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Fernwärme: Alternative zur Wärmepumpe? Diese Probleme gibt es


Alternative zur Wärmepumpe
Fernwärme hat einen gewaltigen Haken


Aktualisiert am 12.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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Bauministerin Geywitz und Wirtschaftsminister Habeck: Gemeinsam mit Branchenvertretern wollen sie den Ausbau der deutschen Wärmenetze diskutieren. (Quelle: Maja Hitij/getty-images-bilder)

Fernwärme soll ein wichtiger Bestandteil der Wärmewende werden. Doch vor dem großen Gipfel äußern Branchenvertreter Bedenken. t-online gibt den Überblick.

Keine neuen Gas- und Ölheizungen mehr: Diese Ankündigung aus dem Wirtschaftsministerium sorgt seit Wochen für hitzige Diskussionen und harsche Kritik – denn als einzige Alternative sehen viele bislang den Einbau einer Wärmepumpe. Auf viele Haushalte würden damit Kosten von mehreren Zehntausend Euro zukommen.

Doch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wollen nun auch eine andere Möglichkeit ausloten. Beim "Fernwärmegipfel" sprechen sie mit Verbänden und anderen Branchenvertretern über den Ausbau des Wärmenetzes. Die Minister erhoffen sich davon ein "deutliches Aufbruchssignal".

Ist die Fernwärme wirklich ein entscheidender Faktor bei der Heizwende? Kann sie in den kommenden Jahren für Hunderttausende Haushalte zur Alternative werden? Und wie klimafreundlich ist die Heizmethode überhaupt? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Gipfel.

Was genau versteht man unter Fernwärme?

Als Fernwärme wird die Versorgung von Gebäuden mit Raumwärme und häufig auch Warmwasser genannt, die durch überwiegend erdverlegte, isolierte Rohrleitungen direkt in die angeschlossenen Wohngebäude erfolgt. Es ist also keine eigene Heizanlage im Gebäude nötig.

Zur Herstellung können verschiedene Energieträger wie fossile Brennstoffe in Form von Öl, Erdgas und Kohle, aber auch Biomasse, Müll und industrielle Abwärme genutzt werden. Zunehmend wird dazu auch auf erneuerbare Energien gesetzt. Fernwärme wird in der Regel in Heizkraftwerken hergestellt.

Ist die Fernwärme wirklich die "Rettung" im Heizungszoff?

Branchenkenner sehen in ihr zumindest großes Potenzial. "Bei der Fernwärme können wir die Wärmewende deutlich schneller gestalten", sagt Volker Quaschning, Professor an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) am Montag im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Demnach könnte sie gerade in vielen Gebäuden Abhilfe schaffen, bei denen der Einbau einer Wärmepumpe nur schwer umsetzbar ist.

Besonders in Großstädten hängen schon Tausende Haushalte an den Netzen, nutzen bisher aber noch andere Heizmethoden. Wenn diese nun mit Fernwärme versorgt werden, müssen sie nicht alle einzeln ihre Heizungen umstellen. Und: Je kürzer der Transport, desto weniger Wärme geht verloren.

Bei Häusern, die noch nicht an ein Netz angeschlossen sind, rechnet die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) einmalig mit Kosten von etwa 8.000 bis 15.000 Euro. Das sei deutlich weniger als für den Einbau einer Wärmepumpe anfiele.

Die Bedeutung der Fernwärme wird auch in dem Beschlusspapier für den Gipfel deutlich, das t-online vorliegt: "Der Aus- und Umbau der Fern- und Nahwärme ist für das Erreichen der Klimaschutzziele von herausragender Bedeutung", heißt es darin. In der aktuellen Debatte um das Verbot von Öl- und Gasheizungen sehen wohl auch die Minister in der Versorgung mit Fernwärme eine passende Alternative zur Wärmepumpe.

Ein weiterer Vorteil der Fernwärme ist, dass ein Technologiemix möglich ist und so die Netze je nach Bedarf, Wetterlage und Kosten aus unterschiedlichen Quellen gespeist werden können.

Darin jedoch liegt zugleich auch einer der größten Kritikpunkte, denn Fernwärme wird bislang nur zu einem geringen Anteil aus erneuerbaren Energien gewonnen. Damit Fernwärme als die Wärmewende tatsächlich voranbringen kann, muss sich vor allem daran etwas ändern.

Teil der Heizwende ist deshalb auch eine Reform der kommunalen Wärmeplanung. Laut Gesetzentwurf sollen Länder und Kommunen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Dies soll Bürgern eine wichtige Orientierung geben, indem sie erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird – oder sie ihre Heizung absehbar auf eine Wärmepumpe oder andere Optionen umrüsten sollten.

Wie viele Fernwärme-Haushalte gibt es schon?

14 Prozent der deutschen Haushalte werden aktuell mit Fernwärme beheizt. Sie sind dabei an rund 3.700 Fernwärmenetze angeschlossen, wie aus Daten des Branchenverbandes AGFW hervorgeht. Der Verband erhofft sich vom Wärmegipfel ein "Aufbruchsignal" und dass Politik und Branche künftig an einem Strang ziehen. Denn die Branche sieht Ausbaupotenzial.

Die beliebteste Heizform bei Neubauten sind aktuell Wärmepumpen, sie kamen 2022 bei 57 Prozent der fertiggestellten Wohngebäude als primäre Heizenergiequelle zum Einsatz, so das Statistische Bundesamt. 2021 hatte der Anteil noch bei 50,6 Prozent der fertiggestellten Häuser gelegen. Auf dem zweiten Platz liegt Erdgas. Dieses wurde im vergangenen Jahr in 28 Prozent der Neubauten als Energiequelle genutzt, doch der Anteil sinkt hier kontinuierlich.

Wie realistisch sind die Ausbaupläne der Regierung?

Geht es nach den Plänen, die Habeck im Beschlusspapier für den Gipfel umrissen hat, sollen "mittelfristig" pro Jahr 100.000 Gebäude neu einen Fernwärmeanschluss bekommen – eine sehr hohe Zahl, die Branchenvertreter mit Skepsis betrachten.

So sieht der Stadtwerkeverband VKU zwar Potenzial, die Zahl der mit Fernwärme versorgten Haushalte zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen. "Aber das braucht Zeit, und es sind kapitalintensive Projekte. Deswegen wird es auch um Finanzierungsfragen gehen", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebig. Die Bundesförderung für Wärmenetze laufe 2026 aus. Eine langfristige, milliardenschwere Förderung sei notwendig.

Zudem brauche es eine "Verzahnung des Gebäudeenergiegesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung". Denn: "Am Ende wird über den Ausbau der Fernwärme vor Ort entschieden – durch die Versorger und durch die Kommunen, die Klarheit für die Kunden und für die Netzbetreiber schaffen müssen", so Liebig.

Klarheit ist das eine. Für viele Unternehmen hänge "die Akzeptanz dafür aber an wichtigen Voraussetzungen: Im Zentrum stehen dabei wettbewerbsfähige und langfristig kalkulierbare Preise", so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks.

Die Verbraucherzentralen fordern derweil insgesamt mehr Transparenz auf dem Fernwärmemarkt. Wärmenetze seien ein Markt, "wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben", sagte Verbandschefin Ramona Pop den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Gemeint ist damit: Kunden können die Wärme vor Ort immer nur von einem Betreiber beziehen und sind somit Preiserhöhungen wehrlos ausgesetzt. Mit dem Anstieg der Gaspreise im vergangenen Jahr kam es so dazu, dass Kunden teils das Vierfache im Vergleich zu vorher für Fernwärme zahlen mussten – ohne die Möglichkeit den Anbieter zu wechseln. Zwar gibt es eine Bundesverordnung, die regelt, wie hoch die Anstiege sein dürfen und auch das Bundeskartellamt behält die Betreiber im Blick, doch in beiden Fällen erfolgt die Prüfung erst im Nachhinein.

Wie grün ist die Fernwärme aktuell?

Nur zu einem kleineren Anteil. Fernwärme ist Wärme, die nicht im Wohnhaus erzeugt wird, sondern aus einem Kraft- oder Heizwerk in der Umgebung kommt. Meistens wird dort Wasser erhitzt, das dann durch isolierte Rohre in die Häuser geleitet wird. Die Energie dafür stammt zurzeit zu rund 70 Prozent aus klimaschädlichen, fossilen Energieträgern, also vor allem Kohle und Gas. Das steht einem Trend zu mehr erneuerbaren Energien beim Heizen gegenüber.

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Dabei gäbe es durchaus Technologien, um Fernwärme klimafreundlich zu erzeugen. In Mannheim etwa heizen bereits 60 Prozent der Haushalte mit Fernwärme. Diese kommt noch aus Kohleenergie, doch der Betreiber MVV Energie will das Netz bis 2030 komplett auf erneuerbare Energien umstellen, dazu sollen ein Müllheizkraftwerk, eine Klärschlamm-Verwertungsanlage, eine Flusswärmepumpe am Rhein und später auch ein Biomasse-Kraftwerk und Geothermie genutzt werden, berichtet etwa der "Spiegel".

Die Deutsche Umwelthilfe forderte deshalb verbindliche Ziele für die Umstellung der Fernwärme weg von Kohle und Gas. Der Anteil von 50 Prozent erneuerbarer Wärme beziehungsweise unvermeidbarer Abwärme müsse für alle Wärmenetze bis 2030 verpflichtend werden. Sonst berge ein Ausbau "die Gefahr massiver Fehlinvestitionen".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • dlf.de: "Fernwärme-Gipfel: Was plant die Bundesregierung?"
  • spiegel.de: "Fernwärme – für viele Haushalte ist das die Heizung der Zukunft" (Bezahlinhalt)
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • verbraucherzentrale.de: "Fernwärme: Kosten sparen und gleichzeitig das Klima schonen"
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