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Tagesanbruch: Syrien ist der Spielball skrupelloser Machtpolitiker geworden


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 08.01.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
John Bolton und Donald Trump.Vergrößern des Bildes
John Bolton und Donald Trump. (Quelle: Shealah Craighead/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Das Jahr ist noch jung, der politische Betrieb kommt erst langsam wieder in Gang. Wie wenig in Berlin noch los ist, zeigt sich an der Gewichtung der Themen, die gestern für Schlagzeilen sorgten: Herr Scholz von der SPD findet, dass er einen guten Kanzler abgäbe. Nun rätseln viele seiner Genossen, ob der gute Mann a) gelegentlich mal einen Blick auf Umfragen wirft und b) noch ganz bei Trost ist. Herr Habeck von den Grünen hat sich in einem Video ungeschickt geäußert, findet deshalb nun Twitter und Facebook doof und will für immer und ewig darauf verzichten. Nun rätseln seine Parteifreunde, ob er das a) vier oder b) eher nur drei Wochen durchhält. Herr Seehofer von der CSU wiederum findet für die Aufklärung des Hackerangriffs viel, viel Zeit, aber bisher wenig, wenig Antworten. Das finden Abgeordnete von a) Linken, b) FDP, c) SPD, d) Grünen und e) auch alle möglichen anderen Leute doof.

Diese schiere Übermacht ist Grund genug, heute mal eine Lanze für Herrn Seehofer zu brechen. Natürlich können wir vom Innenminister und dem ihm unterstellten Bundesamt für IT-Sicherheit erwarten, dass sie sich für die Datensicherheit ein Bein ausreißen. Aber dass es Hacker in Deutschland so leicht haben, liegt erstens an unserer eigenen Sorglosigkeit (da fällt mir ein, ich wollte meine Passwörter noch ändern!) und zweitens an der Sorg- und wohl auch Ahnungslosigkeit der Gesetzgeber. Unser Kriminalreporter Dietmar Seher hat das Problem gestern präzise seziert: "Der Staat steht Cyberattacken vielfach völlig hilflos gegenüber", schreibt er. "Die deutschen Strafgesetze halten mit der Digitalisierung der Gesellschaft nicht mit. Die Strafhöhen von digitaler und analoger Kriminalität klaffen weit auseinander. Ertappte Hacker gehen meist straffrei aus oder Angriffe werden als 'Bagatelldelikte' bestraft." Er zitiert einen hessischen Strafrechtsexperten, der sagt: "Derzeit sind Fahrräder besser geschützt als Smartphones oder Tablets mit persönlichen Daten."

Solange die Regierungsparteien dieses Problem a) nicht anerkennen und b) nicht lösen, werden wir wohl noch viele Hackerangriffe erleben. Das finde wohl nicht nur ich dann doof.

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Gestern schrieb ich an dieser Stelle über einen Report amerikanischer Regierungsberater, die sieben globale Risiken auflisten. Ein Tagesanbruch-Leser aus Bielefeld schickte mir daraufhin eine längere E-Mail, in der er sich gegen "solchen Alarmismus" verwahrte – und die "vielen Verbesserungen der Lebensumstände" auflistete, "die in den letzten Jahrzehnten erreicht worden sind". Ich zitiere:

  • Noch nie waren Reichtum und Wohlstand größer und der Anteil der Menschen in absoluter Armut so niedrig.
  • Noch nie in der Geschichte lebten die Menschen so lange.
  • Noch nie waren die Menschen so gesund.
  • Noch nie war die medizinische Versorgung besser.
  • Noch nie verfügten Menschen über so wirksame Medikamente.
  • Noch nie waren die Menschen besser informiert, noch nie besser gebildet.
  • Noch nie war der Anteil von Analphabeten so gering.

Was soll ich sagen? Selbstverständlich hat dieser geschätzte Leser recht. Genauso wie die amerikanischen Regierungsberater recht haben. Umwälzungen wie die Klimakrise, das Wachstum der Weltbevölkerung oder die digitale Revolution verändern unseren Planeten grundlegend – trotzdem haben die meisten Menschen heute ein besseres Leben als jene in früheren Jahrhunderten. Es kommt eben immer auf die Perspektive an, ob man das Glas halb voll oder halb leer sieht. Ich schließe mich heute einfach mal meinem Leser aus Bielefeld an und sehe es halb voll. Fühlt sich gut an.

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WAS STEHT AN?

Apropos Klima: Schon bemerkenswert, diese Schneemassen in Süddeutschland und Österreich. Auch heute sind Räumdienste, Bergwachten und Sanitäter im Dauereinsatz, um zu helfen. Ein ganzes Skigebiet wurde gestern in unserem Nachbarland evakuiert, andernorts bargen Rettungskräfte mehrere Lawinenopfer – tot. Für heute warnt der Wetterdienst vor einem Verkehrschaos in Sachsen. Meine Kollegen halten Sie in unserem Newsblog auf dem Laufenden. Trotz aller Unglücke und Beeinträchtigungen sollten wir aber erstens auf Überschriften wie "Schneewalze rollt über Deutschland" und ähnliche Phrasen verzichten, die nun durch den Medienchor dröhnen. Und zweitens nicht vergessen, wie schön der Winter sein kann. So schön zum Beispiel:

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Mit seiner Ankündigung, die amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen, hat Donald Trump Freund und Feind überrascht. Seine eigenen Leute sind ob der einsamen Entscheidung ihres Bosses so aufgeschreckt, dass sie nun hektisch versuchen, die Umsetzung so lange wie möglich hinauszuzögern. Sogar der beflissene Sicherheitsberater John Bolton hält sie für falsch. Heute versucht er gemeinsam mit Außenminister Pompeo, die Politik seines Chefs in Ankara dem türkischen Chef Erdogan zu erklären. Der versteht sie zwar auch nicht, fand sie aber gut, weil er dann endlich die Kurden niederkartätschen kann. Das wiederum findet Herr Bolton nicht so gut, weil wer weiß, vielleicht braucht man die bisherigen Verbündeten irgendwann noch mal.

Bevor Sie jetzt denken, ich formulierte zu zynisch: Genauso verhält es sich gerade in der Syrienpolitik. Und die Interessen der Chefs Assad, Putin, Rohani und Netanjahu sind auch keinen Deut weniger zynisch. Das Land ist zu einem Spielball skrupelloser Machtpolitiker geworden. Die Folgen tragen die Zivilisten.

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In Bremen wird die Polizei heute mit Hochdruck nach den Tätern fahnden, die den AfD-Landesvorsitzenden Frank Magnitz gestern Abend auf dem Rückweg von einem Neujahrsempfang angegriffen und schwer verletzt haben. Drei vermummte Personen sollen ihn mit einem Kantholz bewusstlos geschlagen und ihm, als er am Boden lag, gegen den Kopf getreten haben. Eine abscheuliche Tat, die hoffentlich geahndet wird.

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Auf der anderen Seite des Ärmelkanals bereitet man sich auf das Schlimmste vor. Gestern startete die britische Regierung eine Übung für den Fall des ungeregelten Brexits und ließ nahe des Hafens von Dover Dutzende Lastwagen auffahren. Sie sollten den Fall plötzlicher Grenzkontrollen zwischen der EU und der Insel simulieren. Heute beginnt das Parlament in London wieder mit seinen Debatten über den EU-Austritt. Es ist nicht zu erwarten, dass dabei etwas Konstruktives herauskommt: Die Abgeordneten sind quer durch die Parteien völlig zerstritten. Und wenn sie dann am Dienstag kommender Woche über den Brexit-Plan von Premierministerin May abstimmen, wird das Chaos wohl komplett sein.

Falls Sie den Tagesanbruch schon ein Weilchen lesen, wissen Sie ja, was ich vom Brexit halte. Also auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Welch ein Wahnsinn!

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In Tokio wird Renault-Chef Carlos Ghosn heute zum ersten Mal seit seiner Festnahme vor Gericht erscheinen. Er will persönlich den Grund für seine Untersuchungshaft erfragen. Gründe scheint es allerdings einige zu geben.

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Vom ultrahochauflösenden Smart TV bis zum selbstfahrenden Auto: Was auch immer uns an technischen Beglückungen in der Zukunft erwartet – in Las Vegas sieht man es zuerst. Dort beginnt heute die Consumer Electronics Show, die größte Unterhaltungselektronikmesse der Welt. Meine Kollegin Laura Stresing ist vor Ort, um für Sie über die erstaunlichsten Geräte zu berichten. Eines ist ihr sofort aufgefallen: Fast keine Produktbeschreibung kommt ohne das Schlagwort "Künstliche Intelligenz" aus. Den Jubelmeldungen der Hersteller zufolge sind künftig nicht nur Autos und Fernseher "smart", sondern auch Geldbörsen, Rucksäcke, Fleischspieße, Spiegel, Duschen und – taddaa! – Toilettensitze. Wir dürfen uns also darauf freuen, uns künftig mit Klobrillen zu unterhalten. Wenn Sie jetzt unken: Na, darauf hat die Welt gewartet, dann gebe ich zu bedenken: Das wird erst der Anfang der schönen neuen Netzwelt sein.

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WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Falls Sie gestern Abend eines der dritten Fernsehprogramme eingeschaltet und den ersten Teil des Spielfilms "Holocaust" gesehen haben, interessiert sie vielleicht dieser Artikel aus der "Süddeutschen Zeitung", der die Rolle der 1979 erstmals hierzulande ausgestrahlten Serie für die deutsche Vergangenheitsaufarbeitung diskutiert. Falls Sie den Film nicht gesehen haben, empfehle ich Ihnen, den Artikel trotzdem zu lesen. Und die Folge dann in der ARD-Mediathek anzusehen. Die weiteren Teile sind in den kommenden Tagen abrufbar.

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Der Fall Ribéry nimmt kein Ende. Der FC Bayern hat dem Franzosen für dessen Schimpftirade eine "hohe Geldstrafe" aufgebrummt – und dafür ordentlich Kritik geerntet. Eine Geldstrafe sei noch viel zu gering, finden auch viele t-online.de-Leser, wie meine Kollegin Charlotte Janus dokumentiert. Wäre also ein Rauswurf angebracht gewesen? Auf keinen Fall, meint unser Kolumnist Stefan Effenberg. Der ehemalige Bayern-Kapitän, selbst ein Mann deutlicher Worte, erklärt, warum er das Strafmaß für angemessen hält – und warum der FC Bayern trotzdem einen Fehler gemacht hat.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Dass ich so wunderbare Leserinnen und Leser habe, die mir jeden Tag nette E-Mails schicken, das freut und amüsiert mich sehr. Und dass mir manche von ihnen auch mal einen Hinweis auf ein Schmankerl schicken. So wie die Leserin, die mir dieses Video weiterleitete. Es ist nur eine halbe Minute kurz, aber es zeigt, was die Haarzellen in unseren Ohren tun, wenn wir richtig gute Musik hören. Ja, was wohl? Sie grooven!

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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