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Meinungsfreiheit in Deutschland: CDU-Politikerin Bauernfeind im Interview


Buchautorin Franca Bauernfeind
"Schaut auf die linksliberale Wohlfühlblase"

InterviewVon Mauritius Kloft

09.06.2024Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Die Besetzung der Humboldt-Universität durch pro-palästinensische Demonstranten wird aufgelöst.Vergrößern des Bildes
Die Besetzung der Humboldt-Universität durch pro-palästinensische Demonstranten wird aufgelöst. (Quelle: IMAGO/Stefan Frank/imago)

Sie lehnt das Gendern ab, kritisiert die "Cancel Culture" und ihre linken Kommilitonen: Die 25-jährige Studentin Franca Bauernfeind rechnet in ihrem Buch mit der Debattenkultur in Deutschland ab.

Es gibt wohl nur wenige Themen, die die Gemüter in Deutschland so erhitzen, wie es das Gendern oder eine vermeintlich aufgezwungene "politische Korrektheit" tun.

Eine, die mit ihren Positionen in ihrer Altersgruppe womöglich auf weiter Flur alleine steht, ist die 25-jährige Franca Bauernfeind. Wegen ihrer liberal-konservativen Einstellungen wurde die ehemalige Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) bereits als "Nazi-Schlampe" beschimpft, ihre Wahlplakate beschmiert.

In ihrem kürzlich erschienen Buch "Black Box Uni" teilt sie jetzt gegen ihre Kommilitonen aus und erklärt, wie aus den Hochschulen ein "Biotop linker Ideologien" wurde. Ein Gespräch über die vermeintlichen Gefahren, die hiervon ausgehen – und welche Mitschuld der öffentlich-rechtliche Rundfunk angeblich trägt.

t-online: Frau Bauernfeind, blicken wir auf die Situation an den Universitäten in den USA. Dort findet teilweise nur noch Online-Unterricht statt, weil jüdische Studierende aufgrund von linksextremen Protesten nicht mehr auf den Campus gelassen werden. Haben wir diese Verhältnisse bald hier in Deutschland?

Franca Bauernfeind: Das kann gut sein, ja. Noch haben wir sie nicht. Aber ganz wichtig ist mir zu sagen: Wehret den Anfängen! Meine Wahrnehmung ist, dass sich die Situation in Deutschland seit dem 7. Oktober zugespitzt hat. Die Anfänge finden wir jedoch bereits seit Jahren auf deutschen Campus.

Seit wann?

Mindestens zehn Jahre. In den acht Jahren meines Studiums haben linke Studenten den Unsinn von sogenannten postkolonialen Theorien erzählt.

Sie spielen auf den Vorwurf an, Israel sei angeblich eine Kolonialmacht.

Korrekt. Anhänger dieser Erzählungen meinen, dass Israel der verlängerte Arm der USA und den westlichen Mächten im Nahen Osten sei, die die dort lebenden Araber vermeintlich unterdrücken. Was geschichtlich gesehen einfach falsch ist. Für mich zählen solche postkolonialen Theorien daher zu den Pseudowissenschaften. Dass man dann nicht mehr differenziert diskutieren kann, ist fast schon logisch. Doch mehr noch.

Und zwar?

Jeder, der sagt, das ist keine echte Theorie, der läuft Gefahr ausgegrenzt zu werden oder Schlimmeres. Es ist schlicht anti-israelischer Antisemitismus – denn dahinter steckt die antisemitische Erzählung einer jüdischen Weltverschwörung. Der Hass, der einem von linken Studenten schon länger entgegenschlägt, kommt im vergangenen halben Jahr in die Öffentlichkeit.

Etwa, als ein jüdischer Student der FU verprügelt wurde?

Ja. Auch die Besetzungsaktionen an der Humboldt-Universität waren riesig. Menschen, die dort nicht mitmachen wollen, laufen Gefahr, dass ihnen verbale oder physische Gewalt angedroht wird. Das sind Zustände, die ich so auch nicht erwartet hätte.

Franca Bauernfeind.
Franca Bauernfeind. (Quelle: RCDS/privat/t-online)

Zur Person

Franca Bauernfeind, Jahrgang 1998, ist eine deutsche Buchautorin und politische Aktivistin. Von 2021 bis 2022 war sie Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und qua Amt Mitglied des Bundesvorstands der CDU. Seit 2016 studiert sie Staatswissenschaften in Erfurt. Im März 2024 erschien ihr zweites Buch "Black Box Uni: Biotop linker Ideologien".

Sie schreiben in Ihrem Buch, der Linksextremismus sei eine reale Gefahr. Würden Sie sogar die Gefahr noch größer sehen als die von rechts?

Im Campus-Umfeld, dort, wo ich mich bewege, auf jeden Fall. Dort gibt es keinen wahrnehmbaren Rechtsextremismus. Derweil bewegen sich viele Studenten im linksradikalen Milieu. Das ist also dort die weitaus schlimmere Gefahr. Daher ist es mir wichtig, zu sagen: Schaut auf diese linksliberale Wohlfühlblase!

Können Sie das ausführen?

Ich sage immer, Studenten sind die Führungskräfte von morgen, die Journalisten, Lehrer oder Politiker.

Sie prägen also in Zukunft die Debatten.

Genau. Die Debattenunkultur der Universitäten wird zunehmend in die breite Öffentlichkeit getragen. Wenn ich die Nachrichtenseite der "Tagesschau" öffne, kann ich das ablesen. Ich merke es, wenn meine Schwester mir erzählt, dass sie eine "moralisch gute" Gender-Sprache von ihrem Lehrer beigebracht bekommt. Oder ich sehe, wie gewisse grüne Abgeordnete Probleme damit lösen wollen, indem sie moralisch argumentieren. Dort sehe ich 100 Prozent die Handschrift des Campus. Und das durchdringt mittlerweile die Gesellschaft.

Klingt etwas pathetisch.

Keineswegs. Die Frage ist doch: Inwiefern wird eine Gesellschaft von dieser Debattenunkultur, die auf dem Campus entsteht, beeinflusst? Die Antwort ist einfach: Studenten kommen eher in Schlüsselpositionen als Leute, die nicht studiert haben und daher nicht in dieser Blase sozialisiert wurden, in den wichtigen jungen Jahren zwischen 18 und 25. Diejenigen, die das Land voranbringen, wachsen mit diesem Mindset auf: undifferenziert zu argumentieren, einfach gegen andere Meinungen mit der Hand drüberfahren und sagen, das ist eine falsche Meinung.

Sie schreiben allerdings in Ihrem Buch, dass es keine Studie dazu gibt, die besagt, die Mehrheit an der Uni ist tatsächlich links. Woher nehmen Sie also Ihre Gewissheit?

Das stimmt. Es gibt keine Umfragen, wer jetzt wie politisch wählt an den Unis, unter Studenten. Das ist auch gar nicht der Punkt.

Sondern?

Der Punkt ist, diejenigen, die sich engagieren – und in der Mehrheit links eingestellt sind –, das sind vielleicht 10 bis 20 Prozent.

Und was machen die restlichen 80 Prozent aus Ihrer Sicht?

Die wollen am liebsten ihr Studium schnell zu Ende bringen und nichts mit der Sache zu tun haben. Doch eben diese Leute zensieren sich zu oft selbst, werden unsichtbar gemacht.

Ach ja?

Ja. Sie sagen ihre Meinung nicht öffentlich, weil sie Angst haben, beschimpft, verunglimpft oder gar aus einem Seminar geschmissen zu werden. In meinem Buch führe ich rund 40 Fälle auf, die ganz unterschiedlich sind, aber die immer wegen sogenannter "Political Correctness" entstehen.

Was bedeutet das für eine Gesellschaft?

Das sind keine guten Vorzeichen. Demokratie ist immer Kompromiss, nie Konsens. Was mit der politischen Korrektheit versucht wird, durchzupauken, ist eine harmonische Blase. Diese vermeintliche Einheitsmeinung verträgt aber keine anderen Meinungen. Es wird versucht, sie mit allen Mitteln – nicht zuletzt Studentengeldern – durchzusetzen. Eine kleine Minderheit sorgt mit ihren Instrumenten, mit ihrer "Political Correctness", dafür, dass die Mehrheit schweigt. Daher sage ich: Die politische Korrektheit kann eine Gefahr für unsere Gesellschaft sein, sie bedroht unsere liberale Demokratie.

Steile These. Meinen Sie das ernst?

Durchaus. Wenn ich von liberaler Demokratie spreche, dann spreche ich nicht davon, welcher Abgeordnete und welche Partei im Bundestag sitzen.

Sie sehen generell die Debatten- und Entscheidungskultur in Gefahr?

Genau. Demokratie sind die 83 Millionen Bürger, die tagtäglich nicht nur wählen gehen oder im Bundestag sitzen, sondern die ganz viel anderes machen.

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Lässt sich die Entwicklung, die Sie beschreiben, noch stoppen?

Ich hoffe es. Mit meinem Buch will ich Licht ins Dunkel bringen und Aufklärungsarbeit leisten, darüber, wie sich die Linken in der Uni zusammenrotten. Ich will eine Debatte anstoßen. Wir müssen Linke auf dem Campus stellen, ihnen sagen: Du kommst hier mit deiner "Political Correctness" nicht weiter, weil du moralisch argumentierst. Doch dafür braucht man auch die Medien.

Die Sie als Teil des Problems sehen.

Ja, besonders die aktuelle Berichterstattung in den Öffentlich-Rechtlichen. Da sehe ich einfach eins zu eins, woher das kommt: aus der Uni. Ein Beispiel: Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk von "menstruierenden Personen" spricht, bringt er die Frau zum Verschwinden.

Das war ein einziger Fall in der "Tagesschau".

Trotzdem, die Fälle häufen sich und sie werden sichtbarer. Bei den Argumentationen – besonders im Jugendnetzwerk Funk – geht es darum, bloß niemanden zu diskriminieren. Das sieht man nicht zuletzt beim Gendern.

Erklären Sie das bitte.

Gendern wird immer total plump gedacht. Viele sagen, dass es eine Verhunzung der Sprache sei. Meinetwegen. Ich möchte auch nicht gendern, aber jemand, der gendern möchte, soll es tun – nur mich nicht zwingen.

Aber einen Genderzwang gibt es doch nicht.

Einen gesetzlichen Zwang nicht, aber einen gesellschaftlichen. Und an den Unis gibt es Genderleitfäden, in denen auch steht, dass es Vorschrift ist. Der Fairness halber muss man aber sagen, dass es noch keinen Präzedenzfall eines Punktabzugs gibt – aber auch nur, weil sich die Betroffenen nicht gerichtlich wehren. Auch wieder, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben. Das finde ich einfach absurd. Es geht doch um Wissenschaftsfreiheit.

Das müssen Sie ausführen.

Im Gendern steckt eine klare linke Identitätspolitik, die in die Sprache gebracht wird. Es wird versucht, das kollektivistische Gesellschaftsbild durch Sprache durchzudrücken. Es gibt die gute Sprache, das Gendern und es gibt die schlechte Sprache, das generische Maskulinum. Der alte weiße Mann ist das Feindbild der Linken schlechthin. Und wenn das etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so gelebt wird, hat er sich den Vertrauensverlust selbst eingebrockt.

Starker Vorwurf.

Darüber hinaus sorgt die Cancel Culture für ein Erstarken der wirklich rechten Parteien – allen voran der AfD. Viele Menschen fühlen sich abgekoppelt. Dabei ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein hohes Gut, das in Deutschland benötigt wird.

Vergangene Woche hat Deutschland über ein Thema diskutiert: Mehrere grölende Snobs in Sylt haben ausländerfeindliche Parolen gesungen. Wie wurde aus Ihrer Sicht darüber an der Uni diskutiert?

Mit großer Empörung, Verunglimpfung und Schadenfreude. Im Gegensatz dazu wurde zu den antisemitischen Protesten geschwiegen oder sie wurden begrüßt. Immerhin: Über den Messerangriff in Mannheim und den Tod des Polizisten haben sich viele auch empört – aber die größere Empörung gab es auf jeden Fall über das Sylt-Video. Der Tenor war etwa: Klar, dass die Nazis die Reichen sind. Daher brauchen wir jetzt eine Reichensteuer. So ein Blödsinn.

Frau Bauernfeind, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Franca Bauernfeind
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