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Verfahren steht: Wer könnte die SPD aus dem Tal führen?


Chef(s) gesucht
Wer will die SPD aus der Krise führen?

dpa, Theresa Münch und Basil Wegener

Aktualisiert am 24.06.2019Lesedauer: 4 Min.
Manuela Schwesig (l), Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer: Die kommissarischen Parteivorsitzenden der SPD treten im Willy-Brandt-Haus vor die Presse.Vergrößern des Bildes
Manuela Schwesig (l), Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer: Die kommissarischen Parteivorsitzenden der SPD treten im Willy-Brandt-Haus vor die Presse. (Quelle: Annegret Hilse/Reuters-bilder)

Wahldebakel, Rücktritt der Chefin und miserable Umfragen – der SPD geht es schlecht. Mit der Wahl der neuen Parteispitze will sie Aufbruchstimmung erzeugen. Doch noch fehlen die Hoffnungsträger.

Alles möglich – nichts sicher: Die SPD betritt bei der Wahl ihres neuen Vorsitzes völliges Neuland und sucht damit einen Weg aus der Krise. Stunden über Stunden beraten die Spitzengremien der Sozialdemokraten Szenarien.

Am Ende steht das kommissarische Führungstrio Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag im Willy-Brandt-Haus, und Schwesig sagt, "dass wir sehr stolz darauf sind, dass – nachdem wir lange unsere Köpfe haben rauchen lassen – es jetzt ein einfaches und transparentes Verfahren gibt". Doch was heißt schon einfach?

Für Möglichkeit der Doppelsitze entschieden

In mehreren Stufen will die Partei das Amt vergeben, das Ex-Parteichef Franz Müntefering einmal "das schönste Amt neben dem Papst" nannte. Bis zum 1. September, zufällig der Tag, an dem die SPD in Brandenburg und Sachsen neue Wahlschlappen befürchten muss, sollen sich Bewerber melden. Und zwar möglichst Zweierteams, lässt die Führungsriege durchblicken.

"Wir haben uns für die Möglichkeit der Doppelspitze klar entschieden", sagt Dreyer. "Wir wissen, dass das kein Allheilmittel gegen schlechte Umfragewerte ist, aber die SPD braucht sehr viel Kraft und dazu muss es eben auch möglich sein, dass sich zwei die große Aufgabe teilen." Nicht durchsetzen konnten sich Skeptiker wie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, der meinte, die SPD habe im Moment genügend Baustellen: "Eine überzeugende Frau, ein überzeugender Mann wäre mir im Augenblick lieber."

Nichtmitglieder dürfen nicht abstimmen

Doch auch Einzelbewerber sollen sich aufstellen lassen können, wenn sie genug Unterstützung vorzuweisen haben. Dann sollen Regionalkonferenzen folgen, und zwar gleich 20 bis 30 und nicht acht wie vor der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer bei der CDU 2018. Schließlich wolle man die Partei breit einbeziehen, erläutert Schäfer-Gümbel. Die Mitglieder sollen als nächstes das Wort haben – online oder per Briefwahl.

Am 26. Oktober soll das Ergebnis feststehen – es sei denn, kein Duo oder Einzelkämpfer bekommt mehr als die Hälfte der Stimmen. Dann müssen alle nochmal ran – und zwischen den zwei Bestplatzierten wählen, egal ob Zweierteam oder Einzelbewerber. Nur vor der Idee, auch Nichtmitglieder, etwa gegen eine Gebühr, mitentscheiden zu lassen, nahm man Abstand. Der Parteitag am 6. bis 8. Dezember soll das Ergebnis dann nur noch bestätigen.

Neues Interesse an Partei wecken

Die SPD sucht händeringend ein Rezept, das der einst stolzen Partei zumindest ein bisschen Hoffnung macht. Denn in Umfragen ist sie auf 12 bis 14 Prozent abgerutscht – nach der 15,8-Prozent-Pleite bei der Europawahl. Nun soll mit dem aufwendigen Verfahren neues Interesse an einer Partei geweckt werden, die viele zuletzt eher mit mühseliger Regierungsarbeit und Machterhalt, mit althergebrachten Ortsvereinssitzungen und Konzepten mit vielen Spiegelstrichen in Verbindung gebracht haben.

"Wichtig ist es, dass es jetzt ein Fest der innerparteilichen Demokratie wird, dass die Mitglieder endlich eng einbezogen werden, dass es eine gute Auswahl geben wird aus vielen guten Kandidatinnen und Kandidaten", sagt der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Sebastian Hartmann. Doch ob die Euphorie berechtigt ist?

Giffey und Schwan im Gespräch

Erstmal müssen sich nun ausreichend und ausreichend attraktive Bewerber melden. Noch hat sich kaum jemand für das heikle Amt aufgedrängt. Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümbel haben bereits abgewunken. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil hat immer mal wiederholt, wie wohl er sich in Hannover fühlt. "Das ist nicht ein Restposten, der irgendwo auf Rudis Resterampe zu vergeben ist", mahnt Schwesig. Nebenher sei es nicht zu stemmen. Dennoch – das Schaulaufen der Kandidaten könnte bunter werden als bisher absehbar.

Zuletzt wurde öfter der Name von Familienministerin Franziska Giffey genannt. Äußerungen in Interviews wurden als indirekte Bewerbung verstanden – Bauch und Herz der Menschen solle der Vorsitz erreichen. Die ehemalige Kandidatin für das Bundespräsidenten-Amt, Gesine Schwan, traut sich nach eigenem Bekunden zu, auch junge Leute anzusprechen – das sagte die 76-Jährige in einem Interview.

Vertreter der kommunalen Ebene gewünscht

Ambitionen werden auch Generalsekretär Lars Klingbeil nachgesagt. Manche setzen Hoffnung auf Erneuerung auch in Juso-Chef Kevin Kühnert – andere schütteln dabei nur ungläubig den Kopf. Und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig wünscht sich als Bewerber Vertreter der kommunalen Ebene, wo SPD-Politiker auch in jüngster Zeit immer noch Erfolge verbuchen können.

Nun ist es an möglichen Bewerbern, sich zu sortieren. Wer passt zu wem als Spitzenduo? Frau und Mann, Ost und West könnten gut zusammengehen. Von allzu viel Proporz halte er allerdings gar nichts, sagt Fraktionsvize Karl Lauterbach, als er vorzeitig die Vorstandssitzung verlässt. Passen könnten etwa Giffey, die Ostfrau mit dem Kümmerer-Image, und Weil, Westmann mit Wirtschaftsprofil.

"Sie müssen Orientierung geben"

Schäfer-Gümbel meint, Führungsleute müssten sammeln können – "und sie müssen am Ende auch Orientierung geben". Doch können sie Orientierung geben in der Frage, die neben dem Personal der SPD derzeit wohl am heißesten auf den Nägeln brennt?


In der Frage, ob sie in der Groko weitermachen wollen, sind die Sozialdemokraten gespalten. Auf dem Konvent im Dezember soll nun auch noch Halbzeitbilanz gezogen werden – wie genau blieb vorerst offen. Aber gut wäre es schon, wenn die neue Parteispitze auch für die Entscheidung pro oder contra GroKo stehen würde.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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