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Nach den Landtagswahlen in RLP und BW: Nichts scheint mehr sicher


Nichts scheint mehr sicher

Von Sven Böll

Aktualisiert am 15.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Kanzleramt in Berlin: Wer hier ab Herbst sitzt, ist völlig offen.Vergrößern des Bildes
Kanzleramt in Berlin: Wer hier ab Herbst sitzt, ist völlig offen. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute kommentiere ich, Sven Böll, für Sie die Themen des Tages.

WAS WAR?

Wahlergebnisse entfalten ihre Bedeutung meistens erst, wenn man sie in einem historischen Kontext betrachtet: Die CDU hat am Sonntag nicht irgendwo ihre jeweils schlechtesten Resultate erzielt, sondern in zwei Bundesländern, in denen sie zusammengerechnet rund 100 Jahre die Ministerpräsidenten stellte und lange sogar mit absoluten Mehrheiten regierte.

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Nun reicht es in Rheinland-Pfalz zum siebten Mal in Folge nicht fürs Regieren, in Baden-Württemberg zum dritten Mal. Dass die CDU inzwischen in beiden Ländern eine Rund-25-Prozent-Partei ist, hat auch mit dem jüngsten Absturz der Union in den Umfragen auf Bundesebene zu tun.

Und trotzdem: Auch Landtagswahlen sind Momentaufnahmen.

Natürlich kann sich die Situation für CDU und CSU im Bund bis zur Wahl im Herbst auch wieder bessern. Wenn, ja wenn die Union aus der Maskenaffäre tatsächlich rasch umfangreiche Konsequenzen zieht und die Impfkampagne in Deutschland ab April wirklich Fahrt aufnimmt. Gut möglich, dass sie dann bald doch noch als erfolgreiche Pandemie-Bekämpferin dasteht, die sich entgegen der Vorurteile mehr um das Wohl des Volkes als das eigene kümmert.

Allerdings ist das – zumindest derzeit – nicht mehr unbedingt das wahrscheinlichste Szenario.

Denn das Impfchaos und der Maskenskandal zertrümmern den Markenkern. Das gilt für die CSU, aber vor allem auch die CDU. Das Programm der Union war noch nie besonders wichtig. Ihre Botschaft an die Wähler lautete vielmehr: Wir haben alles im Griff, weil wir niemandem Experimente zumuten, das Regierungshandwerk beherrschen und anständig sind.

Im Moment funktioniert aber weder der Staat so, wie er sollte (Impfen, Testen). Noch verhalten sich eigene (inzwischen ehemalige) Fraktionsmitglieder so, wie sie es sollten (Masken, Aserbaidschan).

CDU und CSU haben irgendwie nichts im Griff außer ihren Geldbeutel – das denken derzeit nicht ganz so wenige Menschen.

Der Eindruck mag ungerecht sein, entfaltet aber umso mehr seine verheerende Wirkung. Deshalb könnte das, was wir gerade erleben, durchaus auch in einem halben Jahr noch Spuren hinterlassen. Also dann, wenn die Bundestagswahl ansteht.

Trotz allem ist es noch immer am wahrscheinlichsten, dass die Union am 26. September erneut die stärkste Kraft im Bundestag wird. Dafür braucht es nicht wie früher mehr als 40 Prozent, es reichen angesichts des zersplitterten Parteienspektrums im Zweifel sogar um die 25 Prozent.

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Was allerdings – anders als vor wenigen Wochen – nicht mehr sicher scheint: dass die Union zwangsläufig den Kanzler stellt.

Man sollte Umfragen nicht überbewerten. Und schon gar nicht aus demoskopischen Erhebungen im März auf eine Wahl im September schließen.

Schließlich gilt mehr denn je: A week is a long time in politics.

Aber es ist interessant, wie vergleichsweise wenig politische Dynamik es braucht, um auch in Deutschland neue Mehrheiten jenseits der Union zu ermöglichen.

Damit ist nicht Rot-Rot-Grün gemeint. Auf dieses Experiment würden SPD und Grüne angesichts einer im Bund noch immer irrlichternden Linkspartei wahrscheinlich sogar verzichten, wenn es rechnerisch möglich wäre. Vom Wohl und Wehe von ein paar Verirrten wollen beide Parteien nicht abhängen. Und die Sehnsucht der Bürger nach einem solchen Bündnis hält sich angesichts der riesigen Herausforderungen in der Post-Corona-Zeit ebenfalls in engen Grenzen.

Doch eben jene Ampelkoalition, die in Rheinland-Pfalz bestätigt wurde und in Baden-Württemberg nun plausibel ist, rückt auch im Bund durchaus in den Bereich des Möglichen.

Zusammen kommen Grüne, SPD und FDP in Umfragen derzeit auf 42, 43 Prozent. Das heißt: Alle drei Parteien müssten nur ein wenig zulegen, um gemeinsam in die Nähe einer Mehrheit zu gelangen.

Die FDP könnte Enttäuschte aus dem Unionslager abgreifen, die der Meinung sind, CDU und CSU hätten in den 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel eben doch zu wenige Reformen angestoßen. Und SPD und Grüne könnten ein wenig bei der Linken wildern, weil es unter deren Anhängern nicht nur Utopisten gibt.

Profilierungspotenzial gäbe es in einem solchen Bündnis für jeden Partner genug: Die Grünen könnten etwa mit der Klimapolitik und dem Umbau der Industriegesellschaft punkten, die SPD mit der sozialen Abfederung des Wandels und die FDP mit mehr Tempo bei der Digitalisierung.

Am schwierigsten wäre ein solches Bündnis wohl für die Liberalen. Aber sie sind im Herbst voraussichtlich sehr kompromissbereit: Parteichef Christian Lindner kann sich nicht noch einmal die Chance zum Mitregieren entgehen lassen.

Dieses Szenario bedeutet im Übrigen nicht, dass dann automatisch die Grünen den Kanzler stellen, oder besser: die Kanzlerin (weil es danach aussieht, als würde Annalena Baerbock Spitzenkandidatin der Partei). Schließlich performen die Grünen in Umfragen meistens besser als an den Urnen.

Vielleicht sieht das Wahlergebnis am Ende so aus: SPD gut 18 Prozent, Grüne mehr als 17, FDP rund 12. Dann hieße der Kanzler wohl Olaf Scholz.

Wie gesagt: Es ist aus heutiger Sicht nicht der Ausgang, auf den man allzu viel Geld wetten sollte. Aber es ist ein denkbarer. Realistischer erscheint noch immer ein schwarz-grünes Bündnis oder eine Jamaika-Koalition.

Aber spätestens seit gestern Abend gilt mit Blick auf die Bundestagswahl eben auch: Jetzt ist alles möglich.


WAS STEHT AN?

Wenn sich heute Vormittag die Spitzengremien der Parteien treffen, wird die Stimmung bei den Grünen und der FDP ganz gut, bei der SPD tendenziell so lala (in Rheinland-Pfalz erfolgreich, in Baden-Württemberg nicht) und bei der CDU bescheiden sein. Im Anschluss an die Sitzungen wird es dann wohl das übliche Floskelfestival ("starkes Signal", "ermutigendes Ergebnis", "bitterer Tag") geben. Und natürlich werden alle Parteichefs ankündigen, die Ergebnisse in Ruhe zu analysieren und dann daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

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Der Stadtrat von Halle tagt am Nachmittag in nichtöffentlicher Sitzung. Zahlreiche Mitglieder wollen Oberbürgermeister Bernd Wiegand für drei Monate von den Dienstgeschäften befreien, weil er sich ihrer Ansicht nach durch seine vorzeitige Impfung für das Amt disqualifiziert hat. Sogar eine Abwahl steht im Raum. Dafür sind die Hürden allerdings hoch. Vielleicht bekommt Wiegand also bald das Etikett "Mit Impfung, aber ohne Job" verpasst.


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Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @SvenBoell

Mit Material von dpa.

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