Erdbeben erschüttert Pazifik "Flotte aufs Meer gezogen" – Schiffe treiben in Meerenge
Erst das Erdbeben, dann der Tsunami: Auf Kamtschatka geraten Menschen in Panik. Es ist das stärkste Beben seit Jahrzehnten.
Ein schweres Erdbeben hat am Mittwochvormittag unter anderem die russische Halbinsel Kamtschatka erschüttert. Um 11.24 Uhr Ortszeit ereignete sich im Pazifischen Ozean ein Beben mit einer zunächst auf 7,1 geschätzten Magnitude. Später wurde der Wert nach oben korrigiert – je nach Quelle auf 7,5, 8,7 oder sogar 8,8.
Das Epizentrum lag rund 150 bis 161 Kilometer östlich von Petropawlowsk-Kamtschatski in einer Tiefe von 32 Kilometern. Der Gouverneur der Region, Wladimir Solodow, sprach von einem "Erdbeben der Magnitude 8,8" und bezeichnete es als "das stärkste während der gesamten instrumentellen Beobachtungsperiode".
- Alle Entwicklungen im Newsblog: Heftiges Erdbeben vor Russland – Tsunami trifft Hawaii und Japan
- Kamtschatka zittert: Erdbeben vor russischer Küste: "Alle Lampen tanzen Lambada"
- Wenn der Supervulkan ausbricht: "Riesiger Tsunami würde das gesamte Mittelmeer erfassen"
Augenzeugen zufolge war das Beben heftig und ungewöhnlich. Sie berichten, sie könnten sich an ein solches Erdbeben nicht erinnern.
Erdbeben löst Panik aus
Trotz der gewaltigen Erdstöße wurden nach offiziellen Angaben bislang keine Todesopfer oder schwere Zerstörungen gemeldet. Allerdings kam es zu mehreren Zwischenfällen mit Verletzten. Der Gesundheitsminister der Region Kamtschatka, Oleg Melnikow, erklärte: "Es gibt Menschen, die sich beim Herauslaufen auf die Straße verletzt haben. Ein Patient ist aus dem Fenster gesprungen."
Eine Frau erlitt zudem Verletzungen am Flughafen von Petropawlowsk-Kamtschatski. Laut dem Minister befinden sich alle Betroffenen in zufriedenstellendem Zustand.
In Petropawlowsk-Kamtschatski stürzte zudem ein Teil der Fassade eines Kindergartens ein. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt im Umbau, Kinder hielten sich nicht darin auf. Das bestätigte Gouverneur Solodow.
Erdbeben: "Es rüttelt im Nonstop-Modus"
Das Beben löste in der Bevölkerung Kamtschatkas große Verunsicherung aus. Viele Menschen verließen spontan ihre Häuser und suchten Schutz in ihren Autos oder fuhren auf ihre Datschen (Häusern auf dem Land, Anm. d. Red.). Der Telegram-Kanal "Kamchatka_life" beschrieb die Lage so: "Es rüttelt im Nonstop-Modus."
Eine Anwohnerin namens Galina berichtete im Gespräch mit der Onlinezeitung "Gazeta.ru", dass sie im Moment des Erdbebens sofort auf die Straße lief. "Es war beängstigend, furchtbar beängstigend. Alles um uns herum bebte, sogar der Asphalt unter den Füßen bewegte sich. Einige Menschen in meiner Nähe schrien in Panik, manche weinten sogar und beteten. Das dauerte etwa 15 Minuten."
Ihren Angaben zufolge haben viele Menschen seit mehreren Stunden Angst, in ihre Häuser zurückzukehren.
Zahlreiche Aufnahmen zeigen die starken Erschütterungen. Autos hüpften förmlich auf der Straße.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Erdbeben erschüttert Operationssaal
Im Netz ist ein Video aufgetaucht, das während des Erdbebens im onkologischen Zentrum von Kamtschatka aufgenommen wurde. Auf der Aufnahme ist zu sehen, wie medizinisches Personal einen Patienten während einer Operation festhalten muss.
Trotz starker Erschütterungen bewahrten die Ärzte Ruhe und verließen den Operationssaal nicht, sondern führten den Eingriff vollständig zu Ende. Dem Patienten wurde rechtzeitig und fachgerecht die notwendige Hilfe geleistet; sein Zustand ist inzwischen stabil.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der regionale Katastrophenschutzminister Sergej Lebedew appellierte an die Bevölkerung, sich von allen Gewässern fernzuhalten. Die Angst vor weiteren Erschütterungen ist groß – die Region erlebt derzeit einen "starken Nachbebenprozess", so der geophysikalische Dienst. Besonders in Petropawlowsk-Kamtschatski seien die Erschütterungen deutlich spürbar.
Tsunamiwellen erreichten Höhe von bis zu vier Metern
Begleitet wurde das Beben von einer Tsunamiwelle, die an der Küste Kamtschatkas auflief. In der Region Jelisowski wurde eine Wellenhöhe von drei bis vier Metern registriert. Die erste Welle erreichte die nördlichen Kurilen in der benachbarten Region Sachalin. Der Hafen von Sewerokurilsk auf der Insel Paramuschir wurde überflutet. "Die erste Welle drang etwa 200 Meter ins Landesinnere der Insel [Paramuschir] vor", teilte der Leiter der Region Sewerokurilsk mit. Es sei aber nicht mit einer Katastrophe aus einem Hollywoodfilm vergleichbar.
Die Kamtschatka-Filiale des geophysikalischen Dienstes der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN) hat ein Video aus Sewerokurilsk nach dem Tsunami veröffentlicht. Auf den Aufnahmen ist eine teilweise überflutete Stadt zu sehen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Laut Augenzeugen reichte das Wasser bis zur Fischverarbeitungsfabrik "Alaid". "Hier war die Fabrik. Dann kam die Welle. Gut, dass wir gegangen sind", kommentiert ein Augenzeuge das Geschehen.
Inzwischen hat eine vierte Tsunamiwelle Sewerokurilsk erreicht, berichtete der Bürgermeister Alexander Owsjannikow. "Aber sie war schwach. Die schwerwiegendste war die dritte Welle – sie hat Schäden angerichtet. Die Hafeninfrastruktur wurde beschädigt, die gesamte Kleinschiffsflotte wurde aufs Meer hinausgezogen, derzeit treibt sie in der Meerenge, ein Teil der Schiffe wurde an Land gespült. Nun wird der Privatsektor seine Verluste bewerten – und es gibt welche", sagte der Bürgermeister.
Tsunami-Warnung nach Erdbeben gilt weiter
Die Tsunami-Warnung bleibt bestehen. In Sewerokurilsk gilt sie jedoch nur für das Hafengebiet; die Stadt selbst liegt auf einer Anhöhe in sicherem Gelände, betonte Owsjannikow.
- gazeta.ru: "В России упростили порядок признания людей безвестно отсутствующими" (Russisch)
- t.me: Beitrag von @ostorozhno_novosti
- vostokmedia.com: "Врачи продолжили операцию во время землетрясения на Камчатке (видео)" (Russisch)
- t.me: Beitrag von @meduzalive
- volcanodiscovery.com: "Землетрясения в Германии" (Russisch)
- meduza.io: "У берегов Камчатки произошло землетрясение магнитудой 8,7. По всему миру — от Японии до Чили — объявили угрозу цунами" (Russisch)
- x.com: Beitrag von @nakedSCI
- interfax.ru: "МЧС России направило силы на Камчатку после мощного землетрясения" (Russisch)
- gazeta.ru: "На Камчатке произошло мощное землетрясение. Что известно" (Russisch)