Razzia in Lübtheen Polizei findet scharfe Waffen bei AfD-Politiker

Bei einer Razzia in Mecklenburg-Vorpommern finden Ermittler scharfe Waffen und Sprengstoff – ein Lokalpolitiker steht im Fokus.
Bei einer großangelegten Durchsuchung am Mittwoch haben Einsatzkräfte in Mecklenburg-Vorpommern scharfe Waffen und größere Mengen Sprengstoff sichergestellt. Das teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit.
Nach Angaben des Polizeipräsidiums Rostock waren rund 60 Beamte an dem Einsatz in Lübtheen im Landkreis Ludwigslust-Parchim beteiligt, darunter Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes, Sprengstoffexperten und Diensthunde. Neben einem Wohnhaus im Ortsteil Jessenitz wurden laut Polizei auch weitere Objekte durchsucht. Dabei seien mehrere scharfe Waffen gefunden worden, deren Besitz unter anderem gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstößt. Auch Sprengstoff in größerer Menge konnte demnach sichergestellt werden.
Bei dem Tatverdächtigen handele es sich um einen 60 Jahre alten Bewohner des Hauses, der deutscher Staatsbürger sei, hieß es in der Polizeimeldung. In dem durchsuchten Gutshaus lebt der AfD-Kreistagsabgeordnete Philip Steinbeck gemeinsam mit seiner Frau, die Fraktionsmitarbeiterin ist, wie zuerst der "Nordkurier" berichtete. Steinbeck bestätigte den Einsatz.
Auch Sprengstoffhunde sowie der Munitionsbergungsdienst waren vor Ort. Eine Polizeisprecherin sagte, die Aktion habe von morgens 6.30 Uhr bis 3.00 Uhr nachts gedauert. Die Auswertung der sichergestellten Waffen und Sprengmittel sei bisher nicht abgeschlossen, so die Polizei. Es gehe um mögliche Verstöße gegen mehrere Waffengesetze. Eine abschließende rechtliche Einordnung sei erst nach genauer Prüfung der Funde möglich.
Bericht über Vorfall im April
Der Einsatz könnte dem Bericht des "Nordkurier" zufolge im Kontext eines Vorfalles im April stehen. Damals habe Steinbeck über den Notruf zwei bewaffnete Einbrecher in seinem Haus gemeldet. Die Polizei rückte mit mehreren Streifenwagen an, konnte jedoch keine akute Bedrohung feststellen.
Vor dem Gebäude waren die Beamten auf den AfD-Politiker getroffen, der eine Pistole bei sich trug. Er hatte damals angegeben, er habe sie zur Selbstverteidigung mitgeführt und freiwillig abgegeben. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden damals weitere Waffen sichergestellt – diese seien jedoch ordnungsgemäß registriert gewesen.
Zu der aktuellen Razzia sagte Steinbeck dem "Nordkurier", da er selbst beim Militär gewesen sei, werfe er den Einsatzkräften nichts vor. Er vermute aber eine von politischen Gegnern wie SPD und Linke motivierte Kampagne. Er wundere sich, warum "ein paar alte Vorderlader und ein bisschen uraltes Schwarzpulver" als Kriegswaffen und Sprengstoff dargestellt würden. Der NDR berichtet dagegen, dass die Ermittler auch Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg sichergestellt haben. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Schwerin wurde Steinbeck die Waffenbesitzkarte für legal besessene Waffen angesichts der Funde der nicht registrierten Waffen entzogen. Es werde nun geprüft, ob die Funde unter das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz fallen, so ein Sprecher. Dazu gehört etwa die Frage, ob die Waffen "beschussfähig" seien.*
Landes-AfD: Von schwerwiegenden Vorwürfen überrascht
Innenminister Christian Pegel (SPD) bedankte sich als Chef der Einsatzkräfte der Polizei bei den eingesetzten Kräften, insbesondere den Spezial- und Unterstützungseinheiten. "Sie haben mit hoher Fachlichkeit, Umsicht und Entschlossenheit gehandelt. Die Sicherstellung von scharfen Waffen und Sprengstoff zeigt, wie notwendig das konsequente Vorgehen unserer Sicherheitsbehörden ist", so Pegel.*
Der AfD-Landesverband sprach davon, man habe Steinbeck um Stellungnahme gebeten. "Die Anschuldigungen, die im Raum stehen, sind schwerwiegend, das kam für uns als Landesvorstand auch sehr überraschend" so Enrico Schult, den der Landesvorstand als AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im kommenden Jahr vorgeschlagen hat. Steinbeck solle zunächst Möglichkeit haben, darauf zu antworten. Schult verwies auf die Unschuldsvermutung und die Ergebnisse der Ermittlungen.*
Umstritten in der eigenen Partei
Steinbeck, der im Kreistag Ludwigslust-Parchim sitzt, ist dem Rechtsaußenlager der AfD zuzuordnen und offenbar auch in der Partei umstritten: So gab es im Jahr 2021 parteiinterne Vorwürfe gegen den ehemaligen AfD-Kreischef in Südwestmecklenburg. Er habe in einem Gespräch ein bedenkliches Angebot an andere Parteimitglieder unterbreitet. Der konkrete Vorwurf, den drei Parteimitglieder schriftlich erklärten und von dem die "Ostsee Zeitung" (OZ) berichtete: Steinbeck habe mehrere Dutzend Stimmen aus seinem Kreisverband bei der Aufstellung der Landtagsliste angeboten. Im Gegenzug sollten zwei Mitglieder zusammen 10.000 Euro in bar an Steinbeck übergeben. Steinbeck wies die Vorwürfe zurück und nannte diese in der "OZ" einen "bodenlosen Blödsinn".
Im vergangenen Jahr stieß Steinbeck auf Kritik, als er mit anderen AfD-Abgeordneten in die russische Exklave Kaliningrad reiste, um dort zu demonstrieren. Mehrere russische Medien griffen die Reise der Deutschen und vor allem ihre Flaggenaktion auf dem Siegesplatz auf. Dem Bundesvorstand zufolge war die Reise "wohl nicht angemeldet" gewesen, wie ein Pressesprecher der Partei auf Anfrage von t-online mitteilte.
Steinbeck, der mehrere Immobilien in Lübtheen besitze, habe eine braune Vergangenheit, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Bereits an der Universität sei er Mitglied einer ultrarechten, schlagenden Burschenschaft gewesen. Nach dem Abbruch seines Jurastudiums arbeitete er demnach Anfang der Neunzigerjahre in der Kieler Landtagsfraktion der rechtsextremen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Steinbeck soll gute Kontakte zu bekannten Neonazis haben, so etwa dem früheren NPD-Politiker Udo Pastörs oder dem NPD-Kommunalpolitiker Andreas Theißen.
Im Juni 2016 soll Steinbeck kurz vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern zu einem "Charity-Abend" in seinem Anwesen in Lübtheen eingeladen haben. Nach Informationen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" trafen sich potenzielle Geldgeber und AfD-Personal auf Schloss Jessenitz, unter den Gästen war demnach auch der damalige AfD-Vize Alexander Gauland.
*Der Text wurde an diesen Stellen mit weiteren Informationen ergänzt.
- polizeimv.net: POL-HRO: Polizei stellt Waffen sowie Sprengstoff sicher
- nordkurier.de: Durchsuchung bei AfD-Politiker: Polizei findet Waffen und Sprengstoff
- nordkurier.de: AfD-Politiker äußert sich nach Durchsuchung seines Hauses
- ndr.de: Razzia: Waffen und Sprengstoff bei AfD-Politiker gefunden
- ostsee-zeitung.de: Schwere Vorwürfe: Gab es in der AfD MV den Versuch des Stimmenverkaufs gegen Geld? (kostenpflichtig)
- süddeutsche.de: Rechte Überläufer - von der NPD zur AfD