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Die Linke ohne Sahra Wagenknecht: So will die Partei sich neu aufstellen


Bye-bye, Sahra!
Es soll ein Leben ohne Wagenknecht geben

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 14.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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Janine Wissler, Martin Schirdewan, Sahra Wagenknecht (v.l.n.r.): Die Linke stellt sich neu auf.Vergrößern des Bildes
Janine Wissler, Martin Schirdewan, Sahra Wagenknecht (v.l.n.r.): Die Linke hat einen Plan ohne Wagenknecht. (Quelle: Imago/Future Image/Spicker, Collage: Aßmann, t-online)

Die Linken-Spitze distanziert sich klar von Sahra Wagenknecht. Doch wie geht es für die Partei jetzt weiter? Mit einer neuen Strategie will der Vorstand die Partei wieder erfolgreich machen.

"Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht" – mit diesen zehn Wörtern schaffte der Vorstand der Linken am vergangenen Wochenende Klarheit. Bereits seit Monaten spielt Wagenknecht öffentlich mit dem Gedanken, eine neue Partei zu gründen. Ebenso lange zerfleischen sich ihre innerparteilichen Gegner und Unterstützer. Und seitdem gilt: Alles dreht sich nur um Wagenknecht.

Doch damit soll jetzt Schluss sein. Mit der Entscheidung vom Wochenende vollzieht die Linken-Spitze die öffentliche Trennung von Wagenknecht und fordert sie sowie ihre Unterstützer zur Rückgabe ihrer Mandate auf.

Es ist ein Schritt, den viele Parteimitglieder herbeigesehnt und gefordert haben. Aber auch einer, der Ängste weckt: Mit 4,9 Prozent zog die Linke bei der letzten Bundestagswahl schließlich nur dank mehrerer gewonnener Direktmandate in den Bundestag ein. Schon ein Abgang ihres prominentesten Mitglieds könnte die Partei von der Klippe stoßen – und damit in die politische Bedeutungslosigkeit. Gründet Wagenknecht noch dazu eine neue Partei, droht ihr zudem ganz neue Konkurrenz.

Die Spitze ruft den Neustart aus

Um den Absturz zu verhindern, will sich die Linke nun inhaltlich und strategisch neu aufstellen. Neben der Wagenknecht-Personalie verabschiedete der Vorstand der Linken deswegen am Wochenende auch ein Papier mit dem Titel "Unser Plan 2025: Comeback für eine starke Linke". Der Beschluss liegt t-online exklusiv vor. Über einen Entwurf hatte Spiegel Online zuvor berichtet. In elf Punkten legt die Parteispitze darin einen Plan fest, mit dem sie bei den nächsten Wahlen punkten und auch 2025 wieder in den Bundestag einziehen will. Das Papier sei vom Vorstand einstimmig beschlossen worden, heißt es.

Die zentralen Punkte: Die Partei will mit einer gezielten Kampagne namens #10.000Linke bis 2025 mindestens 10.000 neue Mitglieder gewinnen, Streitpunkte in der Außenpolitik ausräumen, Umverteilung noch stärker zum Thema machen, sich gegen den Rechtsruck stemmen und sich neben der Sozialpolitik auch in der Klimapolitik stark aufstellen. Damit setzt der Vorstand deutliche Kontrapunkte zu einer möglichen neuen Wagenknecht-Partei – ihre bisher kolportierte Strategie zielt vor allem darauf ab, AfD-Wähler für sich zu gewinnen.

Soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit als Maxime

Bevor sich der Vorstand der Linken in dem Papier allerdings der Zukunft widmet, zieht er unter Punkt 1 noch einmal die Lehre aus der Causa Wagenknecht, ohne ihren Namen direkt zu nennen: "Am Anfang steht die Entscheidung", heißt es dort. Und: "Wer an konkurrierenden Parteiprojekten arbeitet, kann nicht Teil der Erneuerung sein."

Der Blick nach vorn folgt danach: Die Linke müsse ein klares, zeitgemäßes Profil als "moderne Gerechtigkeitspartei" anbieten, heißt es da. "Daher gilt es, ihren politischen Gründungskonsens insbesondere mit Blick auf ihre programmatische Weiterentwicklung in der Klima- und Demokratiepolitik zu erneuern." Es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass die Linke soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit sowie die Menschenrechte "in gleicher Weise und überall als Handlungsmaxime unserer Zeit versteht". Zugleich aber bleibe die Linke die Partei des Friedens, des Antimilitarismus, der internationalen Solidarität und der sozialen und politischen Bewegungen.

In der Außenpolitik gilt die Basis der Linken angesichts des Ukraine-Kriegs als besonders gespalten. Das Strategiepapier hält fest: Da es in der Außen- und Sicherheitspolitik "besonderen Diskussionsbedarf" gebe, "gilt hier besondere Anstrengung". Unter anderem in Regionalkonferenzen sollen sich Mitglieder austauschen, politische Differenzen herausarbeiten und klären können. Der Parteivorstand habe dabei die Verantwortung, entsprechende Dialogformate zu entwickeln.

Um gesellschaftspolitisch Einfluss zu nehmen, will die Linke die Kampagnenfähigkeit der Partei "deutlich stärken". Mit einer Kampagne zur Verteilung von Reichtum, Eigentum, Ressourcen und Zeit solle das Thema Umverteilung "zu einem der wahlentscheidenden Themen bei der Bundestagswahl gemacht werden".

Kampagne soll 10.000 neue Mitglieder gewinnen

Das Strategiepapier gibt außerdem eine "systematische Mitgliedergewinnung" und ein ehrgeiziges Ziel vor: "Unser Ziel muss sein, bis 2025 mindestens 10.000 neue Mitglieder für die Linke zu gewinnen." Das sei nicht nur Selbstzweck, sondern "logische Bedingung", um den Bundestagswahlkampf auf vielen Schultern zu verteilen.

Seit dem Streit um Wagenknecht hat die Partei Mitglieder verloren. Dabei gingen sowohl Wagenknecht-Kritiker als auch -Befürworter. Bis Ende 2022 schrumpfte die Mitgliederzahl der Linken so um 6.000 auf rund 54.000 Mitglieder.

Die Strategie der Linken zielt vor allem auf die Bundestagswahl 2025 ab. Zuvor aber stehen Landtagswahlen in Hessen, Bayern sowie in den für die Linken wichtigen ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Nicht zu vergessen die Europawahl 2024, die ohne Fünfprozenthürde stattfindet und deshalb als günstigster Zeitpunkt für die Wahlpremiere einer neuen Wagenknecht-Partei gilt.

Der Linken-Vorstand hält fest: "Wir begreifen diese Wahlen als Stärketests für die anstehende Bundestagswahl." Und: "In diese Wahlkämpfe stecken wir unsere volle Kraft, für eine starke Linke als Alternative zur unsozialen Ampelpolitik und gegen den Rechtstrend."

Bereits bestehende Kreisverbände sollten gestärkt, neue Verbündete und Multiplikatoren gewonnen, Nachwuchstalente aufgebaut, Nichtwähler gezielt angesprochen und auch die 1,1 Millionen Stimmen zurückgewonnen werden, die die Partei im vergangenen Bundestagswahlkampf an Grüne und SPD verloren hat, heißt es im Beschluss weiter.

Die Debatte zum Europawahlprogramm im Herbst 2023 solle dabei zur programmatischen Klärung genutzt werden. Anfang 2024 soll es dann sowohl den Auftakt für den Wahlkampf, die Mitgliederkampagne #10.000Linke sowie die Gelegenheit zur "großen Inszenierung unseres Comebacks" geben.

Plan gegen "Hetze von rechts" und "Ampel-Traurigkeit"

"Der Parteivorstand hat intensiv diskutiert, wie wir die Linke für die kommende Zeit und die nächste Bundestagswahl wieder erfolgreich machen", sagte Linken-Co-Vorsitzende Janine Wissler t-online. "Dass die Themen für eine linke Partei praktisch auf der Straße liegen, ist bei der derzeitigen Politik der Ampel offensichtlich." Die Partei müsse nun mit Blick auf die Bundestagswahl Vorbereitungen treffen. Mit dem Arbeitsplan sei eine "stabile Grundlage des Gemeinsamen" geschaffen worden.

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Wisslers Co-Vorsitzender Martin Schirdewan betont, dass es dringend eine starke linke Opposition brauche. Von der Linken werde dabei zu Recht Klarheit und der Mut zum Konflikt mit Reichen und Konzernen erwartet. "Wir werden der Hetze von rechts wie der organisierten Traurigkeit der Ampelpolitik einen Neustart entgegensetzen, der den Menschen wieder Hoffnung macht", verspricht er im Gespräch mit t-online.

Millionen Menschen mit normalen und niedrigen Einkommen hätten eine Partei verdient, die sich für höhere Löhne, bezahlbare Mieten, bessere Pflege und Bildung stark mache statt in Investitionen in Aufrüstung und fossile Energien, so Schirdewan weiter. "Unser Plan 2025 zeigt: Wir kennen den Weg zu einer modernen Gerechtigkeitspartei und sind bereit, ihn zu gehen."

Verwendete Quellen
  • Beschlusspapier: "Unser Plan 2025: Comeback für eine starke Linke"
  • Exklusive Statements von Janine Wissler und Martin Schirdewan
  • die-linke.de: Mitgliederzahlen 2021 und 2022
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