US-Experten: "Oder sie vergiften ihn"
Amerikanische Experten sehen das Schicksal der Krim als entscheidend fΓΌr den Ukraine-Krieg. An der Halbinsel hΓ€ngt aber auch Putins Zukunft.
Am Freitag verkΓΌndete Russland die Einnahme der lange umkΓ€mpften Stadt Soledar β auch wenn die Ukraine noch von weiteren KΓ€mpfen spricht. Doch selbst dieser fΓΌr den aktuellen Frontverlauf eventuell wichtige Sieg lΓΆst ein Kriegsszenario fΓΌr Putin nicht: eine mΓΆgliche RΓΌckeroberung der Krim durch die Ukraine.
PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj hat immer wieder deutlich gemacht, dass es sein Ziel ist, die Halbinsel wieder unter ukrainische Kontrolle zu bringen. Das amerikanische Magazin "Newsweek" hat mehrere Experten befragt, wie wichtig das 2014 von Putin annektierte Gebiet ist.
"WΓΌrde Putin definitiv politisch schwΓ€chen"
So sagt der amerikanische Geschichtsprofessor Michael Kimmage: "Ein Verlust wΓΌrde in Russland den Eindruck erwecken, dass Putin die Lage nicht managen kann, und ihn definitiv politisch schwΓ€chen." Der ehemalige US-Navy-Soldat und Chefredakteur des MilitΓ€rmagazins "SOFREP", Sean Spoonts, geht sogar noch weiter.
Er glaubt, Putins Schicksal hΓ€nge an der Krim. WΓΌrde diese fallen, gehe es nicht mehr nur um den Job des Kremlchefs. "Er wΓΌrde GenerΓ€len und seiner Regierung sowie den Oligarchen gegenΓΌberstehen, die einen RΓΌcktritt fordern. Oder sie vergiften ihn oder jemand erschieΓt ihn, wie es in Russland bei Machtwechseln ΓΌblich ist."
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Halbinsel mit strategischer Bedeutung
Russland hat die Krim 2014 gewaltsam annektiert, nachdem die Euromaidan-Revolution in der Ukraine die prorussische Regierung abgeschafft hatte. Der Einmarsch russischer Truppen und die nachfolgende Besetzung lΓΆsten internationale Proteste aus. Mehrere Staaten und die EU verhΓ€ngten Sanktionen. Die Halbinsel hat aber mehr als nur eine symbolische Bedeutung fΓΌr Putin. Dort befindet sich der Hafen Sewastopol, der ganzjΓ€hrig eisfrei ist β anders als die meisten russischen HΓ€fen.
Auf der Krim ist auch die russische Schwarzmeerflotte stationiert. Und das Gebiet ist im Ukraine-Krieg von strategischer Bedeutung fΓΌr Truppentransporte in den SΓΌden der Ukraine. Im Oktober explodierte ein Kleinlaster auf einer der BrΓΌcken zur Krim und hinterlieΓ schwere BeschΓ€digungen. Die Ukraine bekannte sich nicht ΓΆffentlich zu dem Anschlag. Immer wieder hat es auch Drohnenangriffe und weitere Explosionen auf der Halbinsel gegeben.
Diese sorgten nach Expertenangaben fΓΌr heftige Diskussionen in der russischen MilitΓ€rfΓΌhrung und schwΓ€chten β zumindest teilweise β Putins Position als Oberbefehlshaber. Im August hatte das amerikanische Institute for the Study of War berichtet, dass man in russischen MilitΓ€rkreisen besorgt sei.
"Die russische MilitΓ€rfΓΌhrung verliert nach den jΓΌngsten ukrainischen Angriffen auf russische MilitΓ€robjekte auf der Krim wahrscheinlich zunehmend das Vertrauen in die Sicherheit der Krim. Russische Quellen berichteten am 17. August, dass Vizeadmiral Viktor Sokolov den Admiral Igor Osipov als Kommandeur der auf der Krim stationierten Schwarzmeerflotte abgelΓΆst habe", heiΓt es im Tagesbericht vom 17. August.
Spoonts: "Verlust wΓΌrde russische Elite gegen Putin aufbringen"
Professor Kimmage sieht die Krim als den "gefΓ€hrlichsten Teil des Krieges". FΓΌr Selenskyj sei es klar, dass es ukrainisches Gebiet ist, wΓ€hrend es Putin als russisch ansehe. "Da kann nur einer gewinnen. Und das erhΓΆht den Einsatz." Eine Aufgabe der Krim wΓΌrde nicht nur Putins MilitΓ€rstrategie schwΓ€chen, sondern die russische Elite gegen ihn aufbringen, zitiert "Newsweek" den MilitΓ€rexperten Spoonts. "Viele Oligarchen hΓ€tten BesitztΓΌmer auf der Krim, wie Hotels, WohnhΓ€user und Boote." Es seien Unsummen in die Infrastruktur geflossen, wie BrΓΌcken, StraΓen und HΓ€fen. "Das wΓΌrden sie alles verlieren."
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Mark N. Katz, Professor an der George Mason University Schar School of Policy and Government, geht davon aus, dass Putin alles tun wΓΌrde, um die Krim zu halten. "Ich glaube nicht, dass Putin die Kontrolle abgeben wΓΌrde, was immer auch geschieht." Sollte Putin sehen, dass die Krim in Gefahr sei, schlieΓt Katz nicht aus, dass der Kremlchef die nukleare Option wieder auf den Tisch legt.
Der Politikprofessor William Reno sagte "Newsweek", dass auch ohne den Verlust der Krim das Ende der Putin-Herrschaft nahe sei. "Meine Meinung ist, dass er in Schwierigkeiten steckt. Selbst wenn die jetzigen Kremlziele erreicht werden, ist es ein vernichtender strategischer RΓΌckschlag." Reno sieht das Ende des Kriegs in einer VerhandlungslΓΆsung, "vermutlich mit der Krim als etwas anderes als Teil der Ukraine." Gleichzeitig kann er sich aber nicht vorstellen, dass Putin noch Teil des Verhandlungsprozesses sein wird.
- newsweek.com: "Putin's Biggest Weak Spot Exposed as Ukraine's Ambition Grows" (englisch)
- understandingwar.org: "RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, AUGUST 17" (englisch)