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K-Frage: Markus Söder und die Zerstörung der CDU


Tagesanbruch
Die Zerstörung der CDU

MeinungVon Sven Böll

Aktualisiert am 17.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Beinahe beste Freunde: Armin Laschet und Markus Söder (2019)Vergrößern des Bildes
Beinahe beste Freunde: Armin Laschet und Markus Söder (2019) (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

erst einmal wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.

Weil ich ein höflicher Mensch bin, würde ich das auch Armin Laschet und Markus Söder gönnen. Aber ich fürchte, einer von beiden wird es spätestens am Montag in nicht allzu guter Erinnerung behalten. Und der andere rückblickend vielleicht ebenfalls nicht.

Schließlich erleben wir gerade nicht irgendeinen Machtkampf zwischen zwei Politikern, die sich beide für den besseren Kanzlerkandidaten der Union halten. Nein, wir sind Zeugen der drohenden Zerstörung der CDU. Unter anderem darüber habe ich mit meinem Kollegen Marc Krüger in unserem Podcast gesprochen. Hören Sie gern einmal rein.

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Was diese Zerstörung so besonders macht: Sie erfolgt nicht durch einen Videoblogger mit blauen Haaren. Nicht durch einen modernen Zeitgeist. Nicht durch irgendeinen charismatischen Gegner am rechten Rand vom Schlage einer Marine Le Pen. Sondern durch den Chef der sogenannten Schwesterpartei CSU höchstpersönlich.

Selbst wer in seinem Leben noch nie die Union gewählt hat, sollte die bizarr anmutenden innerfamiliären Konflikte dieser Woche nicht einfach schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Denn nach diesen unionsinternen Kriegstagen werden vermutlich dauerhaft Wunden bleiben, deren Krusten immer wieder aufbrechen.

Und es stellt sich die Frage: Was bleibt dann überhaupt noch übrig von der CDU, aber eben auch von der CSU? Schließlich behaupten beide Parteien ja nicht nur gern, solide zu regieren, sondern sehen sich auch als Hüter christlich-konservativer Werte wie Anstand und Nächstenliebe.

Die Antwort darauf sollte jeden interessieren, dem dieses Land nicht völlig egal ist.

Denn machen wir uns nichts vor: Die SPD ist längst keine Volkspartei mehr, ob die Grünen eine werden, ist offen. Die einzigen Organisationen in Deutschland, die dieses Label noch für sich in Anspruch nehmen können, sind CDU und CSU.

Eine Volkspartei ist allerdings ein kompliziertes Konstrukt. Ihr Charme besteht ja gerade darin, unterschiedliche Strömungen zu integrieren. Dafür braucht es aber irgendeine Art von Strukturen, in denen sich alle wiederfinden und Kompromisse schmieden. Und sei es ein Bundesvorstand mit mehreren Dutzend Teilnehmern wie bei der CDU.

Würde Markus Söder den Machtkampf gewinnen, müsste nicht nur Armin Laschet als Parteichef zurücktreten, um die letzten Reste an Selbstachtung zu bewahren. Dann wäre auch die komplette Parteispitze der CDU desavouiert.

Und was noch entscheidender ist: Ein Triumph von Markus Söder bedeutete den Sieg von "Wir hier unten" gegen "Ihr da oben".

Damit wäre auch die bisherige Organisation der Partei Geschichte. Ohne dass auch nur annähernd Klarheit herrschte, was sie ersetzen soll. Früher oder später würden sich weitere, noch größere Fragen stellen. Etwa: Funktioniert unser repräsentatives politisches System überhaupt noch?

Gegen die traditionellen politischen Führungsriegen sind – bei allen charakterlichen und inhaltlichen Differenzen – unter anderem Emmanuel Macron in Frankreich, Sebastian Kurz in Österreich und, ja, Donald Trump in den USA an die Macht gekommen. Für ein abschließendes Urteil, ob man sich so auch besser an der Macht hält, ist es noch zu früh. Was wir wissen: Trump ist abgewählt, Macron droht dieses Schicksal, und Kurz regiert eher ruckelig.

Man kann eine Entscheidung für Söder als Kanzlerkandidaten natürlich trotzdem für richtig halten, weil er – zumindest derzeit – der deutlich populärere Kandidat ist als Laschet und deshalb – Stand heute – wohl auch ein besseres Ergebnis für die Union erzielen könnte.

Man kann Söders Überrumpelungstaktik gegenüber der CDU natürlich auch für wegweisend halten, weil sie doch nur dem Prinzip seines großen Idols Franz Josef Strauß folgt. Der bereicherte seine nicht gerade kleine Zitatesammlung einst mit dem Satz: "Konservativ heißt, nicht nach hinten blicken, konservativ heißt, an der Spitze des Fortschritts marschieren."

Nur: Eine Entscheidung für Söder ohne massive Kollateralschäden hätte die Union vor Wochen fällen müssen. Nun würde sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der CDU, wie wir sie kannten, bedeuten.

Das Konrad-Adenauer-Haus läge dann wahrscheinlich in Trümmern. Zwar ist es gut möglich, dass der Inszenierungskünstler Söder es schafft, nach dem Vorbild des Berliner Stadtschlosses die Fassade der CDU-Zentrale mit Gerüst und bedruckter Plane rasch wieder glitzern zu lassen. Es ist aber genauso gut möglich, dass die künstliche Fassade sehr bald vom Wind des Wahlkampfs weggeweht wird – sei es aus internen Rachegelüsten oder durch geschickt agierende politische Gegner.

Angesichts dieses offenen Ausgangs möchte ich Sie mit den Worten eines bayerischen Philosophen ins Wochenende entlassen, der überall in Deutschland als anschlussfähig gilt:

"Schaun mer mal, dann sehn mer scho." (Franz Beckenbauer)

Abschließend noch ein Hinweis: Wenn Sie uns Ihre Meinung zum Podcast mitteilen möchten, erreichen Sie uns per E-Mail. Abonnieren Sie den Tagesanbruch gern kostenlos bei Spotify, Apple Podcasts, Deezer, Google Podcasts oder über die Sprachassistenten von Amazon.

Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
Twitter: @SvenBoell

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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