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May nach London-Inferno: "Ich betrachte das als Massenmord"


Inferno mit Ankündigung
"Ich betrachte das als Massenmord"

ap, Steffen Trumpf

Aktualisiert am 15.06.2017Lesedauer: 4 Min.
Meterhoch schlagen die Flammen aus dem brennenden Hochhaus.Vergrößern des BildesMeterhoch schlagen die Flammen aus dem brennenden Hochhaus. (Quelle: Victoria Jones/PA Wire/dpa-bilder)
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Beim Brand in dem Wohnhochhaus in London haben sich dramatische Szenen abgespielt. Zwölf Todesopfer sind bislang bestätigt, doch ihre Zahl dürfte weiter steigen. Sicher erscheint hingegen: Die Tragödie kam mit Ankündigung. Regierungschefin Theresa May kündigte eine Untersuchung an.

Diesmal war es nicht der Terror, sondern ein Feuer, das der britischen Hauptstadt eine Horrornacht beschert. Verzweifelte Eltern warfen ihre Kinder aus dem Fenster, um sie zu retten, andere schrien lauthals um Hilfe. Neben den zwölf Toten gab es über 70 Verletzte, Tendenz steigend.

Feuerwehrchefin Dany Cotton fasste das Ausmaß des Feuers in zwei ungläubigen Sätzen zusammen: "Das ist ein beispielloser Vorfall. In meinen 29 Jahren als Feuerwehrfrau habe ich noch niemals etwas von solchem Ausmaß gesehen." Die Polizei sagt später, eine solche Dimension eines Hochhausbrandes habe London "seit Jahren" nicht gesehen.

Diejenigen, die Zeugen der Flammen wurden, werden diese Bilder wohl nie wieder aus dem Gedächtnis bekommen. Bewohner des Grenfell Towers warfen Babys und Kinder aus den Fenstern, um sie so vor dem Tod zu bewahren. Passanten sollten sie auf dem Gehweg auffangen. All das vor der Kulisse eines brennenden Hochhauses, das im Londoner Stadtteil North Kensington 24 Stockwerke in die Höhe ragt.

Das Feuer war gegen 01.00 Uhr in der Nacht zum Mittwoch ausgebrochen. Obwohl mehr als 200 Feuerwehrkräfte versuchten, Herr über die Flammen zu werden, loderten noch zwölf Stunden später einzelne Brandstellen. Am Nachmittag war das Wrack des über weite Teile verkohlten Gebäudes weiter in schwarze Rauchschwaden gehüllt.

Die britische Premierministerin Theresa May kündigte eine "sorgfältige Untersuchung" der Brandursache an. Wenn aus dem Feuer Konsequenzen zu ziehen seien, würden Maßnahmen ergriffen, sagte May. Zugleich würdigte sie den Einsatz der Rettungskräfte und sprach den Betroffenen ihre Anteilnahme aus. "Heute Abend haben viele Menschen keinen Ort, wo sie hingehen können, sie haben absolut alles verloren. Ihnen zu helfen, muss für uns im Mittelpunkt stehen."

Eltern werfen Kinder aus den Fenstern

Augenzeugen des Infernos berichteten von Hausbewohnern, die von dem sich schnell ausbreitenden Brand eingeschlossen wurden. "Diese Flammen, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Das hat mich an 9/11 erinnert", sagte die 45-jährige Muna Ali angesichts des brennenden Hochhauses, das sie an die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York erinnerte, das am 11. September 2001 von Terroristen mit Flugzeugen angegriffen wurde.

Das Feuer habe sich in den oberen Stockwerken gebildet, aber vor dem unteren Teil des Gebäudes nicht Halt gemacht, sagt Ali. "Oh mein Gott, es hat sich so schnell ausgebreitet. Es hat sich innerhalb einer halben Stunde komplett ausgebreitet." Tim Downie, der Angst hatte, das Gebäude würde einstürzen, sagte der britischen Nachrichtenagentur PA zu dem Feuerinferno von London: "Es war das Schrecklichste, was ich je gesehen habe."

Augenzeugin Samira Lamrani sagt der PA, eine verzweifelte Frau habe ihr Baby aus einem Fenster im neunten oder zehnten Stock geworfen. "Ein Gentleman rannte los und schaffte es, das Baby zu greifen", berichtete sie. Der 58 Jahre alte Joe Walsh schilderte, er habe jemanden gesehen, der zwei weitere Kinder aus dem fünften oder sechsten Stock geworfen habe. Der 17-jährige Tiago Etienne wurde laut eigenen Angaben Zeuge, wie drei Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren aus einem Apartment um das 15. Stockwerk fallen gelassen worden seien.

In Schlafanzug und Bademantel schaffte es die 69-jährige Ruks Mamudu aus ihrer Wohnung im ersten Geschoss. Gemeinsam mit ihrem Enkelsohn saß sie im Anschluss vor dem Gebäude und musste mit ansehen, wie Menschen in den höheren Stockwerken um ihr Leben schrien. "Ich saß da und schaute zu, wie mein Haus niederbrannte und Menschen um Hilfe riefen, die nicht herunterkommen konnten", sagte sie.

Schon seit Jahren wurde gewarnt

Die Brandursache ist noch unklar. Wütende Bewohner schilderten jedoch, sie hätten die Behörden längst darauf hingewiesen, dass der Brandschutz am Grenfell Tower nicht in Ordnung gewesen sei. Der Sozialbau mit seinen 120 Apartments wurde im Jahr 1974 erbaut und nach Behördenangaben kürzlich für 8,6 Millionen Pfund (9,75 Millionen Euro) modernisiert.

Dennoch sei der Feueralarm nicht losgegangen, sagte Edward Daffarn aus dem 16. Stock. Er hat es dennoch aus dem Haus geschafft. "Ich bin froh, am Leben zu sein. Der Rauchalarm eines Nachbarn ist losgegangen und ein anderer Nachbar hat angerufen und mir gesagt, dass ich rauskommen soll", schilderte der 55-Jährige. "Ich betrachte das als Massenmord."

Eine Gemeindeorganisation, die Grenfell Action Group, warnte schon seit 2013 vor einem Brand. "All unsere Warnungen sind auf taube Ohren gestoßen und wir haben vorhergesagt, dass eine Katastrophe wie das hier unvermeidbar und nur eine Frage der Zeit war", erklärte die Gruppe am Mittwoch.

Die Tragödie trifft London zehn Tage nach dem Anschlag auf der London Bridge und dem Borough Market rund zehn Kilometer weiter östlich. Einige Bewohner befürchteten zunächst, dass es auch bei dem Brand einen Zusammenhang zum Terrorismus gegeben habe. Die Behörden haben das dementiert.

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