AfD-Bürgermeister Hannes Loth: An der Pandemie verdiente er gerne mit

Raguhn-Jeßnitz hat seit dem Wochenende einen AfD-Bürgermeister. In der Vergangenheit konnte Hannes Loth mit ungewöhnlichen Nebeneinkünften sein Gehalt aufbessern. Wer ist der Mann?

Auf den letzten Metern hatte Hannes Loth die AfD-Prominenz auf seiner Seite: Parteichef Tino Chrupalla sprach am vergangenen Samstag von einer "großen Ehre", den Bürgermeisterkandidaten von Raguhn-Jeßnitz besuchen zu dürfen. Einen Tag zuvor hatte auch Robert Sesselmann, der frisch gewählte erste AfD-Landrat, den kleinen Ort in Sachsen-Anhalt besucht. Co-Parteichefin Alice Weidel hatte eine Videobotschaft geschickt.

"Wir brauchen die 51 Prozent", hatte Chrupalla noch am Samstag gefordert. Und Loth hat sie geliefert: Mit genau 51,13 Prozent gewann er am Sonntag die Stichwahl um das Rathaus in Raguhn-Jeßnitz. Wer ist der Mann, der als erster AfD-Politiker zum Bürgermeister gewählt wurde?

Seit Beginn dabei

Hannes Loth hat die Geschichte seiner Partei von Anfang an miterlebt: Der 42-Jährige ist geboren und aufgewachsen in der Region, die er heute als Bürgermeister vertritt. In seiner Schulzeit lebte er unter anderem ein Jahr in den USA – Loth nahm am Parlamentarischen Patenschafts-Programm des Bundestags teil, das Stipendien für Austauschjahre vergibt. Dabei half laut eigenen Angaben auch die heutige grüne Umweltministerin Steffi Lemke mit.

Politisch fand Loth hingegen zur AfD: Schon im Gründungsjahr 2013 trat er den Rechtspopulisten bei. Zu diesem Zeitpunkt leitete der studierte Agraringenieur ein Unternehmen zum Anbau von Gemüse.

Bald schon brachte er sich aktiv bei der AfD ein. In der Kleinstadt Köthen kandidierte Loth 2015 als Bürgermeisterkandidat, konnte anders als heute aber lediglich 2,1 Prozent der Stimmen einfahren. Doch er gab nicht auf, zog in den Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz ein und wurde 2016 Abgeordneter seiner Partei im Magdeburger Landtag.

Als Hardliner fiel er dort in den vergangenen Jahren nicht gerade auf, wie der Sender MDR berichtet: Als agrarpolitischer Sprecher kritisierte er etwa die ineffiziente Klimapolitik der Landesregierung oder warb für die Renaturierung von Mooren. Loth wisse "ein bisschen was von Landwirtschaft und Naturschutz, aber von den sonstigen Realitäten des Landes nur sehr wenig", heißt es in dem Bericht vom Chef des SPD-Landesverbandes, Andreas Schmidt.

Demos gegen Flüchtlinge und Corona-Politik

Auch im jüngsten Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters setzte Loth – ganz anders als Sesselmann, der erste AfD-Landrat – kaum auf die großen bundespolitischen Themen. Innere Sicherheit habe bei ihm zwar "oberste Priorität", erklärte er in einem kurzen Bewerbungsvideo auf seiner Facebook-Seite. Das bedeute allerdings, dass die Feuerwehr im Ort genügend Sicherheitskleidung haben müsse. Zudem müsse es mehr direkte Bürgerbeteiligung geben.

Das passt nicht so recht zum Bild, das sein Landesverband abgibt. Diesen hat der Verfassungsschutz vor zwei Jahren als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Für AfD-Verhältnisse ist Loth eher gemäßigt, sein Stand beim völkisch-nationalistischen Flügel seiner Partei soll laut MDR nicht der beste sein.

Demonstrationen gegen Corona-Regeln und Flüchtlinge

Ein programmatischer Außenseiter ist er allerdings auch nicht: 2014 nahm er an einer Demonstration der Pegida-Bewegung in Dresden teil und sprach sich in der "Mitteldeutschen Zeitung" dagegen aus, die Teilnehmer in die rechte Ecke zu stellen. Seit 2021 beobachtet der sächsische Verfassungsschutz die Bewegung, nachdem sie als "erwiesen extremistische Bewegung" eingestuft wurde. In Zeiten der Flüchtlingskrise organisierte Loth auch selbst in Raguhn-Jeßnitz Demonstrationen "gegen Politikversagen und Asylchaos".

In der Corona-Pandemie kritisierte er die verhängten Schutzmaßnahmen der Bundesregierung scharf. "Neuste Entwicklungen in Berlin besorgen Pjöngjang", kommentierte der AfD-Mann etwa auf seiner Facebook-Seite, als in der Hauptstadt mehrere Demonstrationen gegen die Pandemieregeln verboten wurden. Auch soll er selbst viele Demonstrationen und Kundgebungen während der Pandemiejahre mitorganisiert haben.

Kurios: Zur selben Zeit verdiente Loth mit Corona-Teststationen an der Pandemie kräftig mit. Auf der Seite des Landtages gibt der 42-Jährige die Einkünfte als Nebenverdienste der Stufe 5 ein, was einer monatlichen Summe von mehr als 10.000 Euro entspricht. Laut MDR soll Loth dadurch zwischen 80.000 und 120.000 Euro brutto dazuverdient haben.

Keine Brandmauer

Für die kommenden sieben Jahre ist Loth jetzt Chef der Verwaltung in seiner Heimat: Dort kann er etwa über die Einstellung und Entlassung von neuen Beamten entscheiden. Gleiches gilt auch für die Feuerwehr, die Loth stärken will, oder für die Wasserwehr, in der der 42-Jährige selbst tätig ist. Auch kann er größtenteils eigenständig über Projekte entscheiden, die den Wert von 15.000 Euro nicht überschreiten. Gegen Beschlüsse des Stadtrates kann Loth als Bürgermeister jetzt ein Veto einlegen.

Wie Loth sein Amt ausüben wird, war nach seinem Sieg exklusiv über ein bestimmtes Medium zu erfahren: Man müsse über die Parteigrenzen hinweg kooperieren und Mehrheiten finden, deshalb tausche er sich schon "seit Jahren" mit Vertretern anderer Parteien aus. Eine "Brandmauer" gebe es nicht. Das Medium, mit dem Loth sprach, war die rechtskonservative "Junge Freiheit".