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Parteitag: In Hannover soll die grüne Zukunft beginnen


Richtungsweisender Grünen-Parteitag
Die wichtigsten Entscheidungen und ihre Ergebnisse

Von Jonas Schaible, Hannover

Aktualisiert am 27.01.2018Lesedauer: 5 Min.
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Habeck (l.) und Özdemir: Der eine hofft, dass die Satzung geändert wird. Der andere wird sich verabschieden.Vergrößern des Bildes
Habeck (l.) und Özdemir: Der eine hofft, dass die Satzung geändert wird. Der andere wird sich verabschieden. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Eine Sonderklausel für den Hoffnungsträger, der Abschied eines Beinahe-Ministers, eine mögliche pragmatische Revolution: Auf dem Parteitag der Grünen werden einige zukunftsweisende Entscheidungen getroffen. Und Shooting-Star Habeck stellt eine klare Bedingung.

Als die AfD im Dezember ihren Parteitag im Kongresszentrum in Hannover abhielt, schützten zahllose Polizeiwagen die Halle. Wer hineinwollte, musste durch Absperrungen, vorbei an Demonstranten.

Bei den Grünen ist jetzt alles anders. Keine Polizei, keine Absperrungen. "Und das ist erst der Eingang" steht über dem Eingang. Ein Witz, eine Variation über das Motto des Parteitags, "und das ist erst der Anfang". Auch die Grünen wollen sich erneuern, fit machen für die Zukunft.

In diesem Jahr wollen sie ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten – Anlass ist der vierzigste Jahrestag des Bestehens der Partei. Vor allem aber werden auf dem Bundesparteitag wichtige Personalentscheidungen fallen, die klären, wer die Grünen in diesem Jahr führt.

Die wichtigsten Entscheidungen im Überblick.

1. Kommt die Lex Habeck?

Robert Habeck möchte neuer Parteichef werden, große Teile der Partei möchten das auch, aber es gibt ein Hindernis: Habeck ist derzeit noch Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, das geht nicht zusammen. Er ist zwar bereit, sein Ministeramt aufzugeben, aber nicht sofort – erst nach einer Übergangszeit. Dazu müsste die Satzung geändert werden, mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Zunächst hatte er ein Jahr gefordert, jetzt scheint es auf eine Frist von acht Monaten hinauszulaufen. Diesen Antrag favorisiert offensichtlich die Parteispitze. Jürgen Trittin wird ihn vorstellen. Es gibt aber verschiedene Anträge.

Nicht alle Grünen sind damit glücklich, eine „Lex Habeck“ zu schaffen, eine Satzungsänderung also, die extra für ihn gemacht wird. Allerdings gibt es keinen männlichen Gegenkandidaten und die meisten Grünen glauben, dass Habeck momentan der richtige Parteichef wäre. Trotzdem bleibt die Frage: Welche Übergangsfrist bekommt er? Tritt er an, wenn er weniger als acht Monate bekommt? Bekommt er überhaupt eine Frist? Und was, wenn nicht?

Habeck stellte am Abend klar: Nur mit der Übergangsfrist wird er für den Parteivorsitz kandidieren. "Ich brauche diese acht Monate. Und wenn die nicht durchkommen, dann kann ich morgen nicht kandidieren."

Dann könnte es sein, dass doch noch andere Männer kandidieren. Der linke Europaabgeordnete Sven Giegold etwa macht keinen Hehl daraus, dass er gerne würde. Aber nicht gegen Habeck, das hat er immer wieder gesagt.

Entschieden wird noch am Freitag.

Ergebnis: Die Lex Habeck wurde verabschiedet. Habeck und künftig jeder Funktionsträger, der oder die in den Bundesvorstand will, bekommt acht Monate Übergangsfrist. Mit gut 77 Prozent der Stimmen nahm der Parteitag eine entsprechende Satzungsänderung an.

2. Übernimmt erstmals eine Realo-Doppelspitze?

Bisher besetzten die Grünen ihre Doppelspitze quotiert: Frau und Mann, einmal Realo, einmal links. Das könnte sich jetzt ändern. Gegen Robert Habeck, sollte er eine Übergangsregelung bekommen, die er akzeptiert, wollte keiner der Linken antreten. Unter den Frauen gilt Annalena Baerbock als Favoritin.

Sie war Mitglied im Jamaika-Sondierungsteam, gilt spätestens seitdem als kommende Spitzenpolitikerin in der Partei und dürfte den Realo-Flügel geschlossen hinter sich haben, aber auch Stimmen von den Linken bekommen. Die niedersächsische Landtagsabgeordnete Anja Piel, die Kandidatin vom linken Flügel, wird zwar geschätzt, aber hat nicht dasselbe Standing. Allerdings: Wie viele Delegierte von welchem Flügel kommen, ist unklar. Es könnte also trotzdem für Piel reichen.

Da zuerst über den Frauenplatz abgestimmt wird, der zweite Platz aber nicht streng nach Geschlecht besetzt wird, könnte die Unterlegene auch noch einmal antreten: gegen Habeck, oder gegen einen möglichen Ersatzkandidaten. Oder gegen niemanden sonst. Auch eine weibliche Doppel-Spitze ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.

Ergebnis: Ja, die Doppelspitze ist gekommen. Sogar sehr deutlich setzte sich Baerbock gegen Piel durch. Allerdings: Sie hielt mehr noch als Habeck eine Rede, die zeigt, dass sie nach links anschlussfähig ist.

3. Wie verabschiedet sich Cem Özdemir?

Cem Özdemir ist die tragische Grüne Figur der vergangenen Wochen: Als Parteichef einer der Chef-Unterhändler von Jamaika, war er mitverantwortlich für die viel gelobte Organisation. Wäre die Koalition gekommen, hätte er ein wichtiges Ministeramt besetzt. Er ist Umfragen zufolge einer der beliebtesten Politiker Deutschlands.

Aber gegen Habeck, der vom selben Flügel stammt, wollte er nicht antreten; in der Fraktion wollten die Linken nicht von Anton Hofreiter lassen – so fiel der Realo-Posten in der Fraktions-Doppelspitze einer Frau zu. Damit steht Özdemir, gerade einmal 52, jetzt ohne wichtiges Amt da. Er verabschiedet sich also auf dem Parteitag vorerst aus der ersten Reihe der Bundespolitik. Winfried Kretschmann wird die Lobrede halten.

Unter Linken gibt es Murren, bei der Besetzung von Fraktionsposten habe Özdemir für Unruhe gesorgt. Wie also geht er? Welche Botschaft sendet er: Ich übergebe – oder ganz weg bin ich nicht!?

Ergebnis: Özdemir sollte eine kurze Rede halten, hielt dann eine lange Rede, dankte ausführlich aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern und wurde noch ausführlicher von Winfried Kretschmann gelobt. Der lobte Özdemir, den er für einen guten Nachfolger hält, von Schwabe zu Schwabe: "Cem, du bist eben für die Leute gute schwäbische Heimat".. Seiner Partei gab der baden-württembergische Ministerpräsident mit, Özdemir habe großes Talent, "wir werden ihn noch lange brauchen".

Özdemir selbst ergänzte: "Kein Abschied, ich bleib ja überzeugter Grüner und schau'mer mal, was ich noch so mach." Özdemir will und wird weiter eine wichtige Rolle spielen. Aber er äußerte auch keinen Groll.

4. Hält die Einigkeit?

Den Grünen haftet schon lange zu Unrecht der Ruf an, extrem streitlustig zu sein. Tatsächlich fiel die Partei zuletzt eher durch Professionalität, gute Vorbereitung und die Fähigkeit auf, Probleme und Missmut intern zu bearbeiten. Auf dem Parteitag kurz nach Ende der Jamaika-Verhandlungen war die Stimmung entsprechend gut: Die Umfragen zeigten, dass den Grünen kaum jemand das Scheitern vorwarf; man war sich einig, gut und offen miteinander umgegangen zu sein.

Jetzt aber ist das einige Wochen her, es drohen vier Jahre als kleinste Oppositionspartei. Der Flügel-Proporz könnte aufgeweicht werden, was derzeit noch akzeptiert wird, aber irgendwann doch zum Quell von Ärger werden könnte. Kurz: Schaffen es die Grünen, nicht Flügel und Richtungsstreitigkeiten zu überwinden, aber weiter konstruktiv damit umzugehen? Oder kann die Einigkeit auf Dauer nicht halten?

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Ergebnis: Nach den Vorstandswahlen sieht es so aus, als würde die Einigkeit halten. Auch wenn viele Linken nicht glücklich darüber sind, dass Habeck die Satzungsänderung erzwungen hat – großer Streit brach nicht aus. Die Abstimmungsergebnisse zeigten große Bereitschaft, dem neuen Kurs eine Chance zu geben.

5. Wird der Parteirat gestärkt?

Um die beschriebene gute Zusammenarbeit zu institutionalisieren, hat der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick vorgeschlagen, den bisher eher unauffällig arbeitenden Parteirat zu stärken. Schick, der selbst lange im Parteirat saß, fordert, ihn nach dem Vorbild des Sondierungsteams zu besetzen und zu organisieren und ihn so zu einem Strategie-Zentrum auszubauen.

Dafür bat er ausgerechnet den Ober-Realo Winfried Kretschmann, für das 16-köpfige Beratungsgremium zu kandidieren. Der ließ seinen Sprecher schon ablehnen. Aber immerhin der Ex-Parteichef und Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer hat angekündigt, antreten zu wollen. Ziehen noch weitere aus dem Sondierungsteam oder den Landesspitzen nach? Wird der Parteirat zu einem dauerhaften Sondierungskommando? Oder bleibt er, was er immer war: ein Gremium ohne allzu große Bedeutung?

Ergebnis: Kretschmann kandidierte nicht, Jürgen Trittin und Claudia Roth auch nicht. Katrin Göring-Eckardt fiel bei acht Kandidatinnen für sieben Plätze zuerst durch, schaffte es dann aber auf einem der sechs nicht für Frauen reservierten Plätze knapp; sie bekam exakt so viele Stimmen wie nötig. In den Bewerbungsreden war viel davon die Rede, dass der Parteirat gestärkt werden müsse. Aber konkrete Schritte, um das zu erreichen, wurden auf dem Parteitag nicht eingeleitet.

Quellen und weiterführende Informationen

- eigene Recherchen
- Informationen über Ablauf und Anträge auf der Grünen-Seite

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