länder beschließen schärfere Kontaktbeschränkungen. Doch eine überraschende Warnung des RKI heizt die Stimmung auf. Eine Sorge wächst: Es könnte wieder nicht reichen.

Zu Beginn menschelt es bei Olaf Scholz sogar ein wenig. So weit ist es also schon gekommen. "Ich kann jede und jeden verstehen", sagt der Bundeskanzler am Abend, "der nichts mehr hören will von Corona und neuen Virusvarianten". Scholz hatte da gerade selbst mehr als zweieinhalb Stunden mit den Länderchefs genau darüber gesprochen, über Corona und die neuen Virusvarianten.

Kanzler zu sein ist eben nicht immer nur ein Vergnügen.

Man befände sich gerade in einer "seltsamen Zwischenzeit". Die Zahlen gingen zurück, die vierte Welle bekomme man langsam in den Griff. "Das wäre eigentlich eine gute Nachricht", sagt Scholz. "Eigentlich." Denn jetzt kommt eben Omikron. Die Variante werde "die Zahlen in den kommenden Wochen massiv ansteigen lassen".

"Wir können und dürfen nicht die Augen verschließen vor dieser nächsten Welle." Und: "So schnell wie erhofft, ist es nicht vorbei."

Es sind Worte, die wohl alle Regierungschefs ohne Einschränkungen unterschreiben würden an diesem Abend, auch die in den Ländern. Das jedoch kann man nicht von allem behaupten, was die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen hat.

Denn über allem steht wieder einmal die bange Frage: Reicht es diesmal aus?

Von 25 und 100 auf 10 in wenigen Tagen

Dabei überschlägt sich die Corona-Politik in Deutschland seit zwei Tagen geradezu, genauer gesagt seit dem Sonntagabend. Da veröffentlichte die Bundesregierung die erste Stellungnahme ihres neuen Expertenrats. Das Dokument ist zwar nur zweieinhalb Seiten lang und enthält keine einzige Überraschung. Aber seine reine Existenz zwingt die Politik seitdem zu einer Reaktion – auch weil vorher viele betont hatten, genau diese Einschätzung abwarten zu wollen.

Das Papier beschreibt die Corona-Lage in drastischen Worten. Es sei durch Omikron eine "erhebliche Überlastung der Krankenhäuser zu erwarten", heißt es darin etwa. Und nicht nur für die Krankenhäuser, sondern auch für weitere kritische Infrastrukturen berge die Situation "hohe Risiken".

Nur, was folgt daraus? Da bleibt die Stellungnahme recht vage – oder lässt der Politik viel Spielraum, wie man's nimmt. Es gebe Handlungsbedarf "für die kommenden Tage", schreiben die Wissenschaftler. Es müssten "insbesondere gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen" vorbereitet werden.

Nun ja?

Aus Regierungskreisen wurde anschließend schnell der Plan einer recht zurückhaltenden Verschärfung gestreut. 20 oder 25 Geimpfte oder Genesene sollten sich demnach statt der bisher üblichen 50 privat in Innenräumen treffen dürfen, und nur noch 100 statt 200 im Freien. Clubs und Bars sollten auch dort schließen, wo sie noch geöffnet sind.

Sonderlich lange hielt diese Linie aber nicht. Schon in frühen Beschlussvorlagen am Montag wurden 10 Personen daraus, egal ob drinnen oder draußen. Und aus dem 28. Dezember als Startdatum wurde "spätestens" der 28. Dezember. So wurde es dann am Dienstag auch beschlossen.

Ein bisschen mehr Alarm schien allen Beteiligten wohl angemessen.

Und dann kam das RKI ...

Doch der plötzliche Großalarm, den das Robert-Koch-Institut (RKI) nur wenige Stunden vor Beginn der Bund-Länder-Runde am Dienstag gab, kam in der Form dann doch für viele überraschend. In einem neuen Strategiepapier spricht sich die wichtige Bundesbehörde für "maximale Kontaktbeschränkungen" aus, die "sofort beginnen" sollten. Inklusive Restaurantschließungen und längeren Weihnachtsferien.

Es dauerte nicht lange, da zeigte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder "höchst irritiert". Es sei "extrem unglücklich", wenn es quasi im Stundenrhythmus neue Botschaften gebe. Auch Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst spricht nach dem Bund-Länder-Treffen davon, auf Bundesebene sei die "Kommunikation chaotisch" gewesen.

Noch bevor sich Bundeskanzler Olaf Scholz um 16 Uhr zu den Länderchefs schaltete, waren also einige schon auf Temperatur.

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Scholz bemühte sich zu Beginn der Bund-Länder-Runde deshalb offenbar um Schadensbegrenzung. Nach t-online-Informationen betonte der Kanzler, Grundlage der Beratungen sei die Stellungnahme des Expertenrats vom Sonntag, der einstimmig entschieden habe und dem auch der RKI-Chef Lothar Wieler angehöre.

Man kann da wohl mehr als einen Hauch von Kritik herauslesen.

Reicht das?

Doch in Wahrheit ist es nicht nur das RKI, das zweifelt, ob die Beschlüsse wirklich ausreichen. Man habe sich "bewusst entschieden", sagt Scholz am Abend etwa, die neuen Kontaktbeschränkungen "erst nach Weihnachten anlaufen zu lassen". Weil Weihnachten kein Pandemietreiber sei.

Hamburg aber hatte sich schon am Vormittag vermutlich nicht weniger bewusst entschieden, die schärferen Maßnahmen schon vom 24. Dezember an gelten zu lassen – und noch eine Sperrstunde für die Gastronomie draufgelegt. Ab 23 Uhr muss künftig alles dicht sein. Am Abend zog Mecklenburg-Vorpommern beim Datum nach.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sprach sich am Dienstag im "Morgenmagazin" sogar dafür aus, sich jetzt auf einen "gesellschaftsbereich-übergreifenden Lockdown" vorzubereiten, den man auch über die Feiertage schnell und "ohne neue lange Beratungen" umsetzen könne. Inklusive der Schließung aller Geschäfte, in denen keine Medikamente oder Lebensmittel verkauft werden.

Es wäre eine Verschärfung, die besonders die FDP bisher unbedingt verhindern wollte.

Damit sie Realität wird, müsste der Bundestag jedoch die epidemische Lage von nationaler Tragweite wieder feststellen. Die hatte die Ampel gerade erst mit großer Geste auslaufen lassen. Bei einer zu befürchtenden Verschärfung der Lage aber, findet Grünen-Politiker Dahmen, müsse sie eben wieder her.

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Sein Parteifreund Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wurde am Dienstag noch ein klein wenig deutlicher: "Was muss noch passieren, damit die ausgerufen wird?"

Die Union fordert die epidemische Lage ohnehin seit Wochen. NRW-Ministerpräsident Wüst sagte nach der Ministerpräsidentenrunde, es sei ein "klarer Fehler" gewesen, sie abzuschaffen.

Von einem klaren Fehler will die neue SPD-Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, bei der Pressekonferenz wenig überraschend nicht sprechen. Die Entscheidung sei eben "in einer anderen Lage" getroffen worden. Doch auch sie schließt nicht aus, dass die epidemische Lage nächstes Jahr nötig werden könnte.

Elf Zeilen geballte Kritik zum Abschluss

Niemand aber geht an diesem Tag mit seinen Zweifeln so weit wie die Regierungschefs von Baden-Württemberg und Sachsen. Der Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer haben sich in einer ungewöhnlichen Allianz zusammengefunden, um auf Seite sieben ganz am Ende des Beschlusspapiers ihren gar nicht so stillen Protest loszuwerden.

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Als Protokollerklärung ist dort in zwei Unterpunkten und elf Zeilen ein Text vermerkt, der mit der Erzählung des Bundeskanzlers von der angeblich so großen Einvernehmlichkeit in der Runde gar nicht zusammenpassen will.

Man halte, steht dort geschrieben, die heutigen Beschlüsse "für nicht weitgehend genug". Sie würden "keine ausreichende Handlungsfähigkeit" gewährleisten, um "schnell auf eine sich zuspitzende Lage" reagieren zu können.

Deshalb fordere man die Bundesregierung auf, "schnellstmöglich die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen", damit wieder "der volle Maßnahmenkatalog" zur Verfügung stehe. Zum Beispiel durch die Feststellung der epidemischen Lage.

Gut möglich also, dass es bald schon wieder einen neuen Alarm gibt. Spätestens bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz – am 7. Januar.

Verwendete Quellen
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