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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Schwarz-Rot: Union regiert SPD an die Wand – das steckt dahinter


Kolumne "Einspruch!"
Die Union regiert die SPD an die Wand – warum ist das so?

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

12.06.2025 - 09:03 UhrLesedauer: 4 Min.
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Bundesminister für Inneres und Heimat, Alexander Dobrindt (CSU), Bundeskanzler Friedrich Merz, (CDU), Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU): Die Union regiert, die SPD schaut zu. (Quelle: IMAGO/Jens Schicke/imago)
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Die Union und ihr Kanzler legen los. Der SPD steht derweil vor Staunen noch der Mund offen. Der Grund für den Startvorsprung von CDU und CSU in Schwarz-Rot liegt in einer ganz neuen Konstellation.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber gut einen Monat nach dem Amtseid des Kanzlers habe ich den Eindruck, dass die Union deutlich besser als die SPD aus den Startblöcken gekommen ist. CDU und CSU legen gleich los, bei Migration, in der Außenpolitik, und der SPD fällt erst mal nur die Kinnlade runter. Aus dem offenstehenden Mund kommt nicht viel. Starres Staunen könnte man diesen Zustand nennen.

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Das ist auf den ersten Blick etwas verwunderlich, weil die Sozialdemokraten doch die Regierungserfahrenen sind, die anderen in beinahe kompletter Neuaufstellung die Nach-Merkel-Zeit im Kanzleramt begonnen haben.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef von t-online. Seit 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online erscheint jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!"

Erklärungsversuch 1: Die Genossen sind nicht so sortiert in diese Regierung gegangen, weil sie noch mit vielen Aufräumarbeiten vor allem personeller Art zu tun hatten. Lars Klingbeil, der Parteichef, hat es vermocht, die Problemfiguren Hubertus Heil und Saskia Esken von zwei Schlüsselpositionen abzuräumen. Das ist für die Dimension der Operation einigermaßen geräuschlos verlaufen. Hat aber Ressourcen gebunden. Kurz gesagt: Klingbeil musste in Rekordgeschwindigkeit diesen Umbau (selbst am Anfang nicht eben aus einer Position der Stärke heraus) vornehmen, die Scholz-SPD abwickeln und seine Formation hinstellen. Diese Vorarbeit hatte Friedrich Merz erfolgreich im Rest-Abriss der Merkel-Ruinen schon vollzogen.

Das reicht aber nicht hin als Erklärung für den Abstand, den Merz und die Seinen zwischen sich und den Koalitionspartner gebracht haben. Da ist jenseits dessen einmal das Tempo, das Merz an den Tag legt. Während Olaf Scholz sich eher wie ein Faultier bedächtig in den Ästen des Politischen bewegte, immer darauf bedacht, das Geäst nicht zu sehr in Erschütterung zu bringen, schwingt sich Merz wie Tarzan von einer Liane zur nächsten. Bewegung in den Baumkronen ausdrücklich erwünscht. Das Pensum, das der fast 70-Jährige dabei absolviert, ist beachtlich. Und er fordert dieses Tempo und diese Effizienz von allen. Wie zu hören ist, sind die Kabinettsitzungen höchstens halb so lang wie jene vorher bei Scholz. Machen ist besser als reden, das ist die Devise. Eine Devise, mit der sich die diskussionsfreudige SPD seit jeher schwerer tut als die Union.

Am Anfang war ein Irrtum

Der springende Punkt aber ist, dass fast alle politischen Beobachter, auch derjenige, der hier schreibt, bei der Kabinettsbildung einem Trugschluss erlegen sind. Was haben die Sozialdemokraten da bei ihrem anämischen Wahlergebnis inhaltlich und ministeriell rausgeholt!, das war der anerkennende Tenor. Sieben Ministerien bei nur etwas über 16 Prozent Wahlergebnis. Stark.

Auf dem Spielfeld sieht die Sache nun etwas anders aus. Es war zu billig, nur in der Anzahl von Köpfen zu denken. Die Situation erinnert mich an ein Spiel, das ich als Bub gerne gespielt habe. Bei Mühle kann man bei geschickter Aufstellung mit fünf Steinen und einfachem Hin- und Herschieben eines Steines jedes Mal aufs Neue wieder einen Stein des Gegners vom Brett nehmen. Am Ende reichen für diese sprichwörtlich gewordene Zwickmühle schon drei Steine.

Und diese drei Steine hat die Union und spielt mit ihnen von Tag Eins an Zwickmühle mit der SPD. Zum ersten Mal seit einem Mann namens Gerhard Schröder in den Sechzigerjahren hat die Union das Außenministerium inne, darüber hinaus das Innenministerium, das Kanzleramt ohnehin. Innen, Außen. Kanzleramt: Erstmalig alles in den Händen der Union. Und die beiden alles dominierenden Themen sind derzeit der Krieg in der Ukraine, damit verbunden der Zusammenhalt des Westens und die Migration, die bei den Bürgerinnen und Bürgern ganz oben auf der Sorgen-Agenda steht.

Außen, Innen, Kanzleramt

Und ebendiese Felder bestellt bei Schwarz-Rot weitgehend alleine die Union. Heute Dobrindt in Polizistenjacke an der von ihm abgedichteten Grenze, morgen Merz bei Trump in den USA, vorher mit drei europäischen Staats- und Regierungschefs im Sonderzug nach Kiew. Zwischendrin empfängt Außenminister Johann Wadephul seinen Amtskollegen aus Israel, eine heikle Mission vor dem Hintergrund von Gaza.

Derweil die SPD? Sortiert sich noch. Vom Umweltminister aus ihren Reihen (er heißt Carsten Schneider) gab es jetzt ein erstes vernehmbares Lebenszeichen aus Nizza, wo er mit seinen Amtskollegen aus aller Welt versucht, die Meere vor Verdreckung und Vermüllung zu bewahren. Ansonsten gemessen an dem, was CDU und CSU vorlegen, noch wenig Duftmarken. Stattdessen erlebt Lars Klingbeil, dass Finanzminister zwar ein wichtiger, aber auch ein undankbarer Posten ist. Die halbe Billion Euro an Extrageld für Infrastruktur und Klimatransformation will verteilt sein, und schon findet sich der SPD-Chef in offenen Kontroversen mit seinen Parteifreunden in den Ländern wieder. Weil viel frisches Geld zwar schön ist, aber bei seiner Verteilung ungeheure Kämpfe hervorruft, in denen es mehr um die eigene Scholle und deren Interessen geht als um Parteiloyalität.

Verlust von Bundesländern droht

Die beschriebene Lage spiegelt sich in den Umfragen wider. Merz hat seine Delle nach dem Wortbruch in Sachen Schuldenbremse hinter sich gelassen, die Union steigt wieder leicht. Die SPD stagniert. Die kommenden Monate bis zum Jahresende wird sie aufholen müssen. Nächstes Jahr stehen fünf Landtagswahlen an. Zumindest in zweien läuft sie Gefahr, die politische Führung zu verlieren. Bei Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern sieht es nicht gut aus. In Rheinland-Pfalz auch nicht. Rheinland-Pfalz ist nach dem Verlust ihres Stammlandes im Westen zu Zeiten Malu Dreyers zu einer Art Ersatz-NRW geworden. Wenn dieses Bundesland auch noch zur Wahlwüste für die SPD wird, dann fehlt irgendwann der Unterbau, und nur aus dem heraus ist ein aussichtsreicher Angriff auf das Kanzleramt in vier Jahren überhaupt möglich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen, Regeln des Brettspiels "Mühle"
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