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Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Bankrott mit Ankündigung


Tagesanbruch
Bankrott mit Ankündigung

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 08.02.2022Lesedauer: 5 Min.
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Markus Söder: Bayerns Ministerpräsident stellt sich quer.Vergrößern des Bildes
Markus Söder: Bayerns Ministerpräsident stellt sich quer. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Markus Söder war mal wieder der Erste: Bayerns Ministerpräsident stoppt die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eigentlich ab dem 15. März gelten sollte. Vorerst. Wie lange dieses "Vorerst" andauern soll, ist unklar. Die Rede ist auf jeden Fall von Monaten. Pfleger, Ärzte, Sanitäter, auch das Reinigungspersonal in Krankenhäusern und Heimen darf in Bayern also auf unbestimmte Zeit ungeimpft bleiben.

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Söder wendet sich damit gegen ein zentrales, bundesweites Vorhaben und bereitet den Weg für einen neuen Flickenteppich. Denn bei seinem Alleingang wird es vermutlich nicht bleiben.

Sachsen hat bereits angekündigt, dass es die Impfpflicht nicht flächendeckend umsetzen kann. Die Impfquote sei in manchen (unklar, wie vielen) Einrichtungen zu niedrig, zu viele Angestellte im medizinischen Bereich würden ausfallen, Betten müssten gestrichen oder Patienten unversorgt bleiben. Vor demselben Szenario warnen Verbände in Thüringen. Berlin hingegen kämpft wegen Omikron bereits mit massiven Ausfällen in der kritischen Infrastruktur. Auf noch mehr Angestellte zu verzichten, dürfte so leicht nicht sein. Und in vielen Bundesländern stemmen sich die ohnehin überarbeiteten Gesundheitsämter dagegen, die Impfpflicht mit all ihren Konsequenzen zu kontrollieren.

Bayerns Kapitulation legt also ein Problem offen, das sich nicht auf einzelne Länder beschränkt: Wahnsinnig gewollt war die Impfpflicht für spezielle Einrichtungen in der Politik Mitte Dezember, wahnsinnig schnell wurde sie in ein Gesetz gegossen – dann aber wurde sie wahnsinnig schlecht vorbereitet, alle Warnungen von Experten aus der Praxis ignoriert. Und dabei geht es um die wohl aufwendigste und bisher härteste Maßnahme in dieser Pandemie. Menschen sollen schließlich ihren Job verlieren, ihre Familien alle Sicherheiten, im sensibelsten Pandemiebereich überhaupt. Alle Probleme, die Söder jetzt formuliert, zeichneten sich dabei von Anfang an ab. Die vergangenen acht Wochen sind deswegen leider ein Lehrstück in der Frage: Wie kurzsichtig kann Politik eigentlich sein?

Absurd ist es vor diesem Hintergrund, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Söder nun ein "fatales Signal" vorwirft. Bayerns Schritt gefährde die Pflegebedürftigen in Heimen und Kliniken – und beschädige die Glaubwürdigkeit der Politik, so formuliert es der SPD-Politiker.

Natürlich ist Söders Kehrtwende fragwürdig, seine Motive immer auch von Parteipolitik bestimmt; aber man muss Lauterbach hier deutlich widersprechen: Bundes- wie Landespolitik gefährden mit einem unausgegorenen Gesetz gerade die Versorgung der Vulnerabelsten in der Gesellschaft – unglaubwürdig machen sich die Gesetzgeber so schon ganz allein.

Lauterbach muss jetzt aufräumen. Er kann Gesundheitsämter, Pflegeeinrichtungen und Kliniken nicht ausbaden lassen, was die Politik verdorben hat. Entweder findet man einen Weg, wie die Impfpflicht in Einrichtungen in allen Bundesländern gleichermaßen durchgesetzt werden kann – oder sie muss weg. Landesunterschiede würden eine Völkerwanderung von Ungeimpften auslösen und die ohnehin für viele nicht mehr verständliche Pandemiepolitik noch weiter zerrütten.

Ein deutlicher Warnschuss für die Zukunft ist das Problem obendrein. Schließlich soll bald auch die allgemeine Impfpflicht kommen, Abgeordnete bereiten sie im Bundestag gerade in fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppen vor. Sie könnte, besser ausgearbeitet, als Ersatz für die einrichtungsbezogene Impfpflicht taugen – dann gilt eben für alle gleichermaßen, was nun nur für bestimmte Berufe greifen soll. Dafür aber muss endlich die Realität, nicht Wunschdenken, Leitstern der Gesetzgeber sein. Denn ein schlechtes Gesetz ist schlimmer als gar keins.


Gute Nachricht

Seit Tagen wird Kanzler Olaf Scholz (SPD) hart kritisiert, weil er sich in den zentralen Problemfeldern Pandemie und Ukrainekonflikt in Zurückhaltung übt. Er hülle sich in einen Tarnumhang, wurde ihm vorgeworfen. Auf dem Weg in die USA griff Scholz nun zu einem anderen Kleidungsstück: einem grauen Pulli, leger, locker, kumpelig. Und die Kommentarspalten in den Medien explodierten: Ist das schön? Und für einen Kanzler auf brenzliger Mission überhaupt erlaubt? Die Diskussion läuft noch, Ausarbeitungen zur Flauschdiplomatie sind sicherlich in Arbeit. Wenn ein Pulli aber so leicht die Schlagzeilen kapert, kann es um Deutschlands Ansehen in der Welt nicht allzu schlecht bestellt sein.


Krisengespräche

Am Montagabend deutscher Zeit trat Kanzler Scholz – dieses Mal im Anzug – in Washington mit US-Präsident Joe Biden vor die Kameras. Demonstrativ übten die beiden beim Thema Ukraine nach Scholz‘ Antrittsbesuch den Schulterschluss: Man beteuerte sich Freundschaft, Respekt, Loyalität, Scholz wechselte für einige zentrale Sätze sogar in lupenreines Englisch. In Bezug auf die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 aber drohte nicht Scholz Putin explizit mit Sanktionen, sondern Biden: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiere, versprach der US-Präsident, "dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben". Meine Kollegen Bastian Brauns und Fabian Reinbold sezieren nicht nur diesen Auftritt, sondern Scholz' gesamte Reise in dieser Analyse.

Heute geht es weiter mit dem Krisen-Austausch über Grenzen: Scholz trifft in Berlin die Präsidenten Frankreichs und Polens, Emmanuel Macron und Andrzej Duda. Macron berät sich auch noch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besucht derweil die Frontlinie im Osten der Ukraine.


Impfen in Apotheken

Lange wurde es gefordert, nun ist es endlich so weit: Ab sofort kann auch in Apotheken geimpft werden. Zum Start ist die Bilanz noch schlecht: Von 18.500 Apotheken beteiligen sich zunächst nur 500. Branchenverbände gehen aber davon aus, dass in den kommenden Wochen weitere folgen. 1.000 Apotheken erfüllen aktuell alle Voraussetzungen zum Impfen, rund 6.000 Apotheker sind für die Impfungen geschult. Wo genau Spritzen gegen das Coronavirus gesetzt werden, soll man ab heute auf dieser Seite erfahren können.


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Redakteurin Politik
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Mit Material von dpa.

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