Die Killerkommandos aus Kiew

Immer wieder sterben hochrangige Russen bei Attentaten. Zwei ukrainische Abteilungen sollen dabei die Hauptrolle spielen.
Sie operieren hinter den feindlichen Linien, sogar auf russischem Gebiet. Ihr Ziel sind nicht die TruppenverbΓ€nde oder Munitionsdepots. Ukrainische SpezialkrΓ€fte nehmen stattdessen wichtige GenerΓ€le, Politiker und Kollaborateure ins Visier. Vor kurzem erst erhielt der russische Generalmajor Jurij Afanasjewski ein Handy, das einen Sprengsatz enthielt. Er und sein Sohn wurden verletzt. Aus der Ukraine hieΓ es lediglich, es habe eine Explosion im Haus des russischen MilitΓ€rs gegeben.
Solche AnschlΓ€ge soll es zu Dutzenden geben, und dahinter stecken ukrainische SpezialkrΓ€fte und Spione, schreibt der "Economist". Sie wurden erschossen, in die Luft gesprengt und sogar mit vergiftetem Brandy getΓΆtet. Offiziell gibt es aus Kiew keine Stellungnahmen. Aber Andeutungen: "Jeder, der die Ukraine verrΓ€t, auf Ukrainer schieΓt oder Raketen auf Ukrainer abfeuert, sollte wissen, dass er beobachtet wird und vor Gericht gestellt wird", hatte unlΓ€ngst Andriy Cherniak vom militΓ€rischen Nachrichtendienst der Ukraine HUR gedroht. Und der Chef des MilitΓ€rgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte im Juli: "Wenn Sie uns danach fragen, eine Art Mossad zu entwickeln... wir brauchen das nicht. Wir haben das schon." Der israelische Geheimdienst Mossad wird immer wieder mit verdeckten Aktionen und Attentaten in Verbindung gebracht.
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SBU-Chef: Terroristen eliminieren
Der Inlandsgeheimdienst SBU soll die FederfΓΌhrung bei Sabotage und AnschlΓ€gen haben. Eine Spezialabteilung, die fΓΌnfte Gegenspionage-Direktion, ist fΓΌr die schmutzige Arbeit zustΓ€ndig, heiΓt es in dem Bericht. ZunΓ€chst sollte diese Kollaborateure festnehmen. Doch als die GefΓ€ngnisse immer voller wurden, habe man den Kurs geΓ€ndert: "Wir kamen zu der Erkenntnis, dass wir die Terroristen eliminieren mussten", sagte Valentin Naliwajtschenko, der frΓΌhere Leiter des SBU.
Schon in den Jahren 2015 und 2016, nachdem Russland vΓΆlkerrechtswidrig die Krim besetzt hatte, seien mehrere Moskauer MilitΓ€rs Ziele geworden. Einer sei von einer Rakete getroffen worden, ein anderer war gerade im Aufzug, als dieser explodierte. Der ukrainische prorussische SeparatistenfΓΌhrer Alexander Sachartschenko wurde 2018 getΓΆtet, als es in dem CafΓ©, in dem er saΓ, eine Explosion gab. Ein weiteres prominentes Opfer war Darya Dugina, die Tochter des russischen nationalistischen Philosophen Alexander Dugin, deren Auto in die Luft gesprengt wurde. Auch hier wird vermutet, dass die Ukraine die Finger im Spiel hatte. Im Juli wurde Stanislaw Rschitzki, ein russischer U-Boot-Kommandant, beim Joggen erschossen. Er soll Raketen abgefeuert haben, die 38 Ukrainer ein Jahr zuvor in Winnyzja getΓΆtet hatten.
Nach Angaben von Geheimdienstexperten soll die Attentats-Abteilung eine zentrale Rolle in den ukrainischen AktivitΓ€ten abseits der Front spielen. Das Budget sei fΓΌnfmal grΓΆΓer als das des Geheimdienstes HUR. Angeblich soll die SBU auch hinter dem Anschlag auf die KrimbrΓΌcke im Oktober 2022 stecken.
Zweifel an AusmaΓ der Attentate
Doch die Spione sind nicht die einzigen, die Sonderaktionen durchfΓΌhren. Laut "Economist" spielen die SpezialoperationskrΓ€fte (SSO) ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn es um geheime Missionen geht. Zu deren Aufgaben gehΓΆrt die Koordination mit Partisanen, die fΓΌr viele Sabotageakte und AufklΓ€rung zustΓ€ndig sein sollen. Denys Yaroslavskij, ein Offizier des SSO, sagte dem Magazin, der Dienst drΓ€nge nun auf mehr Befugnisse fΓΌr die DurchfΓΌhrung von Operationen innerhalb Russlands.
Wie viel PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj von den Spezialoperationen weiΓ, ist nicht bekannt. Selbst Insider halten sich zurΓΌck. Angeblich habe er einige Aktionen selbst genehmigt. Er soll aber, soviel hat der "Economist" herausbekommen, angewiesen haben, dass zivile Opfer zu vermeiden seien. Im SBU scheint sich, was die Auswahl der Ziele angeht, auch Unmut zu regen. Es seien "marginale Zahlen", sagte ein Insider dem US-Magazin. Sie dienten mehr dazu, den PrΓ€sidenten zu beeindrucken als einen Unterschied zu machen. "Clowns, Prostituierte und Witzfiguren gibt es immer in der russischen Regierung. TΓΆte einen, und ein anderer wird den Platz einnehmen."
Andrij Yusow, Sprecher des MilitΓ€rgeheimdienstes HUR, besteht darauf, dass die Ukraine "blinden Terror" vermeide. Das Ziel sei "nicht, den Feind zu erschrecken", sagt er, sondern "ihn aus den besetzten ukrainischen Gebieten zu vertreiben". Aber ukrainische Spione wΓΌrden weiterhin "die russische Psychologie und Schwachstellen identifizieren und ausnutzen", wo immer sie sie finden.
- economist.com: "Inside Ukraineβs assassination programme"
- economist.com: "Ukraineβs spymaster has got under the Kremlinβs skin"
- 20min.ch: "Ukrainische Mordkommandos nehmen Russen ins Visier"