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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kanzler mit Stolper-Start Das Wahldebakel hat schon Folgen

Friedrich Merz benötigt zwei Wahlgänge, um Kanzler zu werden – ein Novum, das Misstrauen innerhalb seiner Koalition offenbart. Eine politische Reifeprüfung wartet.
Friedrich Merz ist ins Amt getaumelt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik braucht ein Bundeskanzler zwei Wahlgänge. Das ist ein schwerer Makel, weil es zeigt, dass in den Fraktionen der gerupften Mitte-Parteien CDU, CSU und SPD Abgeordnete sitzen, die dem neuen Regierungschef misstrauen. Und die ihm möglicherweise auch bei künftigen Abstimmungen über kontroverse Fragen ein Bein stellen können.
"Sieh dich vor!": Das ist die Botschaft der anonymen Heckenschützen an Merz. Der neue Kanzler wird nicht nur in einer krisengeschüttelten Welt durch Minenfelder manövrieren müssen, sondern auch zu Hause bei der politischen Mehrheit, die ihn trägt. Das ist eine schwere Hypothek. Sollte er es vorgehabt haben – durchregieren kann Merz nun nicht mehr.
Demokratie in Gefahr? Mitnichten
Zugleich sollte man das Drama dieses denkwürdigen Dienstags nicht zu hoch hängen. Das Grundgesetz liefert auch für heikle Situationen wie diese einen klaren rechtsstaatlichen Leitfaden; von einem "Chaos" zu schwadronieren, wie es manche AfD-Leute tun, ist hanebüchen. Die Parteien der demokratischen Mitte sind nicht mehr so stark, dass sie ihren Kurs institutionell durchziehen können; sie müssen sensibler vorgehen, auf Kritiker eingehen, sich stärker um Mehrheiten bemühen. Aber die Demokratie ist deshalb mitnichten in Gefahr.
Die größte Herausforderung stellt sich an die Persönlichkeit des neuen Kanzlers: Merz gilt als selbstbezogen, aufbrausend, manchmal auch hitzköpfig. Im Wahlkampf beschimpfte er politische Gegner als "linke Spinner" und ging nonchalant über Kritik an seinem laxen Umgang mit der AfD hinweg. Diese Hemdsärmeligkeit kann er sich als Regierungschef mit wackeliger Parlamentsmehrheit nicht mehr erlauben. Er muss dringend reifen – politisch, kommunikativ, charakterlich. Für einen 69-Jährigen ist das keine leichte Aufgabe. Hoffentlich nimmt er sie nicht auf die leichte Schulter.
- Eigene Beobachtungen