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Friedrich Merz im Weißen Haus: Kniffliger Besuch bei Donald Trump


Antrittsbesuch im Weißen Haus
Es ist nichts Gutes zu erwarten

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 02.06.2025 - 06:19 UhrLesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz: Dem Kanzler steht ein schwieriger Besuch bevor. (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini/imago)
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Der Kanzler reist nach Washington. Es hängt nicht an ihm, ob der Besuch freundlich ausfällt oder im Eklat endet, denn das macht Donald Trump mit sich selbst aus.

Am Donnerstag wird der Kanzler im Weißen Haus vorstellig werden. Um diesen Termin ist er nicht zu beneiden. Hoffentlich haben seine Berater im Kanzleramt viele Möglichkeiten durchgespielt, die eintreten könnten.

Trump und sein Vize JD Vance finden Gefallen daran, tückisch zu sein, wie wir wissen. Wolodymyr Selenskyj fiel aus allen Wolken, als sie im Duo über ihn herfielen. Cyril Ramaphosa erwartete auch kein Video von gepeinigten Weißen in Südafrika sehen zu müssen, die aus dem Land flüchten. Dass Aufnahmen dabei waren, die aus dem Kongo stammten: Stört doch keine großen Geister.

Wer in das Drachennest eingeladen wird, muss sich warm anziehen. Es gilt, sich auf vieles einzustellen und sogar das Unmögliche für möglich zu halten. Aber letztlich hängt es von Donald Trump ab, wie der Besucher behandelt wird – von seiner Laune und vom Pegelstand seiner Ressentiments.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Donald Trump fördert weltweit Trumpisten

Die jüngsten amerikanischen Einlassungen zu Deutschland lassen nichts Gutes erwarten. Ginge es nach Trumps Hofstaat, dann würde in Deutschland die AfD regieren, in Österreich die FPÖ, in Polen wieder die nationalkonservative PiS-Partei und in Frankreich Marine Le Pen Präsidentin sein. Und jeder von ihnen würde nachmachen, was Amerika vormacht. Lauter kleine Trumps.

In diesem Bild von der Welt fiele Europa zurück in die Kleinstaaterei und Brüssel wäre nicht länger die Hauptstadt einer Großmacht, die es nicht schafft, Großmacht zu sein. Soweit sollte es nicht kommen, oder?

Aus Sicht der Trumpisten erscheint in Gestalt von Friedrich Merz ein Deutschland, das auf Kosten der USA lebt, militärisch und ökonomisch. Auch die Nato beute sie aus, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht an ihre Verpflichtungen halten und erst unter Dauerfeuer Besserung geloben. Und überhaupt sind Bündnisse des Teufels, wenn die USA für andere einstehen sollen. Alles schlechte Deals nach dem Willen und der Vorstellung des 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten.

Disruption ist sein Lebenselixier, das wissen wir auch. Aber warum legt er die Axt an erprobte Bündnisse, die für Amerikas Interessen als Weltmacht viele Jahrzehnte vorteilhaft waren?

Barack Obama war der letzte Präsident, den die Deutschen liebten

So harmonisch wie es im Nachhinein erscheint, war das Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika nur selten. John F. Kennedy brauchte nach dem Mauerbau fast zwei Jahre für seinen berühmten Besuch in Berlin. Richard Nixon traute der deutschen Entspannungspolitik in den 1970er Jahren nicht über den Weg. Und als Ronald Reagan, wieder in Berlin, im Jahr 1987 seinen prophetischen Satz in Richtung Michail Gorbatschow sagte: "Reißen Sie die Mauer nieder", da war die Regierung Kohl/Genscher nicht sonderlich amüsiert. Damals befand sie sich noch im Status quo der Beschwichtigung.

Barack Obama liebten die Deutschen; er war der letzte Präsident, dem echte Zuneigung widerfuhr. Und Donald Trump spricht nun brutal und vulgär aus, was sich in Washington halblaut über die Jahre an Kritik an Nato und Europäischer Union aufgebaut hatte.

Es fällt natürlich leicht, den Temperatursturz ausschließlich auf Trump zu schieben. Aber man kann die Dinge auch historisch einordnen.

Vielleicht kommen Historiker dereinst zu dem Ergebnis, dass die große Disruption im Jahr 2025 auf 1989 zurückzuführen ist. Damals wie heute brach eine Weltordnung zusammen. Damals wie heute wurde eine Supermacht degradiert. Denn der Blick auf die Welt, wie er im Weißen Haus üblich ist, sieht überall nur Verfall. Im eigenen Land sowieso, wobei die Errichtung neuer Zollmauern zur Regeneration beitragen soll. In der Welt auch, da die Globalisierung die USA benachteiligt. So sehen sie es im Weißen Haus.

Amerika in der Krise

Natürlich ist die schwere Krise, in der Amerika steckt, mit dem Kollaps des Kommunismus nicht zu vergleichen. Es ist auch wahr, dass 1989 Amerika der große Sieger der Geschichte war und sich auch so fühlte. Wenig später aber leistete es sich zwei Kriege im Irak und in Afghanistan, die ihr endgültig den Zauber nahmen, die Weltmacht zu sein, die die Demokratie zum Heil der Menschheit verbreitete.

Im Windschatten schwang sich China zur neuen Weltmacht auf, zu einem wahren Konkurrenten, ökonomisch wie militärisch. Und das Trump-Amerika wütet nun gegen die alten Bündnisse, weil sie in der historischen Auseinandersetzung unnütz zu sein scheinen. "Trumps Schocktherapie ist ein Zeichen von Schwäche", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung". Der Präsident sorgt für eine neue Weltunordnung, aber sein Irrlichtern deutet darauf hin, dass Amerika seinen Platz darin erst noch finden muss.

Unter diesen Umständen fällt es natürlich schwer, im Weißen Haus über gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen zu reden. Versuchen kann es der Kanzler, muss ja sein, aber darin steckt ein Risiko. Vermutlich wird Friedrich Merz viele Fragen stellen, natürlich milde und vorsichtig, um den neuesten Stand der Dinge zu erfahren. Zum Beispiel über Trumps Haltung zu Putin, die sich aber gleich darauf wieder ändern könnte. So ist das nun einmal.

Und vielleicht sollte Merz zur Entspannung gleich eine Einladung aussprechen – ins pfälzische Kallstadt, von wo Trumps Ahn nach Amerika aufbrach. Damit es ihm nicht so ergeht wie Selenskyj und Ramaphosa

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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