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Frankfurt/Oder – OB Wilke klagt an: "Stimmung bei Menschen kippt gerade"


Bürgermeister berichtet
"Die Stimmung bei den Menschen kippt gerade"

InterviewVon Tim Kummert

17.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Frankfurt von der polnischen Seite der Oder aus gesehen: "Dass wir keine Millionenstadt sind, ist in dem Fall ein Vorteil."Vergrößern des Bildes
Frankfurt von der polnischen Seite der Oder aus gesehen: "Dass wir keine Millionenstadt sind, ist in dem Fall ein Vorteil." (Quelle: Winfried Mausolf/imago-images-bilder)

Frankfurt an der Oder hat es geschafft: Eine Inzidenz von weit unter 35, aktuell liegt sie bei 26. Wie lange tragen die Menschen dort den Lockdown dann noch mit? Ein Interview mit dem Oberbürgermeister René Wilke.

t-online: Herr Wilke, was dachten Sie, als die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten ankündigten, den Lockdown bis in den März zu verlängern?

René Wilke: Ich dachte: Puh.

Wie wohl viele Menschen in Deutschland.

Ja. In dem Augenblick der Pressekonferenz realisierte ich: Das wird jetzt noch mal richtig hart. Zwei Wochen Verlängerung, so bis Ende Februar, das hätte wohl keinen groß überrascht. Aber jetzt erneut bis weit in den März hinein, das war nicht so zu erwarten. Und auch wir in Frankfurt an der Oder müssen uns trotz guter Zahlen natürlich weiterhin an die Regeln halten.

Sie haben in Ihrer Stadt eine Inzidenz von 26 Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen. Ein Wert unter 35 gilt als neues Ziel. Wie haben Sie die Zahlen so gedrückt?

Wir haben jetzt schon die Alten- und Pflegeheime und das Klinikum weitestgehend durchgeimpft. Ausbrüche dort haben immer besonders schwerwiegende Folgen. Die mobilen Impfteams sind nun im ambulanten Bereich unterwegs. Bei den Kitas und hoffentlich bald auch den Schulen geht es mit den Schnelltestungen in großen Schritten voran. Das sorgt dafür, dass wir frühzeitiger, schneller und punktueller eingreifen können. Wir haben auch mit eigenen Allgemeinverfügungen gearbeitet und damit das Regelwerk ergänzt oder untersetzt. Unser Gesundheitsamt und Krisenstab machen einen tollen Job in der Kontaktnachverfolgung und Unterbrechung der Infektionsketten. Und: Glück sowie das gute Verhalten vieler Menschen in der Stadt gehören ganz klar auch dazu.

Klingt, als hätten Sie die Pandemie gut im Griff.

Bei aller Vorsicht kann man das zumindest aktuell so sagen. Aber es ist ein gutes Ineinandergreifen von vielen Akteuren, auch die Sicherheitsbehörden und das Klinikum sind Teil unserer Abstimmungen. Wir stimmen viel miteinander ab, es ist ein tolles Team, das ich da führen darf.

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Damit also viel geimpft wird, muss ein Oberbürgermeister dafür sorgen, dass die Maschine der Organisation möglichst geräuschlos arbeitet?

Das Impfen ist schon eine Frage der Organisation das liegt aber in mehreren Händen: Kassenärztliche Vereinigung, Hilfsorganisationen wie die Johanniter, Land und Stadt wirken hier gemeinsam. Entscheidend sind ganz einfache Fragen wie: Sind die Abläufe eingespielt? Kennen sich die Menschen, die da miteinander arbeiten? Greift eine Hand in die andere? Kann man das alles bejahen, dann geht es oft auch schnell voran. Aber es spielt uns hier vor Ort noch etwas in die Karten.

Die Größe der Stadt.

So ist es. Dass wir keine Millionenstadt sind, ist in dem Fall ein Vorteil. Wir haben eine überschaubare Struktur, mit 60.000 Einwohnern ist vieles besser machbar beispielsweise auch die vielen Schnelltests, die wir jetzt eingeführt haben. Unter anderem in den Pflege- und Altenheimen.

Solche flächendeckenden Tests wünschen sich viele Bürger in Deutschland.

Der Bundesgesundheitsminister hat ja jetzt auch angekündigt, dass diese kommen werden, viele Kommunen unterstützen das ja bereits. Aber ich bin da schon stolz darauf, dass wir in Frankfurt ein bisschen mit Vorreiter dafür sein konnten.

Die Zahlen sind niedrig, das Impfen geht schnell wie wirkt sich das auf die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen bei Ihnen aus?

Man kann schon sagen, dass sich bei uns zwei Gruppen melden: Die einen wollen bloß keine frühen Lockerungen. Die anderen wollen endlich wieder arbeiten beides ist total verständlich. Aber wie immer ist es der gesunde Mittelweg. Und die Seite derer, die Kritik üben, wächst jedoch jeden Tag.

Ist gerade ein Punkt in der Pandemie, an dem etwas grundlegend umbricht?

Ohne es übertreiben zu wollen: Die Stimmung bei den Menschen kippt gerade. Und sie kippt schneller als ich dachte, auch bei uns in Frankfurt an der Oder, eben weil die Zahlen so gut sind bei uns.

Wie äußert sich die Kritik?

Es gab in dieser Krise immer die Corona-Leugner, mit denen muss man halt umgehen. Aber jetzt fangen auch die Bürger, die Corona durchaus für eine gefährliche Krankheit halten, langsam an zu sagen: Diese Lockdown-Belastung ist nicht mehr länger tragbar.

Schulöffnungen sind Ländersache, über den Einzelhandel diskutiert das Kanzleramt. Gleichzeitig machen Sie als Oberbürgermeister vor Ort große Fortschritte in der Bewältigung der Pandemie. Nervt es Sie manchmal, dass Sie vergleichsweise wenig Befugnisse haben?

Da möchte ich gleich mal korrigieren: Ich habe schon Befugnisse, aber nur bei Verschärfungen. Als Oberbürgermeister kann ich regional immer nur verschärfen, nicht lockern. Grundsätzlich kann man über diese Art der Aufteilung schon nachdenken. Gleichzeitig breche ich nicht gern den Stab über andere Entscheidungsträger: Nachher ist man immer schlauer und derjenige, der nur Kritik übt, macht es sich oft etwas zu leicht.

Wünschen Sie sich trotzdem regionale Lockerungsmöglichkeiten? Frankfurt an der Oder ist ja nicht die einzige Stadt mit einem Inzidenzwert von deutlich unter 35.

Wir dürfen keinen Flickenteppich innerhalb der Bundesländer organisieren, das würde aufgrund der engen Verflechtung für große Probleme sorgen. Ich glaube: Nach der jetzigen Verlängerung des Lockdowns muss es eine schnelle Öffnungsperspektive geben. Und ich glaube, mittelfristig könnten die Bürgermeister auch bei Lockerungen mehr Verantwortung erhalten.

Besonders an Ihrer Stadt ist auch die Grenznähe zu Polen. Einige Grenzen werden jetzt extrem eng kontrolliert wie handhaben Sie das?

Polen gilt bislang nicht als Risikoland bezüglich der Mutation, das macht es noch etwas leichter. Was mir Sorge bereitet, ist das unterschiedliche Schrittmaß zwischen Deutschland und Polen: Dort werden schon wieder viele Teile des öffentlichen Lebens geöffnet, weil dort auch der Lockdown zwischendurch härter war. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass die Unterschiede nicht zu groß werden, sonst sind das irgendwann zwei Gleise, die immer weiter auseinanderlaufen. Ich hoffe einfach, dass die Pandemie sich langsam insgesamt beruhigt und wir gleichzeitig im ähnlichen Tempo weiterkommen beim Impfen.

Herr Wilke, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit René Wilke
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