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Ukraine-Krieg I Wie Frauen an der Front leiden


Frauen an der Front
Wenn die natürlichsten Bedürfnisse zur Qual werden


Aktualisiert am 14.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Eine ukrainische Soldatin mit einer Waffe in der Hand. (Quelle: IMAGO/STR)

Tausende Frauen kämpfen in der Ukraine gegen die russischen Invasoren. Neben dem alltäglichen Kriegshorror an der Front berichten sie von zusätzlichen Belastungen.

Sie setzen ihr Leben aufs Spiel, um ihre Heimat zu verteidigen: die mehr als 40.000 Frauen, die dem ukrainischen Militär in Russlands Angriffskrieg dienen. Rund 5.000 von ihnen stehen an vorderster Front, während etwa 8.000 den Offiziersrang innehaben. Trotz des alltäglichen Kriegshorrors müssen sich die Frauen in der traditionell männlich geprägten Armee auch mit besonderen Herausforderungen auseinandersetzen. Und die können für sie lebensgefährlich sein.

Denn das Überleben im Krieg hängt oft von der Ausrüstung und den Ressourcen der Soldatinnen ab. Und den Frauen scheint es im Krieg am Wesentlichen zu mangeln: Sie stolpern in klobigen Schuhen herum, schleppen die viel zu schweren Schutzwesten und zwängen ihre weiblichen Körper in Uniformen, die für Männer gemacht sind. Von den Leiden der Frauen im Krieg berichtet die amerikanische Nachrichtenseite "The Daily Beast", dessen Reporterin in Kiew mit mehreren ukrainischen Soldatinnen gesprochen hat.

"Versuchen Sie mal, bei minus 15 Grad im Wald auf die Toilette zu gehen"

Neben der passenden Ausrüstung fehlt es demnach auch an Hygieneartikeln speziell für Frauen. Etwa solche, die der Soldatin helfen, wenn sie im Schützengraben hockt und sich ihrer Notdurft erleichtern muss. "Versuchen Sie mal, bei minus 15 Grad im Wald auf die Toilette zu gehen. Wir haben alle eine Blasenentzündung oder eine Eierstockentzündung und Rückenschmerzen", erzählt die 24-jährige Julia, die nur mit Vornamen genannt werden will, der amerikanischen Nachrichtenseite. "Nach einem Jahr Krieg haben wir eine Reihe möglicher Gesundheitsprobleme."

Als ein Hilfsmittel gilt der sogenannte "Female Urinary Diversion Device" (FUDD). Eine Art Trichter mit Schlauch, der es Frauen erlaubt, diskret im Stehen oder Sitzen zu urinieren. "Sie können urinieren, ohne sich zu entkleiden – knöpfen Sie einfach Ihre Hose auf. Wenn Sie eine FUDD benutzen, vermeiden Sie auch den Kontakt mit giftigen Pflanzen und Insekten", heißt es in einer Informationsbroschüre der US-Armee, die eine solche Vorrichtung für Rekrutinnen anbietet. Die ukrainischen Soldatinnen dagegen müssen offenbar eigene Lösungen entwickeln.

Video | So kämpfen Frauen in der ukrainischen Armee
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Quelle: t-online

"Das ist das geringste Problem, das wir haben"

Auch Julias Schwester, Alina, dient den ukrainischen Streitkräften. Sie bezeichnete die gesundheitlichen Probleme wegen der fehlenden Toilettenmöglichkeiten als "das geringste Problem, das wir haben". Die Soldatinnen seien oft gezwungen, "in zu großen Männerschuhen zu stolpern" oder sich in "riesigen Hosen" zu bewegen. Ein lebensgefährliches Übel: Denn diese bremsten die Frauen in kritischen Situationen aus.

"Am schwierigsten ist es, in der standardmäßigen, 30 Pfund schweren kugelsicheren Weste der Armee zu laufen, die wegen meiner Brüste einfach nicht richtig am Körper anliegt", so Alina. Wenn sie die Armeekluft ausziehe und verwundet oder getötet werde, würden weder sie noch ihre Familie vom Staat entschädigt.

Julia und Alina, die Seite an Seite für die Ukraine kämpfen, waren vor dem Krieg als Programmiererinnen in der Technologiebranche angestellt. Sie hatten gerade genug Geld für einen geplanten Urlaub auf Bali gespart. Als im Februar 2022 russische Truppen in ihr Land einmarschierten, strichen sie ihren Urlaub und meldeten sich stattdessen als Freiwillige im Kampf gegen Putins Invasion. Zunächst kämpften sie in den Außenbezirken von Kiew, später dann in der ostukrainischen Region Donezk.

Begeisterte Soldatin: "Sie passt perfekt, selbst für mich"

Die Schwestern haben den Krieg bislang überlebt. Mehr als 100 Soldatinnen sind nach Angaben Kiews jedoch schon seit Beginn des Krieges getötet worden. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Hätte eine bessere Ausrüstung womöglich Leben gerettet? "Unser Leben und unsere Sicherheit hängen oft davon ab, was wir am Körper und an den Füßen tragen und wie gesund wir sind", meint die 28-jährige Alina.

Und auch Experten äußerten gegenüber "The Daily Beast", dass ein besserer Zugang zu geeigneten Uniformen und medizinischer Versorgung zu mehr Erfolgen für die Frauen auf dem Schlachtfeld führen würde. In Kiew gibt es daher Bemühungen, den Problemen entgegenzuwirken. Eine Wohltätigkeitsorganisation namens "Zemliachky" hat laut "The Daily Beast" eine begrenzte Anzahl von speziell auf den weiblichen Körper zugeschnittenen Sommeruniformen verteilt.

Runa war vor dem Krieg Floristin. Nun befehligt die zierliche 28-Jährige eine Artillerieeinheit. Zu lange musste sie eine Ausrüstung tragen, die ihr viel zu groß war. Dazu habe auch eine 30 Pfund schwere Panzerung gezählt, die ihre Muskeln schmerzen ließ. Die neue Ausrüstung von "Zemliachky" löst bei ihr Begeisterung aus. "Sie passt perfekt, selbst für mich, deren Größe schwer zu finden ist", sagt sie in einem Video.

Doch nicht alle Soldatinnen haben so viel Glück wie Runa: Denn die Organisation verfüge derzeit lediglich über genug Mittel, um zehn Prozent von ihnen mit den Uniformen zu versorgen. Beirren lassen sich die tapferen Ukrainerinnen von den Herausforderungen offenbar aber nicht. Die Hingabe der Frauen im Krieg sei "unerschütterlich" – trotz der Knappheit bei so grundlegenden Notwendigkeiten wie Damenbinden, sagt einer der Gründer von "Zemliachky", Andriy Kolesnyk, "The Daily Beast".

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Schwangere kämpfen bis zum siebten Monat an der Front

Ihm zufolge kämpfen Schwangere bis zum siebten Monat an der Front. "Für eine Hausfrau irgendwo in Oregon würde es wahrscheinlich verrückt klingen, dass schwangere Frauen an der Front kämpfen", so Kolesnyk. Doch in der Ukraine sei das eine andere Situation, denn das Land stehe unter Dauerangriff. Und auch die Schwangeren benötigten daher speziell angefertigte Uniformen. "Wir haben Engpässe bei jedem einzelnen Artikel ... Bis jetzt hat es niemand geschafft, wirklich zu helfen", so Kolesnyk.

Regierung testet Uniformen speziell für Frauen

Nachdem es schon im vergangenen Jahr Beschwerden über mangelnde Ausrüstung für Frauen gegeben hatte, scheint das Thema auch in der ukrainischen Regierung angekommen zu sein: Der Verteidigungsminister der Ukraine, Olexij Resnikow, teilte kürzlich mit, dass die Soldatinnen eigens für sie angepasste Uniformen erhalten würden.

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Die ersten Lieferungen der Uniformen und entsprechender Unterwäsche seien bereits an mehrere Brigaden zum Testen ausgegeben worden. Nach einer gewissen Probezeit könnten noch Änderungen vorgenommen werden. Auch Stiefel mit erhöhten Absätzen für Soldatinnen sollen eingeführt werden, ebenso wie besondere Schutzwesten. Uniformen für schwangere Soldatinnen sollen zudem bald ihren Weg in die Einheiten finden.

Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj im vergangenen Sommer beläuft sich der Frauenanteil in den ukrainischen Streitkräften auf 22 Prozent. Zum Vergleich: Der Frauenanteil der militärischen Angehörigen der Bundeswehr in Deutschland beträgt knapp 13 Prozent.

Verwendete Quellen
  • ukrinform.ua: "Modelle von Körperschutz und Helmen für Frauen werden nach Tests in die Armee aufgenommen - Reznikov" (ukrainisch)
  • zemliachky.org: "Ukrainian women in the war for Ukraine" (englisch)
  • thedailybeast.com: "Women Fighting Putin’s Troops Reveal Their Agonizing Secrets" (englisch)
  • ephc.amedd.army.mil: Deployment Health Card – Female Urinary Diversion Device (englisch)
  • bundeswehr.de: "Frauen in der Bundeswehr: Europa machte es möglich"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa und eigene Recherchen
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