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AfD: Wird die Beobachtung des "Flügels" zur Zerreißprobe für die Partei?


Nach Entscheid des Verfassungsschutzes
Wird die Beobachtung des "Flügels" zur Zerreißprobe für die AfD?

dpa, Anne-Béatrice Clasmann

12.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Björn Höcke und sein "Flügel": Die politische Gruppierung innerhalb der AfD ist für den Verfassungsschutz offiziell ein Beobachtungsfall.Vergrößern des BildesBjörn Höcke und sein "Flügel": Die politische Gruppierung innerhalb der AfD ist für den Verfassungsschutz offiziell ein Beobachtungsfall. (Quelle: Martin Schutt/dpa-bilder)
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Der Verfassungsschutz hat entschieden: Der "Flügel" der AfD rund um Björn Höcke ist rechtsextrem. Wer gehört noch zu dieser Gruppierung und wie viel Macht hat diese Strömung innerhalb der Partei?

Kritische Mahner oder geistige Brandstifter? Zumindest für eine Strömung der AfD hat der Verfassungsschutz diese Frage jetzt klar beantwortet: Der "Flügel" ist rechtsextrem, wurde durch den Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Nun steigt der Druck innerhalb der AfD.

Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz dürfte die schon seit Jahren andauernden Richtungskämpfe in der Partei zusätzlich anheizen. Zwar gibt es keine AfD-Funktionäre, die öffentlich sagen würden, dass sie die Einschätzung des Nachrichtendienstes für richtig halten. Kritik an radikalen Äußerungen aus den Reihen des "Flügels" und an dem "Personenkult" um seinen Gründer Björn Höcke war zuletzt jedoch mehrfach auch aus der Partei zu hören.

Der "Flügel" hat für solche internen Kritiker einen Begriff: "Feindzeugen". Welche Strömung am Ende die Oberhand gewinnen wird und ob die AfD womöglich auseinanderfällt, ist jetzt noch nicht abzusehen.

Gesamtpartei muss sich vom "Flügel" lösen

"Die Beobachtung des 'Flügels' ist richtig", sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. In der Vergangenheit habe sich immer wieder gezeigt, dass dieser Teil der AfD "außerhalb des demokratischen Grundkonsenses steht". Die Gesamtpartei AfD müsse sich jetzt klar und eindeutig von diesen Mitgliedern lösen. "Tut sie dies nicht, stellen sich weitere Fragen im Hinblick auf die AfD insgesamt."

Würde sich die AfD entscheiden, einen solchen Prozess tatsächlich in Gang zu setzen, könnte dies für die Partei zumindest in einigen Bundesländern zu einem erheblichen Wählerverlust führen. Ob sie im Gegenzug mehr enttäuschte Konservative hinzugewinnen würde, ist ungewiss. Vor allem falls sich die CDU für Friedrich Merz als neuen Parteichef entscheiden sollte, der mit seinen Positionen womöglich auch einige Rechtskonservative und Wirtschaftsliberale gewinnen könnte.

Die Beobachtung des "Flügels" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sei "sachlich unbegründet und rein politisch motiviert", sagt Andreas Kalbitz. Der Landes- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg gilt neben Höcke als wichtigste Führungsperson des "Flügels". Er sagt: "Wenn der politische Gegner gleichzeitig hofft, so einen Spaltpilz in die AfD zu tragen, wird dies keinen Erfolg haben."

Gründung des "Flügels" im Sommer 2015

Der "Flügel" kennt keine formale Mitgliedschaft. Als Höcke die Plattform im Sommer 2015 als Gegenbewegung zum Kurs des damaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke gründete, veröffentlichte er die sogenannte Erfurter Erklärung. Diese Erklärung wurde damals hauptsächlich von den Rechtsaußen-Kräften in der Partei unterzeichnet. Doch auch einige Parteimitglieder, die damals gegen Lucke waren, sich aber heute nicht unbedingt beim "Flügel" einsortieren würden, machten mit.

Ein zweites Indiz dafür, wer dazugehört und wer nicht, sind die sogenannten Kyffhäusertreffen, bei denen sich die "Flügel"-Anhänger einmal im Jahr versammeln. Da werden Fahnen geschwenkt, Höcke wird bei diesen Treffen wie ein Popstar gefeiert. An dieser Veranstaltung haben in der Vergangenheit auch AfD-Politiker teilgenommen, die sich selbst nicht dem "Flügel" zurechnen. Im vergangenen Sommer lud der "Flügel" Ellen Kositza, die Ehefrau des neu-rechten Verlegers Götz Kubitschek, als Gastrednerin ein. In Kubitscheks "Institut für Staatspolitik" in Schnellroda fand vor wenigen Tagen ein Treffen von "Flügel"-Mitgliedern aus Sachsen-Anhalt statt.

Das Institut ist auch für die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung ein Bezugspunkt. Auch diese Kontakte sind Teil dessen, was Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang als neue "Vernetzung" im Bereich Rechtsextremismus wahrnimmt.

Pazderski fordert Offenlegung

Georg Pazderski, Fraktionsvorsitzender der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, wünscht sich klare Trennlinien. Zwar glaubt auch er an eine "Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes" im politischen Kampf gegen die AfD. Er fordert aber gleichzeitig, "dass der 'Flügel' offenlegt, wer zu ihm gehört". Denn so "schützt er die Masse der AfD-Mitglieder, die mit dem 'Flügel' nichts zu tun haben, vor der Bespitzelung durch den Geheimdienst und kann für jedes seiner Mitglieder individuell nachvollziehbar erklären, dass es absolut verfassungstreu ist".

Was die AfD-Funktionäre bei diesem Thema allerdings oft ausblenden, ist die messbar gewachsene Gefahr, die von gewaltbereiten Rechtsextremisten ausgeht. Von Menschen wie dem mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Von dem antisemitischen Terroristen, der in Halle ein Blutbad in einer Synagoge plante und dann zwei Menschen erschoss. Von dem Rassisten, der in Hanau im Wahn gezielt Menschen mit ausländischen Wurzeln tötete. Oder von Gruppen wie "Revolution Chemnitz" und der Gruppe um Werner S., die verheerende Anschläge geplant haben sollen.

"Geistige Brandstifter schüren gezielt Feindbilder"

Die AfD-Vertreter sind der Meinung, mit all dem habe ihre Partei rein gar nichts zu tun. Das sieht der Verfassungsschutz anders. "Geistige Brandstifter schüren gezielt Feindbilder", warnt BfV-Chef Haldenwang. Rechtsextremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus sickerten in die alltägliche Wahrnehmung ein, "aus diesem Nährboden erwachsen allzu oft auch Gewalttaten", fügt er hinzu. Gezielte sprachliche Grenzverschiebungen führten dazu, dass aus der Provokation von gestern schnell die Normalität von heute werde.

"Dies ist eine Warnung an alle Feinde der Demokratie", sagt Haldenwang, als er in Berlin vor die Presse tritt, um die neue Einstufung des "Flügels" durch das Bundesamt zu erklären. Für manche mag das wie eine Drohung klingen. Für andere ist es vielleicht ein Weckruf. Besonders genau dürften diejenigen "Flügel"-Anhänger zugehört haben, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Denn ihre Verfassungstreue wird jetzt genauer unter die Lupe genommen werden. Zwei AfD-Bundestagsabgeordnete, Lars Herrmann und Verena Hartmann, haben die Fraktion in den vergangenen Monaten verlassen. Beide waren früher im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen.

Auch wenn die Zahl der Beamten in der AfD nicht bekannt ist: in der Mitgliedschaft verschiebt sich etwas. Die Partei hat im vergangenen Jahr etwa 5.600 Mitglieder neu aufgenommen. Gleichzeitig verlor sie rund 4.000 Mitglieder. Damit hatte sie Anfang 2020 Jahres etwas über 35.100 Anhänger.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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