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Wolfgang Bosbach: Günthers Vorstoß Richtung Linke – Haben wir keine anderen Probleme?


Günthers Vorstoß Richtung Linke
Hauptsache regieren!

MeinungEin Gastbeitrag von Wolfgang Bosbach

Aktualisiert am 17.08.2018Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat in einem Interview über eine mögliche Koalition zwischen CDU und Linke gesprochen.Vergrößern des Bildes
Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat in einem Interview über eine mögliche Koalition zwischen CDU und Linke gesprochen. (Quelle: Nour Alnader/T-Online-bilder)

CDU-Politiker Daniel Günther hat sich für eine Koalition mit den Linken offen gezeigt. Dafür erntete er aus den eigenen Reihen Kritik. Auch Wolfgang Bosbach ist entsetzt.

War es die Sorge, dass die ostdeutschen Landesverbände der CDU nicht selber in der Lage seien, die koalitionspolitisch richtigen Entscheidungen zu treffen und daher dringend auf sachkundigen Rat aus Kiel angewiesen wären? War es der Wunsch nach einer neuen thematischen Schwerpunktsetzung für die zukünftige Programmarbeit der CDU? War es der dringende Wunsch, das Sommerloch mal mit anderen Inhalten zu füllen als immer nur mit den Themen Migration und Integration? Der Wunsch, irritierte und enttäuschte ehemalige Stammwählerinnen und Stammwähler für die Union zurückgewinnen zu wollen, kann es jedenfalls nicht gewesen sein, denn dafür war der Vorstoß nun wirklich kontraproduktiv.

Oder war es einfach nur die Hitze der letzten Wochen, die den Kieler Ministerpräsidenten Daniel Günther – er gehört der CDU an! – verleitet hat, in einem Interview mit der "Rheinischen Post" (RP) wortwörtlich zu Protokoll zu geben: "Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen. Es wäre gut, auf Scheuklappen zu verzichten. Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird (gemeint war wohl: "gebildet werden kann"), muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein."

Frage "RP": Und die AfD?

Antwort Daniel Günther: Da bin ich sehr skeptisch. Mir fallen aus jedem Bundesland Äußerungen von führenden AfD-Politikern ein, wo jedes Gespräch vollkommen unmöglich ist.

Leider hat es die "RP" versäumt, Daniel Günther sofort zu fragen, ob ihm derartige Äußerungen denn aus den Reihen der Linkspartei noch nie begegnet seien – die Antwort hätte sicherlich nicht nur die Leserinnen und Leser der "Rheinischen Post" interessiert. Wohlgemerkt: Diese Sätze sind dem Kieler Regierungschef nicht etwa aus Versehen herausgerutscht (kann ja mal passieren), sie stammen aus einem von ihm autorisierten Interview.

Das ist Kramp-Karrenbauer zu viel

Was da ziemlich verklausuliert daherkommt, heißt in Normalsprache übersetzt: Die CDU sollte sich in punkto Linkspartei mal locker machen. Wer die Linke nicht als potenziellen Koalitionspartner, sondern als politischen Gegner sähe, würde "Scheuklappen" tragen und wenn es halt nicht anders geht, dann eben mit der Linkspartei regieren. Hauptsache regieren!

Das war dann selbst der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zu viel: "Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD weiterhin klar ab!". Und als klar war, dass eine überwältigende Mehrheit der Partei den Vorstoß von Daniel Günther strikt ablehnt, gab sogar die Parteivorsitzende Angela Merkel öffentlich zu Protokoll: "Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der Linken-Partei und das schon seit vielen Jahren!"

Es bleiben viele Fragen offen

So weit, so gut. Bleibt die Frage des Motivs für den höchst umstrittenen Vorstoß. Das werden wir wohl aber nie erfahren. Und es bleiben zwei andere Fragen, die erstaunlicherweise bis zur Stunde kaum thematisiert wurden:

  • Wo sieht Daniel Günther eigentlich ein genügendes Maß an politisch-inhaltlichen Schnittmengen zwischen CDU und Linkspartei, um eine tragfähige Regierung bilden zu können? Wie soll da etwas zusammenwachsen, was nun wirklich nicht zusammengehört?

O-Ton Lothar Bisky, einen Tag vor dem Vereinigungsparteitag 2007: "Ja, wir diskutieren auch und immer noch die Veränderung der Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse – kurz gesagt: Wir stellen die Systemfrage! Für alle von den geheimem Diensten noch einmal zum Mitschreiben."

Professor Eckhard Jesse schreibt dazu: "Wer die Systemfrage stellt, lehnt die Grundlagen des Systems ab." Wohl wahr! Und das soll ein potenzieller Koalitionspartner für die Union sein?

  • Welche politischen Projekte könnten denn von CDU und Linke gemeinsam durchgesetzt werden, die eine Koalition rechtfertigen könnten? Auch dazu: Kein Bild, kein Ton. Hätte interessiert, sicher nicht nur den Autor dieser Zeilen.

Bleibt die Frage: Glaubt Daniel Günther ernsthaft (!), dass diese Debatte der Union hilft? Wenn nein – warum dann dieses Thema? Haben wir keine anderen Themen und Probleme?

Immerhin: An einer Stelle des Interviews sagt Daniel Günther: "Wir orientieren uns nicht an der CSU." Da hat er in punkto Linkspartei völlig recht.

Wolfgang Bosbach, geboren 1952, war stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion. Von 2009 bis 2015 war der Rechtsanwalt Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Im Herbst 2017 erklärte er seinen Rückzug aus der Politik. Mit seinem vorzeitigen Verlassen der Talkshow "Maischberger" erregte er 2017 Aufsehen.coremedia:///cap/blob/content/84293778#data

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