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Arbeitsminister Hubertus Heil: Wurde ihm das Bürgergeld zum Verhängnis?


Arbeitsminister Hubertus Heil
Warum musste dieser Mann gehen?


Aktualisiert am 05.05.2025 - 19:44 UhrLesedauer: 6 Min.
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Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird weder in der Regierung noch in der SPD-Fraktion eine führende Rolle spielen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Der scheidende Arbeitsminister Hubertus Heil war überaus beliebt in der SPD, doch scheiterte wohl am Ende an der Bürgergeld-Reform. Auf seine Nachfolgerin Bärbel Bas wartet nun eine knifflige Aufgabe.

Vor einer Weile kursierte in der SPD eine Geschichte, die ging in etwa so: Hubertus Heil, der bis dato beliebteste Sozialdemokrat, sei deswegen so erfolgreich, weil er über einen besonderen politischen Instinkt verfüge: Der "Hubsi", wie ihn Parteifreunde nennen, gehe nur in die Auseinandersetzungen, die er auch gewinnen könne, hieß es. Nur so habe er es zum populärsten Genossen auf Parteitagen (96,6 Prozent) und zum verlässlichen Wahlkreis-Gewinner (acht Mal) gebracht.

Wie jede gute Geschichte endete auch diese irgendwann. In Heils Fall wurde sie final am Sonntag beerdigt: Der Bundesminister für Arbeit und Soziales erklärte, dass er sich nicht um das Amt des Fraktionschefs bewerben werde. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass Heil auch nicht dem schwarz-roten Kabinett angehören wird. Verhindert wurde Heil vor allem von SPD-Chef Lars Klingbeil, der den Niedersachsen aus der ersten Reihe der SPD verdrängte.

Heils Makel: Als Arbeitsminister der Ampel war Heil offenbar zu sehr mit dem Bürgergeld verbunden. Die Genossen, die in ihrer tiefsten Krise seit Jahrzehnten stecken, wollen endlich weg von ihrem Ruf als Partei der Leistungsempfänger und wieder als "Partei der Fleißigen" (Klingbeil) gelten. Mit Heil, so das Kalkül der SPD-Führung, kann das kaum gelingen. Den Imagewechsel umsetzen muss nun Heils Nachfolgerin, die designierte Arbeitsministerin Bärbel Bas. Mit ihrer Arbeiterbiografie verkörpert die 57-Jährige aus NRW wie kaum eine Zweite in der SPD das Aufstiegsversprechen der Sozialdemokratie. Trotzdem wird sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie ihr Vorgänger.

Von der ersten Reihe auf die Hinterbank

Über den Absturz von Heil vom beliebten Sozialdemokraten zum Hinterbänkler wird derzeit viel spekuliert in der SPD. Manche nennen als Grund etwa den Niedersachsen-Überschuss in der SPD oder das schwierige Binnenverhältnis zwischen Heil und Parteichef Klingbeil: "Heil und Klingbeil können nicht miteinander", so ein Genosse zu t-online. Andere verweisen auf die zunehmende Ideenlosigkeit des Arbeitsministers. Ein SPD-Bundestagsabgeordneter sagt: "Hubertus Heil hat sich überlebt. Von ihm kam nichts Neues mehr, stattdessen immer die gleiche alte Leier."

Klar ist aber auch: Heil wurde zunehmend zum Imageproblem für die SPD. Der 52-Jährige hatte als Arbeitsminister der Ampelregierung die Bürgergeld-Reform umgesetzt, nannte das Gesetz 2022 noch die "größte Sozialstaatsreform der letzten 20 Jahre". Teile der SPD-Spitze sahen das Bürgergeld jedoch zunehmend als Ursache für ihre Serie an Wahlniederlagen. SPD-Wahlkämpfer berichteten von verärgerten Bürgern, die nicht mehr verstanden, warum sie für nur ein paar hundert Euro mehr im Monat arbeiten gingen. Das Bürgergeld wurde für viele plötzlich zum Inbegriff dafür, dass sich die SPD von ihren traditionellen Wählerschichten abkoppelte.

In der Bürgergeld-Falle

Das war nicht immer so. Noch im Sommer 2022 war die SPD stolz darauf, mit dem Bürgergeld eine neue Grundsicherung geschaffen zu haben, die Hartz IV ersetzte und somit ein altes Trauma der Sozialdemokratie überwand. Als "größte Sozialstaatsreform der letzten 20 Jahre" lobte der verantwortliche Arbeitsminister, Hubertus Heil, das Gesetz.

Doch die Debatte um das Bürgergeld verrutschte schnell. Die Reform geriet zunehmend unter Druck, viele störten sich an den Erhöhungen der Bürgergeld-Bezüge (2023 um 12 Prozent), die sich, gekoppelt mit anderen Sozialleistungen, kaum mehr von Löhnen im Niedrigsektor unterschieden. Bereits Ende 2023 musste Heil die Sanktionen gegen Leistungsempfänger verschärfen, maßgeblich auf Druck der Opposition.

Doch die Sanktionen gegen "Totalverweigerer", die zahlenmäßig nur einen sehr kleinen Teil der Leistungsempfänger ausmachen, konnte die gesellschaftliche Debatte nicht befrieden. Die Opposition von CDU/CSU nahm das Bürgergeld weiter unter Beschuss und schürte damit den Unmut in weiten Teilen der Bevölkerung zusätzlich. Das gelang auch deswegen, weil die Regierung eine offene Flanke hatte: Mit der FDP hatte die Ampel einen Partner in der Regierung, dem das Bürgergeld ebenfalls missfiel. Der Spalt in der Regierung ermunterte Kritiker zu weiteren Angriffen – bis die Debatte kaum mehr einzufangen war.

Eine neue Arbeiterpartei?

In der SPD dämmerte es allmählich auch führenden Genossen, dass viele Menschen das Bürgergeld als ungerecht empfanden und der SPD die Schuld daran gaben. Zugleich war klar: Eine Absenkung der Bürgergeld-Bezüge unter das Existenzminimum war schon rechtlich unmöglich. Die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu ist eindeutig. Die SPD-Führung versuchte daher zunächst, die Gerechtigkeitslücke zu schließen, indem sie höhere Löhne und eine stärkere Tarifbindung forderte: Wer mehr verdient, müsse sich nicht über zu hohe Bürgergeldsätze beklagen, so die Logik.

Aber das "Tariftreue-Gesetz" von Heil scheiterte, die Ampel zerfiel, und so rüstete auch die SPD rhetorisch immer mehr um: Nach und nach standen nicht mehr die Schwächsten der Gesellschaft im Fokus der SPD, sondern die "arbeitende Mitte", die "Tüchtigen", die "Leistungsträger".

In den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen legte sich Heil nochmal ins Zeug, kämpfte so ehrgeizig, dass es selbst Unionsleuten imponierte. Auch sonst ließ der Niedersachse kaum eine Gelegenheit aus, sich im Gespräch zu halten, um vielleicht doch noch einen Spitzenposten zu ergattern. Doch spätestens seit Sonntagabend ist klar: Heil rutscht auf die Hinterbank der SPD-Bundestagsfraktion.

Inbegriff des Aufstiegsversprechens

Die Aufgabe, das Bürgergeld-Image abzustreifen, kommt nun der neuen Arbeitsministerin Bärbel Bas zu. Sie scheint die perfekte Personalie dafür zu sein. Die 57-Jährige verkörpert wie kaum eine Zweite das Aufstiegsversprechen der Sozialdemokratie: Bas verließ die Schule mit einem Hauptschulabschluss, ließ sich später als Bürogehilfin ausbilden, bevor sie eine weitere Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte absolvierte und schließlich in den Vorstand einer Krankenkasse aufstieg. Später studierte sie Personalmanagement und wurde Abteilungsleiterin.

Ein weiterer Bonus für Bas: Sie stammt aus Nordrhein-Westfalen, dem mitgliederstärksten Landesverband der SPD. Dort spricht man in den höchsten Tönen über Bas. Die Vorsitzende des Landesverbands, Sarah Philipp, sagt t-online: "Ich kenne Bärbel Bas seit vielen Jahren sehr gut. Sie ist bodenständig, nahbar und im besten Sinne ein Mensch von nebenan." Bas' Duisburger Wahlkreis sei durch die Stahlindustrie geprägt, dort wüssten nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaften um Bas' Verlässlichkeit und hohe Kompetenz, so Philipp. "Bärbel Bas ist ein absoluter Gewinn für die neue Bundesregierung und wird ein ganz entscheidender Kopf in der Neuaufstellung der SPD sein."

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Auch Mahmut Özdemir, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Ruhrgebiet, sieht in Bas die Zukunft der Partei: "Bärbel Bas strahlt mit ihrer Erwerbsbiografie genau das aus, was wir als SPD verkörpern wollen: Arbeit, Gerechtigkeit und Leistung." Özdemir sieht in einer Reform des Bürgergeldes eine zentrale Aufgabe von Bas. Der Duisburger berichtet von zahllosen Auftritten im Bundestagswahlkampf, bei denen er die Wut der Bürger zu spüren bekam. "Wir wurden von vielen nur noch als Partei des Bürgergelds statt als Partei der Arbeiter wahrgenommen. Das muss sich ändern."

Entscheidend sei aber nicht eine populistische Kampagne gegen Leistungsempfänger, sondern ein höherer Mindestlohn und eine stärkere Tarifbindung. "Auch müssen wir die Frage stellen, was denn Millionäre zur gesetzlichen Rente und Krankenkasse beitragen", so Özdemir zu t-online. Nur so könne die Gerechtigkeitslücke geschlossen werden.

Neuer Streit scheint vorprogrammiert

Feststeht: Für Bas wird es nicht einfach. Nicht nur wird die ehemalige Bundestagspräsidentin das Haus mit dem mit Abstand größten Budget (180 Milliarden Euro) und rund 1.400 Mitarbeitenden verwalten. Sondern sie muss vor allem die knifflige politische Frage lösen, was genau aus dem Bürgergeld wird.

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag bietet neben einer Namensänderung ("Neue Grundsicherung") primär Worthülsen und Formelkompromisse – und wenig Konkretes. So soll die Vermittlung in Arbeit gestärkt und der Druck auf arbeitslose Personen erhöht werden, "sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen". Zudem sollen die Mitwirkungspflichten der Bürgergeldempfänger verschärft und Sanktionen einfacher umgesetzt werden. Auch der Vermittlungsvorrang soll zurückkehren, der die Aufnahme von Jobs beschleunigen soll.

Doch weitere konkrete Maßnahmen fehlen. Im linken Flügel der SPD pocht man zudem darauf, dass der Kern des Bürgergeldes erhalten bleibe. Ob die Union das ähnlich sieht, lässt sich zumindest bezweifeln. In Teilen von CDU und CSU gilt das Bürgergeld weiterhin als rotes Tuch, nicht wenige würden es am liebsten komplett abschaffen. Viel wird davon abhängen, wie die Reform im Detail aussieht und ob die drei Koalitionspartner sich darin wiederfinden. Eine neue Debatte um das Bürgergeld scheint vorprogrammiert. Ob Bärbel Bas sie besser meistert als ihr Vorgänger Hubertus Heil, muss sich noch zeigen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Sarah Philipp
  • Gespräch mit Mahmut Özdemir

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