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Ukraine: Was macht Robert Habeck denn da schon wieder?


Tagesanbruch
Was macht der Habeck denn da schon wieder?

  • Johannes Bebermeier
MeinungVon Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 26.05.2021Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Robert Habeck: Der Grünen-Chef bei seinem Besuch in der Ukraine. Eine seiner Wortmeldungen hat mal wieder eine Debatte ausgelöst.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: Der Grünen-Chef bei seinem Besuch in der Ukraine. Eine seiner Wortmeldungen hat mal wieder eine Debatte ausgelöst. (Quelle: Klaus Remme/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute kommentiere ich für Sie die Themen des Tages.

Wann Politik wirklich interessant wird

Ich freue mich, dass Sie sich heute Morgen für den Tagesanbruch entschieden haben. Sie hätten als politisch interessierter Leser ja zu Ihrem Kaffee auch in etwas anderem schmökern können. In einem 65-Seiten-Pamphlet namens "Aus Respekt vor deiner Zukunft" etwa, oder in 136 Seiten namens "Deutschland. Alles ist drin".

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Noch nie gehört, geschweige denn gelesen? Ich kann's Ihnen nicht verdenken. Das Erste ist das Wahlprogramm der SPD, das Zweite der Wahlprogrammentwurf der Grünen. Die Parteien haben verdammt viel Mühe in diese Texte investiert, doch sie werden bei einer übergroßen Mehrheit der Wähler kaum zur geschätzten Lektüre werden. Weder morgens noch sonst irgendwann.

Wahlprogramme sind für Parteien ein bisschen so wie AGB für Unternehmen: Sollte man schon haben, aber liest eben im Zweifel dann doch niemand.

Und die bei den Parteien nicht sonderlich populäre Wahrheit lautet: Das ist auch völlig okay so.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Politische Inhalte sind wichtig, wichtiger als die neueste Episode der politischen Operette, die Markus Söder derzeit gerne mit (oder besser gesagt gegen) Armin Laschet aufführt. Aber politische Inhalte sind eben viel mehr als das, was Parteien in Wahlprogramme schreiben. Manchmal sind sie auch etwas ganz anderes als Programme – wie sich in diesen Tagen mal wieder bei den Grünen und Robert Habeck zeigt.

Parteien schreiben Wahlprogramme vor allem, um sich ihrer Selbst – und damit ihrer politischen Ziele – zu vergewissern. Das ist ohne Frage wichtig, denn ohne Ziele bräuchte es keine Politik. Aber Ziele allein reichen eben längst nicht aus. Der Weg zum Ziel ist es, wo Politik wirklich spannend wird und sich auszeichnen muss.

Vom konkreten Weg aber haben viele Wahlprogramme nicht sonderlich viel zu erzählen. Und auch Politiker bleiben da oft im Ungefähren. Das führt mitunter zu absurden Situationen. Etwa, dass Politiker Journalisten zwar gerne vorwerfen, sich nicht sonderlich für Inhalte zu interessieren. Dieselben Politiker dann aber in Interviews bei konkreten inhaltlichen Fragen selbst oft ungern allzu konkret antworten.

Über hehre Irgendwann-Ziele zu sprechen ist eben schöner als über die Folgen für die Menschen im Hier und Jetzt. Vor allem, wenn die Konsequenzen für einige unangenehm sind.

Spannender als die Programme sind deshalb im Wahlkampf die Momente, in denen wolkige Programmatik auf die deutlich kompliziertere Wirklichkeit trifft. Denn an diesen Momenten kann man oft wesentlich besser ablesen, wie eine Partei in Regierungsverantwortung handeln würde.

Zu beobachten ist das in diesen Tagen an Robert Habeck und den Grünen. Der Parteichef reist gerade durch die Ukraine und hat sich nach einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht abgeneigt gezeigt, der Ukraine Waffen zur Verteidigung zu liefern. Die Ukraine fordert das schon länger vom Westen und die USA helfen auch längst.

Trotzdem ist Habecks Vorstoß aus mehreren Gründen bemerkenswert. Denn er spricht sich damit im Konkreten für etwas aus, das seine Partei als Ziel im Wahlprogrammentwurf verboten sehen will: Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete. Und Habeck geht damit sogar weiter, als es derzeit die schwarz-rote Bundesregierung praktiziert. Die exportiert quasi keine Rüstungsgüter in die Ukraine, eben weil sie ein Krisengebiet ist.

Auch bei den Grünen selbst sind natürlich nicht alle froh über den Vorstoß des Chefs, immerhin hat die Partei ihre Wurzeln in der Friedensbewegung. "Ich halte es nach wie vor für richtig, dass die Bundesregierung keine Waffen in Kriegsgebiete liefert", sagte Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Doch es gibt eben auch andere Stimmen. Dass man befreundeten Staaten wie der Ukraine die Fähigkeit zur Minenräumung nicht verweigern sollte, das findet der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour auch. "Da hat Robert Habeck einfach recht", schrieb er auf Twitter.

Man kann und muss noch vieles diskutieren an Habecks Vorstoß: Was sind eigentlich Defensivwaffen? Lassen sich nicht fast alle Waffen auch offensiv einsetzen? Heizen neue Waffen den Konflikt nicht zwangsläufig an? Aber eben auch: Was wäre die konkrete Alternative, die auch einen russischen Präsidenten Wladimir Putin beeindruckt und die der Ukraine Sicherheit gibt?

Und genau damit hat diese Debatte das Potenzial, viel mehr Klarheit über die konkreten Pläne der Parteien zu verraten als die vielen hehren Ziele in den Wahlprogrammen. Denn jetzt müssen nicht nur die Grünen, sondern auch die Wettbewerber konkret werden, um sich nicht unglaubwürdig zu machen.

Über die Grünen verrät der Vorstoß ganz nebenbei auch noch eine Menge: Etwa, dass die Parteispitze gerade unbedingt den Eindruck erzeugen will, zu einer pragmatischen Außen- und Sicherheitspolitik fähig zu sein. Denn die ist Voraussetzung für eine Regierungspartei, für eine Kanzlerinnenpartei sowieso. Aber es zeigt eben auch, dass pragmatische Regierungspolitik noch zu Verwerfungen bei den Grünen führen dürfte.


Ex-Papiertiger verlangt "bitteren Preis"

Es sind gewaltige Worte, die Heiko Maas am Dienstag wählte: "Jedem Diktator, der mit derlei Gedanken spielt, dem muss klar gemacht werden, dass es dafür einen bitteren Preis zu zahlen gibt." Der deutsche Außenminister sprach über den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, dessen Regierung am Sonntag de facto ein Flugzeug gekapert hatte, um den jungen Regierungskritiker und Journalisten Roman Protassewitsch festzunehmen.

Und tatsächlich haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU in ungewohnter Einigkeit auf eine Reaktion verständigt, die durchaus hart klingt: Alle Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden aufgefordert, Flüge über Belarus zu vermeiden. Zudem sollen die Staaten Überflüge belarussischer Airlines im EU-Luftraum und den Zugang zu den Flughäfen verhindern. Was konsequent umgesetzt bedeuten würde, dass Belarus vom Flugverkehr mit der EU abgeschnitten wird. Zudem soll es weitere Sanktionen gegen beteiligte Personen, aber auch gezielte Sanktionen gegen die Wirtschaft geben. Etwa gegen Unternehmen, die das Regime in Minsk finanzieren.

Wie sehr die persönlichen und wirtschaftlichen Sanktionen den Diktator treffen und überzeugen, ist ungewiss. Immerhin hat die EU seit den manipulierten Präsidentschaftswahlen 2020 schon 88 Personen auf ihrer Sanktionsliste, auch der Staatschef selbst ist darunter.

"Die Sanktionen werden Lukaschenko nicht beeindrucken", sagt Experte Jakob Wöllenstein deshalb im Interview mit meinem Kollegen David Schafbuch. "Aber man muss ihm auch klarmachen, dass er nicht machen kann, was er will. Die EU darf kein Papiertiger sein."

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Der Flugstopp ist definitiv mehr als das Mittel eines Papiertigers, zumindest wenn er tatsächlich Realität wird. Bislang landen belarussische Airlines zwar auch noch in Deutschland. Viele europäische Airlines halten sich aber schon jetzt an die Vorgaben und meiden Belarus, obwohl die Staats- und Regierungschef eigentlich bislang nur den Auftrag erteilt haben, die rechtliche Basis für den Stopp zu schaffen.

Solange Wladimir Putin die belarussische Regierung noch stützt, braucht es wohl tatsächlich mehr als die üblichen Sanktionen, damit Lukaschenko den von Heiko Maas erwähnten "bitteren Preis" zahlt. Der Flugstopp schadet zwar nun auch der belarussischen Opposition und unbeteiligten Bürgern. Angesichts der Tatsache, dass Lukaschenko ein Flugzeug mit einem Kampfjet zur Landung gezwungen hat, ist er aber für eine gewisse Zeit durchaus nachvollziehbar – schon zum Schutz anderer Fluggäste.

Und es geht im Falle der EU, die so gern eine außenpolitische Macht wäre, eben auch um Selbstachtung. Ein Papiertiger jedenfalls kann im Zweifel niemandem helfen.


Was lesen?

Geht alles glatt, wäre es eine Megafusion, wie sie der deutsche Immobilienmarkt noch nie gesehen hat: Im dritten Anlauf plant Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia das zweitgrößte, die Deutsche Wohnen, zu übernehmen. Gemeinsam würden sie mehr als eine halbe Million Wohnungen verwalten. Was das für die Mieter heißt, erklärt Ihnen mein Kollege Florian Schmidt hier – außerdem ordnet unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld den Deal ein. Weitere Hintergründe gibt es im Laufe des Tages bei t-online – unter anderem in einem Interview mit Vonovia-Chef Rolf Buch.


Die Nationalmannschaft hat einen neuen Trainer für die Zeit nach der EM: Hansi Flick. Welche Spieler sich Hoffnungen und welche sich Sorgen machen sollten, hat mein Kollege Benjamin Zurmühl analysiert. Und warum die Personalie trotz vieler offensichtlicher Vorteile auch einen Beigeschmack hat, kommentiert Florian Wichert.


Corona hat den Deutschen nicht nur lange Zeit den Kneipen-Spaß verdorben, sondern vielen Wirten auch die Existenz. Ein Berliner Kultwirt will trotz allem nicht aufgeben und hat seine gesamte Altersvorsorge in seine Bar gesteckt, damit sie überleben kann. "Corona hat mir meinen Ruhestand versaut", sagt Jürgen Villwock meiner Kollegin Nele Behrens, die den Gastronomen porträtiert hat.


Was amüsiert mich?

Wenn die Rückkehr ins Büro schwierig wird.

Morgen schreibt an dieser Stelle mein Kollege Steven Sowa für Sie.

Ihr

Johannes Bebermeier
Politischer Reporter
Twitter: @jbebermeier

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