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Panzer für die Ukraine? Scholz' Abrams-Bedingung an USA – ein kluger Schritt


Keine Zusage für Kampfpanzer
Das gar nicht so blöde Nein von Scholz

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 24.01.2023Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz bei den Feierlichkeiten zum deutsch-französischen Freundschaftsvertrag in Paris: Der Kanzler bleibt in der Leopard-2-Frage stur. (Quelle: Benoit Tessier/Pool/Reuters)

Weil er keine Kampfpanzer an die Ukraine zusagen will, wird Olaf Scholz als dumm und stur bezeichnet. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Klar, kann so sein. Kann sein, dass Deutschland einen Bundeskanzler bekommen hat, der sich von allen anderen westlichen Staats- und Regierungschef durch folgende Eigenschaften unterscheidet: borniert, begriffsstutzig, vernagelt, stur, trotzig – und in seinem Blut immer noch Muttermilch-Rückstande der (seinerzeit richtigen) Ostpolitik Willy Brandts.

Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Bei allen kleinen Unzulänglichkeiten der Auslese in unserem politischen System: Niemand kommt mit diesem Mix aus Dummheit und Trotz ins Kanzleramt. Von einer gewissen Grundintelligenz darf bei deutschen Kanzlerinnen und Kanzlern grundsätzlich ausgegangen werden.

Plötzlich mit Ralf Stegner im Team Vorsicht

Was ist es also dann? Warum widersetzt sich Olaf Scholz länger als andere dem Ruf nach immer schwereren Waffen für die Ukraine in deren bald einjährigem Widerstand gegen den Aggressor Wladimir Putin und dessen Russland? Nach der Flugabwehr und dem mittelschweren Schützenpanzer Marder nun in der Frage schwerer Kampfpanzer. Kann es dafür auch günstigere Gründe geben als intellektuelle Minderbemittlung?

Vergangenen Mittwoch traf ich bei "Maischberger" Ralf Stegner von der SPD. Früher stimmte ich mit Stegner fast nie überein in politischen Fragen (was wir trotzdem immer gut ausgehalten haben, er ist ein anderer, viel zugewandterer Mensch, als es seine Miene im Fernsehen vermuten lässt). Nun befinde ich mich mit ihm, bei Nuancen und unterschiedlichen Schattierungen, im Team Vorsicht.

Bei "Maischberger" wird hinterher immer noch geplaudert am großen Stehtisch, über alle Gräben hinweg, die in der Sendung noch so unüberbrückbar aussahen. Da sagte Stegner dann, viel mehr noch als in der Sendung, dass Scholz nicht zuletzt die Stimmung in der Bevölkerung im Blick habe, wenn er sich bei der Bewaffnung der Ukraine nicht so an die Spitze der Bewegung stelle wie etwa Frau Strack-Zimmermann oder Toni Hofreiter.

Eine unsägliche Allianz

Hm. Es ist legitim für einen Bundeskanzler, den Wählerwillen in seine Überlegungen einbeziehen. Aber richtig große Kanzler haben in wichtigen Fragen, wenn sie überzeugt waren, das muss jetzt so sein, gegen die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für ihre Überzeugungen eingestanden und entschieden. Zuletzt Helmut Kohl und ja, auch Gerhard Schröder. Das Thema Ukraine spielt ohne Frage in der Kategorie, in der es geboten ist, nicht zu sehr auf die Stimmung im Land zu schauen. Sonst wird man in diesem Fall leicht Erfüllungsgehilfe einer unseligen Allianz aus westlichem Fundamental-Pazifismus und östlicher Russland-Verklärung.

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Zugunsten von Scholz nehmen wir an, dass ein anderes Motiv das vorherrschende ist, ein triftigeres: die Sorge um die Tragfähigkeit des politischen Eises bei zunehmender Belastung durch immer schwerere Waffen. Denn es gibt einen Krieg, der auf furchtbarste Weise auf dem Schlachtfeld der Ukraine geführt wird. In dem jeder Tag zählt, an dem militärische Hilfe in Form von Waffen früher kommt.

Dieser Krieg reicht aber weit über die Grenzen der Ukraine hinaus, nicht militärisch, Gott sei Dank, aber politisch. Die ganze Welt hat sich positioniert, der Westen und die meisten Demokratien auf diesem Globus auf Seiten der Ukraine und gegen Russland. Einige Länder haben sich in eine Äquidistanz begeben. Zuvorderst China. Und auf China kommt es entscheidend an. China ist das Schlüsselland und bisher Garant dafür, dass Putin nicht weiter eskalieren kann. Chinas Staatsführung duldet bisher diesen Krieg, hat aber zwei klare Linien gezogen. Erstens: keine atomare Eskalation. Zweitens: keine Ausweitung der Kampfzone über das Gebiet der Ukraine hinaus.

Jetzt kommt das Eis ins Spiel. Immer weiter haben sich die westlichen Verbündeten auf das Eis vorgewagt. Mit immer schwereren Waffen. In Deutschland von 5.000 (lächerlichen) Stahlhelmen bis zum Schützenpanzer Marder. Das Gehör muss fein sein, ob da ein Knacken im Eis zu vernehmen ist. Und man trampelt besser nicht elefantös drauflos. Sondern setzt die Schritte behutsam.

Mit jeder schwereren Waffe wird nicht nur Wladimir Putins Linie auf die Probe gestellt, was er als Kriegsgrund gegen die liefernde Nato begreifen könnte. Vor allem wird die Einhegung Russlands durch China auf eine neue Probe gestellt.

Mit dem Leopard könnte eine Linie überschritten sein

Und hier kommt jetzt der deutsche Kampfpanzer Leopard ins Spiel. Dieser Panzer hat nicht nur eine militärische Dimension. Er galt schon in seiner Basisversion als eines der besten, wenn nicht das beste Waffensystem dieser Art weltweit. Seither wurde seine Feuerkraft und Panzerung kontinuierlich verbessert und optimiert. Kampfwertgesteigert, wie die Fachleute sagen. Bis zur Version 2 A7.

Deshalb hat er nicht nur eine militärische Dimension. Sondern auch eine symbolische und politische. Es ist die deutsche Waffe schlechthin. Nur noch die berühmten Flüster-U-Boote aus deutscher Produktion reichen an diesen Mythos heran. Seinerzeit im Kosovo legte der damalige Heeresinspekteur Helmut Willmann großen Wert darauf, dass der Leopard 2 A5, die damals modernste Version, Teil der KFOR-Truppe wurde. Obwohl er militärisch überhaupt nicht geboten war und die Brücken ihn dort gar nicht trugen. Er flößte einfach Respekt ein.

Scholz weiß, dass sich Deutschland mit einer Zusage zur Leopard-Lieferung in die Ukraine exponiert. Weil es ein deutscher Panzer ist und weil deshalb auch (gemäß der Exportrichtlinien) alle polnischen und griechischen und sonstigen Nato-Leos von Deutschland für die Verschickung in die Ukraine genehmigt werden müssen.

Und deshalb ist es politisch klug, die USA zu bewegen, sich mit Abrams-Panzern an der Kampfpanzer-Ausstattung der Ukraine zu beteiligen. Ja, sie sind logistischer weiter weg (das gilt aber für das meiste militärische Material, das die USA liefert) und möglicherweise dem Leo nicht ganz ebenbürtig in ukrainischem Gelände. Zu durstig sind sie obendrein.

Aber das politische Signal ist dann: Die USA gehen mit eigenem Material diesen nächsten Schritt auf das Eis, gemeinsam mit den europäischen Verbündeten. Putin kann sich also nicht ein Land herauspicken und operativ-materiell hauptverantwortlich machen für die nächste Freigabe schwereren Geräts.

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Der britische Polit-Intellektuelle Timothy Garton Ash hat dieser Tage bei Twitter einen fingierten Lexikon-Eintrag veröffentlicht, in dem das Wort "scholzing" definiert wird. Es ist nicht unlustig, wie er das Winden des deutschen Kanzlers mit scheinbar lexikalischer Präzision beschreibt. Ein Schenkelklopfer, keine Frage.

Und keine Frage auch, dass Scholz oft zu maulfaul (oder unfähig) ist, die Dinge zu erklären, stattdessen in Stanzen um sie herumredet. Und doch stünde es jemandem von der Brillanz eines Timothy Garton Ash gut zu Gesicht, lieber einmal die intellektuelle Gegenprobe zu machen, als mit diesem Kalauer den bequemen Beifall der flacher Denkenden einzuheimsen.

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