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Hürtgenwald 1944: So ein Desaster hatte die US-Armee noch nie erlebt


Schlacht im Hürtgenwald 1944
So ein Desaster hatte die US-Armee noch nie erlebt


29.09.2024Lesedauer: 5 Min.
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US-Soldaten im Hürtgenwald 1994: Dort erlitten die USA eine militärische Demütigung.Vergrößern des Bildes
US-Soldaten im Hürtgenwald 1944: Dort erlitten die USA eine militärische Demütigung. (Quelle: LEONE/ullstein-bild)

Deutschlands Niederlage war unabwendbar, im Herbst 1944 drängten die Amerikaner gen Rhein. Doch in der Schlacht im Hürtgenwald, die vor 80 Jahren begann, fügte die Wehrmacht den USA gewaltige Verluste zu.

Fast ganz Europa hatte Adolf Hitler beherrscht, doch 1944 schmolz der deutsche Machtbereich mächtig zusammen. Im September des Jahres hatten die Amerikaner mit Roetgen unweit Aachen bereits einen deutschen Ort eingenommen. Ein natürliches Problem störte aber das weitere Vordringen der US-Streitkräfte gen Rhein: der sogenannte Hürtgenwald in der nördlichen Eifel.

Ein für militärische Manöver denkbar schwieriges Gebiet, bestehend aus dichten Forsten, Schluchten und Abhängen. Als "dicht und finster", beschreibt der britische Militärhistoriker Antony Beevor den Hürtgenwald in seinem Buch "Die Ardennen-Offensive 1944", als "Märchenwald", allerdings ohne "Hexen und Riesen".

Schrecken und Grauen sollte der Hürtgenwald allerdings für die US-Truppen bereithalten, als sie ihn durchqueren wollten. Das unzugängliche Gelände erwies sich nicht nur als kräftezehrender Albtraum, sondern auch als Todesfalle: Denn die deutschen Verteidiger, zwar unterlegen an Zahl und Ausrüstung, hatten sich vorbereitet. Scharfschützen und Minen, Sprengfallen und Artilleriebeschuss sollten neben Hunger und Kälte Tausende Soldatenleben fordern.

"So viele Feinde wie möglich töten", damit fasst Beevor in seinem Standardwerk "Der Zweite Weltkrieg" das Vorgehen der Wehrmacht in der Schlacht im Hürtgenwald zusammen. Ab dem 6. Oktober 1944 führten zunächst vor allem die deutschen Soldaten von der 275. Infanteriedivision diesen Plan aus, als die 9. US-Infanteriedivision in den Wald vorstieß. In schwersten Kämpfen zermürbten sich Amerikaner und Deutsche, die Verlustzahlen schnellten in die Höhe.

Hoher Zoll

Unter anderen Bedingungen hätten die Amerikaner ihre Gegner schnell überwunden – allein aufgrund ihrer materiellen Überlegenheit. Doch der Hürtgenwald ließ nur Infanterie einigermaßen gut vorankommen. Panzer? Blieben zwischen Bäumen, vor Schluchten oder auf kaum ausgebauten Wegen stecken. Luftunterstützung? Hohe Bäume und schlechte Sicht sorgten dafür, dass die US-Piloten nicht viel mehr tun konnten, als die deutschen Nachschubwege außerhalb des Waldes abzuschneiden.

Am 16. Oktober 1944 waren die Männer der 9. US-Infanteriedivision am Ende ihrer Kräfte, ihr Angriff zerlief sich. Rund 4.500 Mann betrug der Verlust, "einen für jeden Meter Geländegewinn", wie Beevor resümiert. Ein blutiges Patt, denn auch der deutsche Blutzoll war hoch. Auf Seiten der Wehrmacht stellte man Überlegungen an, warum um Himmels willen die Amerikaner diesen mörderischen Waldkampf auf sich nahmen?

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Die Antwort lautet wahrscheinlich: Ignoranz. Der verantwortliche US-General Courtney Hodges legte Wert auf die schnellstmögliche Ausführung seiner Befehle, störende Details nahm er ungern zur Kenntnis. Zwar war es durchaus sinnvoll, den Hürtgenwald als Bedrohung der alliierten Flanke auszuschalten, auch war es sinnig, die Gefahr einer Sprengung etwa der Talsperre an der Rur zu verhindern. Doch das mörderische Sterben im Hürtgenwald ergab keinen Sinn, diese Ziele hätten auf Umwegen erreicht werden können. Tatsächlich nahm die Schlacht im Hürtgenwald manches vorweg, was Jahrzehnte später eine andere Generation von GIs erleiden sollte: den Dschungelkampf im Vietnamkrieg.

Sprengfallen und Minen aller Art spielten im Hürtgenwald bereits eine besondere Rolle. Das Räumen von Hindernissen auf Wegen wurde zum Himmelfahrtskommando für die US-Soldaten, denn die Deutschen versahen sie mit Fallen. Granattrichter boten bei feindlichem Beschuss guten Schutz, was allerdings auch die Wehrmacht wusste. Entsprechend traf so mancher GI beim rettenden Sprung in ein solches Loch auf eine Mine. Am Ende wurde es ebenso so absurd wie todbringend: Beide Seiten legten um jeweils eigene Minenfelder ihrerseits Minen aus, um dem Feind bei deren Kontrolle eine Falle zu stellen.

Von Paris in die Hölle

So nahm die Grausamkeit des Kriegs ihren Lauf. "Ein Mann kickte einen blutverschmierten Schuh aus dem Weg", zitiert Beevor einen US-Kombattanten. "Zu seinem Schrecken sah er, dass noch ein Fuß darin steckte." Noch mörderischer als ohnehin schon war der Artilleriebeschuss im Hürtgenwald: Die Deutschen feuerten in die Höhe, die getroffenen Bäume verursachten einen mörderischen Splitterhagel. So wechselten sich im tiefen Wald tiefe Stille und der Lärm von Gefechten ab, Kälte, Nässe, später Schnee machten den Männern auf beiden Seiten zu schaffen. Die Deutschen verfügten immerhin über Bunker des Befestigungssystems Westwall.

Und dann kam der 2. November 1944, Tag des Hochfestes Allerseelen. Erneut unternahmen verschiedene US-Einheiten einen großangelegten Angriff. Vossenack, ein kleines Dorf, nahm die 28. US-Infanteriedivision ein, bis in die noch weiter entfernten Ortschaften Schmidt und Kommerscheidt rückten die amerikanischen Soldaten vor. Die 28. US-Infanteriedivison war seit dem 29. August 1944 weltberühmt, denn an diesem Tag waren ihre Männer über die Champs Élysées durch das befreite Paris paradiert.

Doch nun standen diese Soldaten im Hürtgenwald, ein unfassbarer Kontrast: nass, erschöpft, zusammengeschossen. Besonders dem in Schmidt stehenden Bataillon erging es übel. Bald traf sie der deutsche Gegenangriff mit Infanterie und Panzern. Panik brach unter den Amerikanern aus, auf der Flucht ließen sie ihre Verwundeten zurück. Auch in Kommerscheidt und Vossenack war die Lage dramatisch, die Amerikaner mussten sich weit zurückziehen. Fast 6.000 Mann hatte die 28. US-Infanteriedivision an Verlust eingebüßt, wie Beevor schreibt.

Augenzeugen der mörderischen Verluste der USA während der Schlacht im Hürtgenwald waren zwei spätere Giganten der Literatur: Ernest Hemingway, US-Kriegsberichterstatter, und J. D. Salinger, Staff Sergeant der US-Army. "Dies war eine Gegend, in der es schwierig war, am Leben zu bleiben", bemerkte der spätere Literaturnobelpreisträger Hemingway mit bitterer Ironie. Salinger, Autor des Welterfolgs "Der Fänger im Roggen" sollte die im Hürtgenwald erlittenen Traumata niemals überwinden.

Der nächste Schlag

Unerbittlich ließ General Hodges nach dem Desaster der Allerseelenschlacht seine Truppen am 16. November wieder im Hürtgenwald zum Angriff übergehen. Erneut erwartete sie eine Katastrophe. "Ich sah, wie ein Mann mit seinen Armen den Bauch umschlang, damit seine Gedärme nicht aus einer großen Wunder quollen", zitiert Beevor einen Soldaten. Wieder arteten die Kämpfe in einen gegenseitigen Zermürbungskampf mit massiven Verlusten aus.

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Nicht nur unter körperlichen Verwundungen und Verletzungen litten die Soldaten, sondern auch unter psychischen. Den Tod vor Augen kollabierten rund 8.000 US-Soldaten während der Schlacht im Hürtgenwald psychisch. Mit Galgenhumor reagierten viele US-Soldaten. "Nach fünf Tagen fängst du an, mit den Bäumen zu reden", gibt Beevor den damals kursierenden Galgenhumor wieder. "Am sechsten kriegst du Antworten von ihnen."

Immerhin ging es etwas vorwärts, den Soldaten der 4. US-Infanteriedivision gelang es Ende November 1944 schließlich, die Ortschaft Hürtgen einzunehmen, die dem ganzen Desaster seinen Namen geben sollte. Anfang Dezember 1944 erreichten die US-Truppen dann schließlich das Ende des Waldes, erobert war er allerdings immer noch nicht zur Gänze. Eine Pause war den US-Truppen zudem nicht vergönnt. Mitte Dezember 1944 begann die deutsche Ardennenoffensive, der verzweifelte Versuch Adolf Hitlers, den Krieg im Westen zugunsten Deutschlands noch einmal zu wenden. Vergeblich.

Die Schlacht im Hürtgenwald – die erst im Februar 1945 endete – ist in der amerikanischen Militärgeschichte bis heute als eines der größten Desaster unvergessen. Rund 12.000 Amerikaner fielen laut Schätzungen in dieser Schlacht, die Zahl der getöteten Deutschen dürfte in etwa gleich hoch sein. Zum Vergleich: In der Schlacht von Gettysburg 1863 während des Amerikanischen Bürgerkriegs starben in etwa halb so viele Amerikaner – insgesamt auf beiden Seiten allerdings.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Antony Beevor: "Die Ardennen-Offensive 1944. Hitlers letzte Schlacht im Westen, 2. Auflage, München 2019
  • Antony Beevor: "Der Zweite Weltkrieg", 3. Auflage, München 2014
  • ARD-History: "Die Schlacht im Hürtgenwald", 2020
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