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Strompreispaket: Ist Robert Habeck der Verlierer im Ampelstreit?


Ampelstreit
Hoch gepokert – und einer feiert sich


Aktualisiert am 09.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz, Christian Lindner, Robert Habeck: Die mächtigen drei haben sich auf das Strompreispaket geeinigt. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa)

Mit einem Strompreispaket befriedet die Ampel den monatelangen Streit um die Entlastung der Wirtschaft. Die FDP setzt sich mit einer Steuersenkung durch. Nur warum zeigen sich auch die Grünen zufrieden?

Christian Dürr gibt sich an diesem Donnerstag keine Mühe, seine gute Laune zu verbergen. Im Gegenteil. Es ist 14.17 Uhr, der FDP-Fraktionschef tritt mit federndem Schritt vor die Fernsehkameras und Fotoapparate der Hauptstadtjournalisten.

Dürr hat eine Nachricht zu verkünden. Eine gute Nachricht, wie er findet. "Der Kern des Pakets, auf das sich die Regierung verständigt hat, ist die Stromsteuersenkung", sagt er und lächelt. "Das war ein Vorschlag der FDP, ursprünglich."

Und Dürr ist noch nicht fertig. Das Jackett offen, die Hände auf dem Rednerpult, macht er mit einem Seitenhieb gegen die Grünen weiter: "Ein durch den Steuerzahler subventionierter Industriestrompreis hätte am Ende insbesondere die privaten Haushalte und den deutschen Mittelstand belastet." Und damit das auch jeder versteht, schiebt er nach: "Das wäre sicherlich nicht der richtige Weg gewesen."

Die Ampelregierung hat sich auf ein Strompreispaket zur Entlastung der Wirtschaft geeinigt. Es ist das Ende eines monatelangen Pokerspiels mit hohen Einsätzen. Der grüne Vizekanzler Robert Habeck hatte im Sommer einen Industriestrompreis vorgeschlagen – obwohl Finanzminister Christian Lindner strikt dagegen war. Der Industriestrompreis kommt nun nicht, die FDP kann also mit Recht sagen: Gezockt, gezittert – und gewonnen.

Doch heißt das auch, dass Robert Habeck auf ganzer Linie verloren hat? Unzufrieden zeigen sich die Grünen an diesem Donnerstag jedenfalls nicht. Sie triumphieren nicht groß in die Kameras wie die FDP. Aber auch bei ihnen scheint es etwas mehr als reinen Zweckoptimismus zu geben.

Eine Lösung musste her

Es waren am Ende wieder die mächtigen drei, die den Streit lösen mussten: Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Und es wurde höchste Zeit. Schon Ende Mai hatte Habeck seine Idee eines Industriestrompreises vorgestellt. Der Zuspruch bei Gewerkschaften und Teilen der Industrie war zwar groß – außer Lindner war aber auch der Kanzler skeptisch. Seit Monaten ging es nicht vor und nicht zurück.

Nun aber musste endlich eine Lösung her. Nicht nur, weil die Wirtschaft auf ein Signal wartet. Sondern auch, weil in der nächsten Woche im Bundestag der Haushalt festgezurrt wird. Alles, was Geld kosten soll, muss bis dahin feststehen. Und das tut es nun immerhin. Das allein ist für manchen Grünen bei der schwierigen Ausgangslage in der Koalition ein Erfolg. Auch wenn es nicht die favorisierte Lösung des Wirtschaftsministers geworden ist.

Habeck wollte mit seinem Modell den Strompreis für die energieintensive Industrie im internationalen Wettbewerb bis 2030 auf 6 Cent deckeln. Das hätte maximale Planbarkeit für diese Betriebe bedeutet – aber eben auch einen direkten staatlichen Zuschuss, eine Subvention, die Ökonomen in solchen Fällen gar nicht mögen.

Die FDP hatte außerdem Sorgen um den Mittelstand, also um die nicht ganz so energieintensiven Betriebe, die sich nicht international behaupten müssen und von denen viele bei Habecks Industriestrompreis leer ausgegangen wären. Die Bäcker zum Beispiel. Deshalb schlugen die Liberalen eine Senkung der Stromsteuer vor.

Habeck hatte nie etwas gegen eine solche Stromsteuersenkung. Sein Argument war nur immer: Die besonders energieintensive Industrie ist ohnehin von der Steuer befreit, sie würde also gar nicht profitieren. Außerdem missfiel ihm, dass die FDP die Steuersenkung aus seinem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zahlen wollte und nicht aus dem Kernhaushalt.

Steuersenkung – aber aus dem Haushalt

Herausgekommen ist nun ein Kompromiss, in dem sich Lindner und Scholz mehr wiederfinden als Habeck – der aber auch für den Vizekanzler und die energieintensive Industrie etwas übriglässt.

Die Stromsteuersenkung für alle rund 650.000 Unternehmen des produzierenden Gewerbes macht den größten Teil des Pakets aus. Statt von bisher rund 1,5 Cent sinkt die Steuer auf das EU-Minimum von 0,05 Cent. Einziger Wermutstropfen für die FDP: Für die benötigten 2,75 Milliarden Euro pro Jahr darf Lindner nicht Habecks KTF anzapfen, sondern muss alle Reste im Kernhaushalt zusammenkratzen.

 
 
 
 
 
 
 

Habeck hingegen muss mehr Abstriche machen. Seine Zielgruppe, die energieintensive Industrie, hätte vom Industriestrompreis mehr und vor allem verlässlicher profitiert. Statt den Preis auf 6 Cent herunterzusubventionieren, hat die Ampel nun versucht, alles zu streichen, was für diese Unternehmen noch auf den Börsenstrompreis draufkommt.

Da diese Unternehmen ohnehin keine Stromsteuern zahlen, blieben dafür nur die Kosten, die ihnen durch den CO₂-Preis entstünden. Für 350 Unternehmen wird deshalb die sogenannte Strompreiskompensation weiter gezahlt und leicht verbessert, indem der Selbstbehalt wegfällt. Das macht 2,6 Milliarden Euro im Jahr an Entlastungen aus.

90 Betriebe der sehr energieintensiven Grundstoffindustrie profitieren zudem von einem ebenfalls leicht verbesserten "Super-Cap". Diese Regelung entlastet sie noch weitergehender vom CO₂-Preis. Das kostet im Jahr 1,1 Milliarden Euro und soll wie die Kompensation aus Habecks KTF gezahlt werden.

Gute und schlechte Nachrichten für Habeck

Die guten Nachrichten für Habeck: Der Kompromiss hat die "Super-Cap"-Regelung gesichert, bei der sich die Regierung bislang nicht einigen konnte, sie weiterzuführen. Und: Die energieintensive Industrie könnte nun trotzdem auf Strompreise von ungefähr 6 bis 9 Cent kommen, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Die schlechten Nachrichten für Habeck sind zahlreicher: Statt sich auf einen festen Preis von 6 Cent verlassen zu können, ist die energieintensive Industrie nun darauf angewiesen, dass die Börsenstrompreise so niedrig bleiben wie derzeit. Die Lösung bringt für sie also längst nicht so viel Planungssicherheit.

Ursprünglich wollte Habeck mit dem Industriestrompreis zudem eine Brücke bis ins Jahr 2030 bauen, weil der Ausbau der Erneuerbaren Energien wohl erst dann die Strompreise merklich drückt. Das jetzige Paket reicht nur bis 2028 – und die Steuersenkung ist sogar nur für zwei Jahre in den nächsten Haushalten festgeschrieben.

Die Strompreiskompensation fortzuführen, war außerdem ohnehin fest vorgesehen, das ist also kein Verhandlungserfolg für Habeck. Und: Es bleibt eine Lücke für jene Firmen, die energieintensiv genug sind, um schon bisher von der Stromsteuer befreit gewesen zu sein – aber nicht energieintensiv genug, um von der Strompreiskompensation zu profitieren.

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Er hätte sich eine breitere Brücke gewünscht

Die FDP ficht das nicht an. Dort sind am Donnerstag viele so gut gelaunt wie ihr Fraktionschef Christian Dürr. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagt t-online: "Das Strompreispaket setzt auf marktwirtschaftliche Lösungen, entlastet die deutsche Wirtschaft direkt und nicht über Umwege wie teure Markteingriffe und sorgt dafür, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit wieder auf Touren kommt."

Der energiepolitische Sprecher Michael Kruse ergänzt: "Deutschlands Unternehmen brauchen dringend Steuersenkungen, und sie bekommen sie. Ich freue mich, dass eine gute ordnungsrechtliche Lösung zur Stärkung des Produktionsstandorts erarbeitet worden ist."

Robert Habeck klingt nicht ganz so euphorisch. Er spricht in einer Mitteilung von "guten Schritten" und betont, dass es wichtig sei, einen "gemeinsamen Weg" gefunden zu haben. "Die Verständigung gibt für viele einen verlässlichen Rahmen", sagt er. "Für einen relevanten Teil der sehr energieintensiven Betriebe gibt es über das Zusammenspiel der Instrumente eine wettbewerbsfähige Lösung."

Aus Regierungskreisen heißt es aber auch: "Der Wirtschaftsminister hätte sich eine noch breitere Brücke gewünscht, von der mehr Betriebe mit hohem Energieverbrauch profitiert hätten." Aber so ist das eben manchmal beim Spiel mit hohen Einsätzen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt



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