Ist das der Anfang vom Ende?
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Vertagt nach fast 20 Stunden: Die Ampel bricht die Beratungen im Koalitionsausschusses ergebnislos ab. Das ist ein schlechtes Zeichen.
Es war schΓΆnstes Polit-Geschwurbel, mit dem am frΓΌhen Montagnachmittag das Vertagen des Koalitionsausschusses verkΓΌndet wurde. Die Beteiligten seien "in vertrauensvollen und konstruktiven GesprΓ€chen weit vorangekommen", mΓΌssten die Sitzung aber aufgrund der deutsch-niederlΓ€ndischen Regierungskonsultationen in Rotterdam unterbrechen. Und weiter: "Die GesprΓ€che des Koalitionsausschusses werden daher morgen Vormittag fortgesetzt."
So verbreiteten es die Pressestellen aller drei Ampelparteien. In scheinbarer Geschlossenheit. Es ist eine weitere Lektion aus der Serie "Deutsch-Politik, Politik-Deutsch". Sich stundenlang streiten ohne zu einer LΓΆsung zu kommen, heiΓt in Politikdeutsch also "weit vorankommen". NatΓΌrlich "vertrauensvoll und konstruktiv". Fehlt nur noch das WΓΆrtchen "Zuversicht", die Parole der Klausur in Schloss Meseberg, wo das Kabinett Anfang MΓ€rz zusammenkam. Schon damals soll die Stimmung zeitweise so frostig gewesen sein wie die AuΓentemperatur, doch am Ende riss man sich zum "Winterfrieden von Meseberg" ("Berliner Zeitung") zusammen.
Lange hat der nicht gehalten. Am Sonntagabend hatten sich die KoalitionΓ€re erneut verabredet. Fast 20 Stunden und eine lange Nacht spΓ€ter gingen sie wieder ergebnislos auseinander.
Nun gehΓΆren Nachtsitzungen zur Politik wie spektakulΓ€re Trainerwechsel zum FC Bayern MΓΌnchen. Selbst wenn man sich schon frΓΌh einig ist, darf man keinesfalls sofort wieder mit dem Konferieren aufhΓΆren. Denn gerade, wenn sich Positionen scheinbar unversΓΆhnlich verhakt hatten, brauchen alle Seiten auch das Signal fΓΌr ihr Klientel, dass man lange und erbittert gekΓ€mpft hat. Allerdings geht diese Rechnung nur auf, wenn man am Ende mit ΓΌbernΓ€chtigtem Gesicht ein Resultat verkΓΌnden kann. Es war hart, aber es hat sich gelohnt, ist dann die Botschaft.
Dass der Ampel dies vorerst nicht gelungen ist, ist ein doppelt schlechtes Zeichen. Denn sie war einst mit Harmoniesound und Kuschelbildern der Dreifaltigkeit angetreten. Zwischen uns passt kein Blatt Papier, lautete die Botschaft damals, garniert mit dem Versprechen: Bei uns wird es keine Durchstechereien und keine endlosen Nachtsitzungen geben. So viel besser wollte man es machen als die vorherige Regierung, aus der stΓ€ndig Interna nach auΓen drangen und die sich gerade in der Pandemie in endlos quΓ€lenden Bund-LΓ€nder-Treffen verstrickte.
ZerstΓΆrte Illusion
Diese Illusion ist zerstΓΆrt. Die Ampel ist endgΓΌltig in der RealitΓ€t des politischen Alltags angekommen. Fragt man die KoalitionΓ€re selbst, so machen sie die UmstΓ€nde verantwortlich. Das sei doch normal, so erzΓ€hlen sie, schlieΓlich habe es auch noch nie eine Dreierkoalition gegeben. Da brauche es eben Zeit, bis sich alles zurechtgeruckelt habe.
Das ist falsch. Denn mit der Union hatte es die SPD in der GroΓen Koalition genau genommen immer mit zwei Koalitionspartnern zu tun: der CDU und der CSU. Schlimmer noch: Auch die CDU hatte es nicht nur mit der SPD, sondern vor allem mit der CSU zu tun. Wir erinnern uns an die erbitterten KΓ€mpfe zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel, die beinahe zum Auseinanderbrechen der Union gefΓΌhrt haben.
Diesen Part scheint nun die FDP ΓΌbernehmen zu wollen. Zuspitzen, ausreizen, bis an die Grenze der Eskalation gehen. Befeuert wird diese Haltung auf der anderen Seite von den GrΓΌnen, die in guter alter Parteitradition um keine Provokation verlegen sind. Γber dem Ganzen thront ein Kanzler, der glaubt, die Konflikte lΓΆsten sich von selbst auf, wenn man die Kinder nur lange genug zum Streiten vor die TΓΌr schickt.
Der Koalitionsausschuss hat gezeigt, dass dieses KalkΓΌl die Dinge oft nur noch schlimmer macht. Man kann nur hoffen, dass die ErnΓΌchterung ΓΌber seine Ergebnislosigkeit auch ein bisschen Demut mit sich bringt. Dass ein DreierbΓΌndnis echte, schmerzhafte ZugestΓ€ndnisse bedeutet. Dass es niemanden der drei Parteien etwas bringt, wenn alle weiter auf ihren Positionen beharren.
Denn sonst besteht die Gefahr, dass eine Dynamik sich Bahn bricht, die nicht mehr aufzuhalten ist. Und die am Ende in einen Koalitionsbruch mΓΌnden wΓΌrde. Das kann niemand der AmpelkoalitionΓ€re wollen. Weder die SPD, die dann keine Partner mehr hΓ€tte, noch die FDP, die endgΓΌltig das Vertrauen verspielt hΓ€tte, dass sie zum Regieren taugt. Noch die GrΓΌnen, die mit der Union als neuem Partner aufwachen kΓΆnnten.
"Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind", hat der frΓΌhere US-AuΓenminister Henry Kissinger einmal postuliert. Vielleicht sollten sich die AmpelkoalitionΓ€re auf einen unzufriedenen Dienstag einstellen.
- Eigene Recherchen