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Corona-Krise und Ukraine-Krieg – Stresstest für alle: Auf die Mitte kommt's an


Gesellschaft unter Druck
Das ist ein Stresstest für uns alle

MeinungEin Gastbeitrag von Katja Mast (SPD)

14.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Polizisten bei einer Demonstration.Vergrößern des Bildes
Polizisten im Einsatz bei einer Demonstration (Symbolbild): In der Energiekrise braucht Deutschland Solidarität, um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren, findet SPD-Politikerin Katja Mast. (Quelle: Berit Kessler/imago images)

Ukraine-Krieg und Gaskrise sind für Deutschland ein politischer Stresstest. Um jetzt zu bestehen, braucht es Mut – zum Beispiel zu einer Übergewinnsteuer.

Deutschland ist im Stress: In der Ukraine tobt seit beinahe sechs Monaten ein brutaler und völkerrechtswidriger Krieg, die Corona-Pandemie geht ins dritte Jahr, und weite Teile der Gesellschaft machen sich große Sorgen, wie sie ihren Kühlschrank füllen, ihre Energiekosten decken oder ihre gestiegenen Rechnungen bezahlen sollen. Es geht längst um viel mehr als die nächste Gasrechnung. Viele Menschen sind verunsichert.

Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass unsere Gesellschaft einem Stresstest unterzogen wird. Doch was folgt daraus? Ein Stresstest prüft ein bestehendes System auf Herz und Nieren. Unsere Stromnetze sowie die noch laufenden Atomkraftwerke durchlaufen gerade eine solche Prüfung. Die Funktion unseres Bankensystems wird fortlaufend mittels solcher Tests überprüft, und unser öffentlicher Personennahverkehr zeigt gerade beim Stresstest 9-Euro-Ticket, was er kann.

Katja Mast (SPD)
Katja Mast (SPD) (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Zur Person

Katja Mast stammt aus Offenburg und sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Seit 2021 ist sie 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Von 2011 bis 2016 war sie Generalsekretärin der SPD Baden-Württemberg.

Doch wie viel Stress hält unsere Gesellschaft als Ganzes aus? Ab wann wird es zu viel? Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten.

Die Antwort muss ein starker, sozialer und demokratischer Staat sein, der Schwächeren, bis hinein in die Mitte, Lasten abnimmt und zur Seite steht. Nur so besteht unsere Gesellschaft diesen Stresstest, der noch durch Demografie, Digitalisierung und den notwendigen Klimaschutz – inklusive der Transformation – verschärft wird. Nur ein starker Staat kann die massiven Belastungen abfedern und Lasten gerecht verteilen. Es ist daher völlig klar, dass es neben den bereits auf den Weg gebrachten 30 Milliarden Euro Entlastungen weitere, zielgerichtete Unterstützung braucht.

Gaskunden retten Gasunternehmen

Weil es gerecht zugehen muss, kann es auch nicht sein, dass Kunden ihre Gasunternehmen mittels Gasumlage retten, während die Energiebranche Milliarden Euro Übergewinne anhäuft. Diese Zufallsgewinne sind weder leistungsbezogen noch gerechtfertigt. Sie resultieren einzig aus einem Strommarktdesign, das für solche Extremsituationen nicht gemacht ist. Darum ist es nur fair, mit einem Teil dieser Zufallsgewinne die gesellschaftlichen Belastungen zielgerichtet abzumildern. Dass wir derzeit sehr intensiv darüber sprechen, wie Krisengewinnler stärker zum gesellschaftlichen Frieden beitragen können, ist richtig.

Aber wir müssen noch genauer hinschauen: Wir müssen an unserer gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit arbeiten – in der Energieversorgung etwa machen wir uns unabhängig und setzen voll auf die Erneuerbaren. Beim angesprochenen Stresstest 9-Euro-Ticket sehen wir, wie sehr unsere Bahn in den vergangenen Jahren auf Verschleiß gefahren wurde. Infrastruktur ist marode, Autobahnbrücken sind gesperrt. Hier brauchen wir gewaltige Investitionen, um unser Land fit für die Zukunft zu machen.

Diese Ausnahmesituation braucht unkonventionelle Antworten

Wir werden für diese Herausforderungen Geld in die Hand nehmen müssen. Gleichzeitig an der Schuldenbremse festzuhalten und jeden Vorschlag abzulehnen, der Krisengewinnler stärker in die fiskalische Verantwortung nimmt, wird nicht funktionieren. In Ausnahmesituationen wie der, in der wir uns gerade befinden, brauchen wir auch unkonventionelle Antworten und sollten uns im Zweifel von alten Dogmen verabschieden. Kluge Vorschläge sind willkommen – leider ist aus dem Finanzministerium dazu nichts zu hören. Viele unserer europäischen Nachbarn, sogar konservativ regierte Länder, führen eine sogenannte Übergewinnsteuer ein. Ich bin überzeugt, dass ein solches Instrument bei kluger Ausgestaltung auch bei uns großen Zuspruch, sogar in der Wirtschaft, erfahren würde, weil es für mehr Gerechtigkeit auch zwischen den Unternehmen sorgte.

Denn die Zeiten, die wir gerade durchleben, sind geprägt von extremen Ereignissen. In Europa herrscht Krieg. Energie verteuert sich auf unbestimmte Zeit. Wie die Corona-Pandemie im Herbst verläuft, wissen wir noch nicht. Wir brauchen aber Mittel und politische Antworten für den Umbau unserer Volkswirtschaft. Wir brauchen solide Haushaltsmittel, mit denen wir unsere Gesellschaft zusammenhalten können. Zusammenhalt ist der Garant dafür ist, dass unsere Gesellschaft eine gute Entwicklung nimmt. Zusammenhalt ist notwendige Voraussetzung für Zuversicht und gute Entwicklung.

Es geht ans Eingemachte

Wir müssen gezielt diejenigen in den Blick nehmen, die jeden Morgen zur Arbeit gehen, ihre Kinder früh zur Kita bringen, ihre Angehörigen pflegen, in Vereinen aktiv sind – und sich gleichzeitig um die Zukunft sorgen. Diese Menschen gehören in den Mittelpunkt unserer Politik. Darum geben wir mit der Einführung des Bürgergeldes das Versprechen, dass niemand ins Bodenlose fällt, sollte mal etwas schiefgehen. Und arbeiten gleichzeitig mittels Qualifizierung und Weiterbildung daran, alle schnell zurück in dauerhafte Arbeit zu bringen. Deshalb sind uns auch die Kindergrundsicherung, die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, Tariflöhne und stabile Renten so wichtig.

Wir dürfen diejenigen, die gerade so viel verdienen, dass sie keine Transferleistungen des Staates erhalten, nicht aus dem Blick verlieren. Sie treffen die gegenwärtigen Preissteigerungen besonders hart, weil kaum Rücklagen zum Abfedern vorhanden sind. Wo es am Monatsende schon knapp war, geht es jetzt ans Eingemachte. Hier brauchen wir gezielte Entlastungen und müssen Härten abfedern. Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Darum können wir Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern müssen sehr genau entlasten. Vorschläge, von denen einseitig nur Besserverdienende profitieren, sind das völlig falsche Signal.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist bereit, sich dem politischen Stresstest jeden Tag aufs Neue zu stellen. Wir kümmern uns. Wir sehen die Herausforderungen und werden Härten abfedern. Denn ein Stresstest ist nicht gut oder schlecht. Entscheidend ist, welche Schlüsse daraus folgen und wie wir handeln.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag von Katja Mast (SPD).
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