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Alarmierende Studie: Darum wählen Bürger nicht


Wachsender Frust
Alarmierende Studie: Darum wählen Bürger nicht

Von Miriam Hollstein

09.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bundestagswahl 2021 (hier eine Stimmabgabe in einem Wahllokal in Hanau): Bei den Nichtwählern wächst der Frust über die Politik.Vergrößern des Bildes
Bundestagswahl 2021 (hier eine Stimmabgabe in einem Wahllokal in Hanau): Bei den Nichtwählern wächst der Frust über die Politik. (Quelle: Imago/Patrick Scheiber)

Eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung hat untersucht, warum Menschen der letzten Bundestagswahl fernblieben. Die Ergebnisse sind beunruhigend.

Eigentlich klingt die Zahl nicht schlecht: 76,6 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland haben bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst ihre Stimme abgegeben. Das waren 0,4 Prozentpunkte mehr als 2017 und sogar fast sechs Prozentpunkte mehr als 2009, als die Wahlbeteiligung mit 70,8 Prozent einen absoluten Tiefstand erreichte. Aber der Wert war noch immer weit von Jahren wie 1998 entfernt, als 82,2 Prozent der Wahlberechtigten auch tatsächlich ins Wahllokal gingen.

Alarmierend ist auch das Ergebnis einer Nachwahlumfrage der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung ("Wählen oder nicht wählen?"), deren Ergebnis t-online exklusiv vorliegt. Denn die Studie zeigt: Die Politikverdrossenheit wächst.

Zwischen dem 30. September und 20. November 2021 befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag der Stiftung insgesamt 4.000 Personen telefonisch zu ihrem Wahlverhalten (40 Prozent per Mobilfunk, 60 Prozent über Festnetz). Bei jenen, die angaben, nicht gewählt zu haben, wurden die Motive genauer abgefragt. Das Resultat wurde mit den Ergebnissen einer früheren Befragung verglichen, die sich auf die Bundestagswahlen von 2005 und von 2009 bezog.

Die meisten Nichtwähler halten Wahlen für sinnlos

Laut der aktuellen Studie halten es 65 Prozent der befragten Nichtwähler und Nichtwählerinnen für sinnlos, wählen zu gehen, "weil die Parteien und Politiker doch machen, was sie wollen". Frauen gaben dies etwas häufiger als Männer an (70 zu 60 Prozent). Es ist das am meisten genannte Motiv für die Wahlabstinenz.

Dabei ist diese Form der Politikverdrossenheit deutlich angestiegen. 2005 waren es nur 50 Prozent der Nichtwähler, die aus diesem Grund den Gang ins Wahlbüro scheuten; 2009 dann bereits 57 Prozent.
Zweithäufigster Grund: Nichtwähler sehen ihre Interessen nicht mehr vertreten. Dem Satz "Es gab keinen Politiker, dem ich meine Stimme geben wollte" stimmten 56 Prozent zu. Erneut sind es deutlich mehr Frauen als Männer (67 zu 47 Prozent).

47 Prozent befanden: "Für die Dinge, die für mich wichtig sind, setzt sich keine Partei ein." Auch hier wächst die Frustration: 2005 konnten sich 44 Prozent mit keinem Politiker und keiner Politikerin identifizieren (2009: 49 Prozent) sowie 38 Prozent mit keiner Partei (2009: 42 Prozent).

Mehr als jeder Dritte war krank oder im Urlaub

39 Prozent stimmten der Aussage "Ich wollte meine bisherige Partei nicht mehr wählen, aber es gefiel mir auch keine andere" zu. Der Wert ist auf dem gleichen Niveau wie 2005 und etwas geringer als 2009 (41 Prozent). Krankheit oder Urlaub waren für 39 Prozent Anlass, aufs Wählen zu verzichten, auch in Form einer Briefwahl.

Ein Drittel aller Nichtwähler und Nichtwählerinnen gab an, sich grundsätzlich nicht für Politik zu interessieren. Hierzu gibt es keine Vergleichszahlen, da dies bei der vorherigen Befragung nicht erfasst wurde. Auffällig ist, dass das Desinteresse bei Frauen deutlich größer ist als bei Männern (43 zu 27 Prozent). Hier liegt für Parteien noch sehr viel Potenzial brach.

Zahl der radikalen Gegner nur gering gestiegen

Noch geringer ist der Anteil derer, die die Bundesrepublik als Ganzes infrage stellen. Aber immer noch jeder vierte Nichtwähler gibt diesen Grund an ("Ich gehe deshalb nicht zur Wahl, weil mir dieser Staat als Ganzes nicht gefällt"). Allerdings ist die Zahl verglichen mit 2009 nur um 3 Punkte gestiegen (2005: 20 Prozent).

Verdoppelt hat sich die Zahl der Menschen, die aus Bequemlichkeit nicht wählen. Der Aussage "Solange ich mit dem, was im Staat passiert, zufrieden bin, brauche ich nicht wählen zu gehen" stimmten 14 Prozent zu (2005: 7 Prozent). Nur etwas mehr (17 Prozent) blieben am Wahltag zu Hause, weil sie ihrer Partei "einen Denkzettel" verpassen wollten.

Die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt: Auch wenn die Zahl der für die Demokratie "Verlorenen", die man nur schwer in ihrer totalen Ablehnung erreichen kann, überschaubar ist, so ist der wachsende Frust bei Menschen, die grundsätzlich die Bereitschaft zur Wahl haben, doch Anlass zur Sorge.

Zahlen sind nur Spitze des Eisbergs

Zumal Umfragen wie diese immer nur die Spitze des Eisbergs abbilden. Denn die Dunkelziffer der Nichtwähler dürfte noch um einiges höher liegen. Zum einen sind sie seltener bereit, an Umfragen teilzunehmen. Zum anderen würden Befragte häufiger angeben, "an der Wahl teilgenommen zu haben, weil sie dies für gesellschaftlich wünschenswert erachten", selbst wenn sie dies nicht taten, schreibt die Autorin der Studie, die Soziologin Sabine Pokorny. Erkennbar ist dies, weil in Studien die Wahlbeteiligung immer höher liegt als in der Realität.

"Overreporting" heißt dieses Verhalten in der empirischen Sozialforschung. Dabei gebe es Hinweise, so Pokorny, "dass sich vor allem Personen mit hohem politischen Interesse und hohem sozialen Status bewusst sind, dass die Nichtteilnahme sozial 'unerwünschtes' Verhalten darstellt".

Die Mehrheit der Nichtwähler und Nichtwählerinnen bereut es nicht, auf ihr Wahlrecht verzichtet zu haben. Aber 29 Prozent sagten, die Entscheidung sei ihnen "schwer" oder sogar "sehr schwer" gefallen. Das ist die hoffnungsvolle Botschaft der Studie für die Politik: Fast ein Drittel der Ex-Wähler und Ex-Wählerinnen möchte erkennbar zurückgewonnen werden.

Verwendete Quellen
  • Studie "Wählen oder nicht wählen?" der Konrad-Adenauer-Stiftung
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