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Grüne fordern mehr Geld für die Polizei: "Ist am Limit"


Polizei am Limit
"Das geht nicht zusammen"

MeinungEin Gastbeitrag von Irene Mihalic (Grüne)

02.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Polizisten und Teilnehmer eines anti-israelischen Protests in Berlin: Die Grünen fordern mehr Geld für die Sicherheitsbehörden. (Quelle: Sean Gallup/Getty Images)

Es sind unruhige Zeiten, die Aufgaben der Polizei wachsen. Es braucht deshalb mehr Geld für die Sicherheitsbehörden, fordert Grünen-Politikerin Irene Mihalic im Gastbeitrag. Das allein reicht aus ihrer Sicht aber nicht aus.

Die Welt ist in dramatischer Unruhe. Das hat auch immer gravierendere Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Besonders alarmierend sind die aktuellen antiisraelischen und antisemitischen Kundgebungen auf unseren Straßen und Plätzen, die teils sogar die grauenhaften Verbrechen der Hamas in Israel verherrlichen und denen wir uns klar und entschlossen entgegenstellen müssen. Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson, genauso wie die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland.

So weit, so selbstverständlich. Aber wir müssen diesen Worten auch Taten folgen lassen. Und da müssen wir feststellen: Die Polizeibehörden, die daran mitwirken sollen, diese Sicherheit zu gewährleisten, sind am Limit, personell und auch bei der Ausstattung. Wenn nun die Gewerkschaft der Polizei ein "Sondervermögen innere Sicherheit" fordert, sollte die Politik genau zuhören, statt Forderungskaskaden in Gang zu setzen, die das System zusätzlich belasten, statt es zu entlasten: Die Polizei soll alles, an immer mehr Orten, zu immer mehr Zeiten bei gleichzeitiger Deckelung der Ressourcen tun. Das geht nicht zusammen.

Wir müssen bei den Sicherheitsbehörden im Bundeshaushalt nachjustieren und auch die Länder sollten überlegen, wie sie den gestiegenen Anforderungen gerecht werden. Geld ist nicht alles, aber ohne zusätzliche Ressourcen werden wir den Herausforderungen nicht angemessen begegnen können.

Die Polizei muss sich um Kernaufgaben kümmern

Was aber auch klar sein muss: Die Polizei kann niemals zum omnipräsenten Ausputzer für alle gesellschaftlichen Probleme werden. Das kann sie nicht schaffen und es ist auch gar nicht ihre Aufgabe. Vielmehr müssen wir dringend überlegen, wie wir die Polizeiarbeit effizienter machen. Wir brauchen endlich eine umfassende Aufgabenkritik, um zu ermitteln, was originäre Aufgabe der Polizei ist und was auch anderweitig erledigt werden kann.

Immer noch kümmert sich die Polizei um Aufgaben, für die eigentlich die Ordnungsbehörden zuständig wären, die dort aber aus verschiedenen Gründen oft nicht ausreichend wahrgenommen werden. Immer noch setzt die Polizei mancherorts personelle Ressourcen zur Begleitung von Schwertransporten ein, was man sehr gut in private Verantwortung übergeben könnte. Die Liste solcher Beispiele ließe sich noch fortsetzen. Wir müssen klarer priorisieren und dafür sorgen, dass sich die Polizei um die Bearbeitung ihrer Kernaufgaben kümmern kann.

Und nicht nur das: Wir müssen Sicherheit und sozialen Frieden endlich umfassender verstehen und auf mehreren Ebenen angehen. Polizei, politische Bildung und soziale Arbeit müssen endlich stärker zusammengedacht werden. Die antiisraelischen Ausschreitungen zeigen die Notwendigkeit für politische Bildung, insbesondere antisemitismuskritische Bildung in Deutschland.

Antisemitismus darf nicht unwidersprochen bleiben

Antisemitismus und Israelhass kommen in Deutschland aus allen Ecken – aus migrantischen, insbesondere arabischen Communitys, aus der Linken mit einem verqueren Verständnis von Israel als kolonialer Macht, aus der Rechten mit dem tief verankerten Antisemitismus und auch aus der bürgerlichen Mitte. Dass laut Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2022 36 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger die israelische Politik gegenüber Palästinenserinnen und Palästinensern mit der Behandlung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus gleichsetzen, zeigt das Ausmaß des Problems.

Hier sind wir als gesamte Gesellschaft gefordert, im Gespräch mit den Nachbarn und im Netz. Antisemitische Ressentiments dürfen nicht unwidersprochen stehen bleiben. Und eins ist klar: Politische Bildung kostet Geld. Das ist Geld, das wir in die Zukunft, in den Zusammenhalt und auch in die innere Sicherheit investieren. Hier zu sparen, wäre fahrlässig.

Sozialarbeit muss gestärkt werden

Außerdem ist es unerlässlich, die Sozialarbeit in Deutschland zu stärken. Auch das wäre ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit und Integration. Wir sollten eine bessere Zusammenarbeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern mit der Polizei unterstützen: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Streetworkerinnen und Streetworker sind täglich mit jungen Menschen konfrontiert, die Grenzen austesten – und diese manchmal überschreiten. Sie kennen sich aus in den Kiezen und Stadtvierteln, die gerne als problembehaftete Brennpunkte gelabelt werden. Hier sind große, noch nicht ausreichend genutzte Spielräume, um die Sicherheit in Quartieren zu verbessern, indem man die Prävention stärkt.

Eine enge Zusammenarbeit von Polizei sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hat enormes Potenzial, wird aber in der politischen Diskussion noch viel zu selten thematisiert. Hier müssen wir vorankommen: Die Grüne Bundestagsfraktion wird sich gerade mit dieser Schnittstelle auf ihrem diesjährigen Polizeikongress befassen.

Ausgangspunkt der Planungen waren die letztjährigen Silvesterunruhen mit all ihrer Gewalt und die Fragestellung: Was kann man für den Jahreswechsel 2023/2024 besser machen? Nun bekommt gerade dieser Aspekt eine traurige Aktualität durch die antisemitischen Ausschreitungen der letzten Wochen in vielen deutschen Städten. Wir dürfen das nicht hinnehmen und müssen endlich dicke Bretter bohren, um mehrschichtige Lösungen für mehrschichtige Probleme zu entwickeln.

Es ist klar: Mehr Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Aber wenn wir nichts tun und wenn wir mit Scheinlösungen an der Oberfläche der Probleme bleiben, dann wird es richtig teuer.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag von Irene Mihalic (Grüne)
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