t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

"Compact"-Verbot gescheitert: Magazin-Macher profitieren von Faeser


Gescheitertes "Compact"-Verbot
"Faeser hat uns einen Marketingcoup beschert"


24.06.2025 - 16:29 UhrLesedauer: 5 Min.
Richterspruch: Jürgen und Stephanie Elsässer hatten mit der Klage gegen das Verbot ihres Compact-Magazins Erfolg.Vergrößern des Bildes
Richterspruch: Jürgen und Stephanie Elsässer hatten mit der Klage gegen das Verbot ihres "Compact"-Magazins Erfolg, der Vorsitzende Richter Ingo Kraft (2. v. l.) verkündete die Entscheidung. (Quelle: Lars Wienand)
News folgen

Das gekippte Verbot des Magazins "Compact" stellen die Macher vor allem als Sieg für die Meinungsfreiheit dar. Zugleich können sie jetzt Kasse machen: Nancy Faeser kurbelt das Geschäft an.

Es war alles vorbereitet, für alle Fälle. Ins Bundesverwaltungsgericht hatte Jürgen Elsässer ein T-Shirt mitgebracht mit dem Aufdruck "Bundesregierungbesieger" – die Redaktion war hingegen darauf eingestellt, dass die Bundesregierung nach der Urteilsverkündung zur Durchsuchung anrückt. Eben je nach Ausgang des Verfahrens um das Verbot des rechtsextremen "Compact"-Magazins, das Nancy Faeser im Juli 2024 erlassen hatte.

Loading...

"Ich hatte alle Fenster und Türen offengelassen, damit die Polizei reinkommt, ohne etwas kaputtzumachen", erzählt vor dem Gerichtssaal André Poggenburg. Vor 2018 war er als Weggefährte von Björn Höcke im formell aufgelösten Flügel und Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt einer der bekanntesten rechtsextremen Politiker, heute ist er weniger bekannt als Jürgen Elsässer und wirkt auch eher im Hintergrund. Poggenburg ist zehnprozentiger Gesellschafter und der Prokurist der Compact-Magazin GmbH. Auf seinem Rittergut Nöbeditz im Städtchen Stößen im Burgenlandkreis hat die Firma ihren Sitz. Im vergangenen Jahr bei der Razzia zum Verbot wurde bei ihm etwa die Bühne sichergestellt, mit der "Compact" auf "Blaue Welle"-Tour zur Unterstützung der AfD ging.

Die Polizei wird nach der Entscheidung des sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu Razzia und Beschlagnahme anrücken, es war Zeit für Elsässers T-Shirt: Als das Gericht verkündet hatte, dass das Bundesinnenministerium zwar das Vereinsrecht zum Verbot nutzen durfte, die Gründe aber nicht ausreichen, da zog Elsässer schnell Jackett und weißes Hemd aus. Für triumphale Bilder trug er das schwarze T-Shirt mit dem weißen Slogan zur Schau. "Wir sind der Bundesregierungsbesieger", sagte er.

T-Shirt-Idee vom FC St. Pauli abgeschaut

Die Idee geht auf den links verorteten FC St. Pauli zurück. Als der im Februar 2002 den FC Bayern München sensationell und nach aufopferungsvollem Kampf 2:1 bezwungen hatte, gab der Klub zunächst 400 Shirts mit dem Aufdruck "Weltpokalsiegerbesieger" heraus, mehr als 100.000 waren zehn Jahre später verkauft, und das Shirt findet sich heute noch im Fanshop. "Compact" will jetzt ähnlich Kasse machen. Nach der Hausdurchsuchung hatte die Firma Morgenmäntel verkauft, wie ihn Elsässer trug, nun wird es die Shirts geben.

"Wir wären ja blöd, wenn wir die Chance nicht nutzen würden", sagt Poggenburg. "Wir sind ein Medienunternehmen mit Betonung auf Unternehmen, wie wir das auch im Prozess klargemacht haben." Da hatte Jürgen Elsässer manche krasse Äußerung damit erklärt, es brauche Aufmerksamkeit und PR, um Leser und Käufer zu finden, nicht alles sei so gemeint. Es ging etwa um den Satz, dass sich "Compact" für den "Sturz des Regimes" starkmache. Oder dass man mit Pegida, AfD, "Identitärer Bewegung" und "Ein Prozent" fünf Finger einer Faust bilde, die man nicht brechen könne.

Auch das Gericht kam deshalb zum Schluss, der "Elsässer-Kreis" sei nicht nur ein Presse- und Medienunternehmen, sondern verstehe sich als Teil einer Bewegung, für die er auf eine Machtperspektive hinarbeite. Elsässer hatte das wegwischen wollen mit der Erklärung, man habe aus Marketing-Gründen die eigene Rolle überhöht.

Elsässer beherrscht das. Der "Bundesregierungsbesieger" verkündet vor dem Saal, man sei jetzt so etwas wie der "Spiegel" es "früher" gewesen sei: "Der nannte sich 'Sturmgeschütz der Demokratie', der hat den Rücktritt von Strauß erzwungen", diktiert der Chefredakteur des Magazins, das sehr wenig Recherche und vor allem viel Meinung verbreitet. Die Bundesregierung werde jetzt wohl nicht zurücktreten. "Ein kritisches Medium" – so sieht Elsässer "Compact" – "lässt sich künftig nicht mehr durch einen Federstrich einer Ministerin beseitigen."

Unterstützer bringt Trauerkranz für die Meinungsfreiheit mit

Elsässer kündigt eine neue Marketingstrategie an, die Entscheidung wird noch reichlich vermarktet werden. Das kommende Cover hatten sie auch dabei: Stephanie Elsässer im Beach-Look mit Cocktail auf dem Cover, "Sommer der Freiheit" der Titel. Sie zeigen es vor dem Gerichtsgebäude.

Wenige Meter weiter demonstriert Thomas Dienel mit einem Trauerkranz, der so gar nicht zur Feierstimmung passt: "Hier ruht die Meinungsfreiheit". Er ist der Kopf der "Opas gegen links" und sagt, das Verfahren allein sei Grund für den Kranz. Und die SPD habe gerade über Strategien für ein AfD-Verbot beraten. Vor der Verhandlung hat Dienel Stephanie Elsässer als "Glücksbringer" einen Blumenstrauß übergeben. Sie hat ihn nicht erkannt und die "Opas" nicht gekannt.

Elsässer spricht davon, dass man jetzt auch an Schadenersatzklagen denke. Das zu bemessen werde aber schwer, sagt Poggenburg t-online. "Es geht vor allem um die Durchsuchungen und den Aufwand, der mit der Beschlagnahme der Technik verbunden war." Wochenlang habe man nicht auf Mails zugreifen können. Zugleich habe Faeser dem Magazin einen Marketingcoup beschert, "der Hunderttausende wert ist". Die Bekanntheit von "Compact" habe sich enorm gesteigert, erklärt er, vor allem im Westen.

Und in Zahlen? Immer wieder wird die Zahl von 40.000 verkauften Ausgaben des rechtsextremen Magazins berichtet. Es ist keine geprüfte Zahl wie bei anderen Zeitschriften, und Poggenburg sagt, sie liege mal höher und mal niedriger. Als der Bahnhofsbuchhändler "Press & Books" das Heft aus dem Sortiment warf nach einer Petition für einen Verkaufsstopp mit 100.000 Unterzeichnern, sei der Verkauf "um einige Tausend" zurückgegangen, so Poggenburg. Das sei wieder aufgefangen. Vor allem hätten mehr Menschen ein Abo abgeschlossen. "Als Kaufmann ist mir das natürlich lieber."

Loading...
Loading...

Doch auch Poggenburg sieht den Tag nicht nur mit der Zahlenbrille. "Von der Entscheidung wird noch oft und lange die Rede sein und darauf Bezug genommen werden." Er sieht darin auch einen Freibrief für alle Menschen, das sagen zu dürfen, was das Magazin berichtet habe. Denn jetzt sei bestätigt, dass das alles nicht strafbar sei. Gütesiegel vom Gericht?

Richter Kraft hielt fest, die Äußerungen, welche die Grundüberzeugung der Vereinigung zum Ausdruck bringen, seien als solche "weder strafbar noch rechtswidrig". Als Indizien für ein Vereinsverbot hätten sie dennoch herangezogen werden dürfen, weil der Staat frühzeitig als Instrument des präventiven Verfassungsschutzes tätig werden könne. Das Kriterium sei erfüllt.

Elsässers Verharmlosungen "nicht glaubhaftes Vorbringen"

Allerdings seien die verfassungswidrigen Aktivitäten "noch nicht" prägend, und nur dann sei ein Verbot verhältnismäßig. Viele migrationskritische und migrationsfeindliche Äußerungen, die das Ministerium als Grund für das Verbot angeführt habe, ließen sich auch als überspitzte, aber letztlich zulässige Kritik deuten. Elsässer sieht darin auch ein Vorzeichen für juristischen Umgang mit der AfD: "Sie wird profitieren. Wenn es unmöglich war, 'Compact' zu verbieten, kann man auch die AfD nicht verbieten. Der wird das Gleiche vorgeworfen." Christian Conrad von der Kölner Kanzlei Höcker, die die AfD in vielen Verfahren vertritt, war an den beiden Verhandlungstagen aufmerksamer Zuhörer.

Bei dem Vorwurf geht es um das völkische Konzept, um "Remigration" und Zurücksetzung von Deutschen mit Migrationshintergrund. Diese Ideen missachteten das durch Menschenwürde und Demokratieprinzip geschützte Verständnis, dass alle Staatsangehörigen gleich sind, so das Gericht. Und "Compact" habe sich damit identifiziert, "es handelt sich nicht um vereinzelte Ausreißer". Was die Elsässers und ihre Anwälte im Prozess dazu gesagt hätten, sei "bloß prozesstaktisches, nicht glaubhaftes Vorbringen". Ausreichend für das Verbot war es nicht.

Man habe es sich nicht leicht gemacht, sagt der Vorsitzende Richter in einer "letzten Bemerkung zur Klarstellung: Das Gericht hat nicht nach politischer Präferenz, sondern nach rein juristischen Maßstäben entschieden." Und so Jürgen Elsässer dazu verholfen, sich zum "Bundesregierungsbesieger" zu erklären.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme am Prozess
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel
t-online enthüllt Sonderbericht
  • Johannes Bebermeier
  • Jonas Mueller-Töwe
  • Carsten Janz
Von J. Bebermeier, J. Mueller-Töwe, C. Janz


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom