"Rubikon" an der Ukraine-Front Russische Drohnenspezialisten verbreiten Angst und Schrecken

Lange hatte die ukrainische Armee bei Drohnen einen deutlichen Vorteil gegenüber den russischen Angreifern. Doch das Blatt scheint sich zu wenden. Viel damit zu tun hat die russische Eliteeinheit "Rubikon".
Der Tod kam für sie schnell und wohl unerwartet. In der vergangenen Woche sind ein Lokführer und sein Assistent bei einem russischen Drohnenangriff auf einen Güterzug ums Leben gekommen. Laut ukrainischen Medienberichten sollten die Männer mit dem Zug eine Ladung Kohle aus einer Mine nahe dem Ort Dobropillia in der Region Donezk abholen, als die Drohne das Gefährt traf. In der Region war es der fünfte Tag in Folge mit russischen Drohnenangriffen, die vor allem auf Zivilisten abzielten.
Dafür verantwortlich soll eine noch relativ junge Drohnenspezialeinheit der russischen Armee sein: "Rubikon". Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurde die Einheit erst im vergangenen Oktober gegründet. Mittlerweile löst der Name besonders im Donbass Angst und Schrecken aus. Der Militärexperte Franz-Stefan Gady sagte t-online dazu: "An der Front ist 'Rubikon' bei den Ukrainern zu einem geflügelten Wort geworden."
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Die Drohnenspezialeinheit läutet eine neue Epoche der Kriegsführung mit unbemannten Luftfahrzeugen in der Ukraine ein. In den vergangenen Jahren waren hauptsächlich auf ukrainischer Seite Innovationen und immer neue Taktiken beim Kampf mit Drohnen zu finden. Doch zieht Russland in diesem Bereich schnell nach – und scheint die Ukrainer dabei mittlerweile zu überholen.
"Rubikon" übte in Kursk, jetzt sind sie in Donezk aktiv
Das erste Mal machte "Rubikon" bereits Ende Februar auf sich aufmerksam. Damals waren die Drohnenspezialisten in der russischen Grenzregion Kursk stationiert. Wiederholt griffen sie dort die Hauptversorgungslinie der Ukrainer an, die sich auf russischem Territorium vor allem in und um Sudscha eingegraben hatten. Wenige Wochen später evakuierte die ukrainische Armee ihre dort verbliebenen Einheiten zurück in die Heimat. Für "Rubikon" war das offenbar nur ein erster, aber erfolgreicher Test.
Denn mittlerweile ist die Elitedrohneneinheit bei Pokrowsk in der Region Donezk aktiv – dort, wo aktuell die schwersten Gefechte toben. Im Mai soll die Einheit bei Tschassiw Jar einen US-Mehrfachraketenwerfer des Typs Himars zerstört haben.
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Ein ukrainischer Drohnenpilot, der in Donezk stationiert ist, erklärte dem Portal "United24Media", dass "Rubikon" dort etwa 50 Stellungen unterhalte. Laut seinen Angaben ist Kursk nur "ein Training" für die russischen Drohnenpiloten gewesen: "Jetzt experimentieren sie hier".
"Rubikon" arbeitet mit unterschiedlichsten Drohnen
Der Begriff "experimentieren" kommt nicht von ungefähr. Laut übereinstimmenden Berichten setzen die "Rubikon"-Piloten nicht mehr ausschließlich die mittlerweile gewöhnlichen FPV-Drohnen ein, also handelsübliche Fluggeräte, die meist mittels Videobrillen gesteuert werden. Nun sollen auch Kamikazedrohnen vom Typ Lancet, Anti-Flugzeug-Drohnen und neuerdings wohl eine Weiterentwicklung der iranischen Schahed-Drohnen zu ihrem Arsenal gehören.
Die Schaheds, in russischer Produktion auch "Geran" genannt, verbreiten bereits seit Jahren Terror in der Ukraine. Meist setzt Russland die Fluggeräte mit bis zu drei Metern Spannweite für großangelegte Angriffe auf ukrainische Städte ein. "Rubikon" soll jedoch über eine verkleinerte Version verfügen, die anders als ihre großen Vorgänger, wie FPV-Drohnen aus der Ich-Perspektive gesteuert werden können. Ihr militärischer Vorteil: Die Nutzlast ist deutlich größer als bei den marktüblichen Kleindrohnen.
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Die "Rubikon"-Einheiten sollen an die Spezialkräfte der russischen Armee angedockt sein. Damit hätten die Piloten gegenüber anderen Verbänden der Kremltruppen deutliche Vorteile, etwa eine bessere Finanzierung und Ausstattung. So ließe sich auch der schnelle Aufstieg von "Rubikon" zu einer sehr effektiven Militäreinheit erklären.
"Die Einheiten teilen das Schlachtfeld in Zonen auf"
Aus russischer Perspektive war die Aufstellung der Truppe eine logische Reaktion auf Entwicklungen aufseiten der ukrainischen Armee. Die hatte aus bloßer Not heraus die Drohnenkriegsführung revolutioniert. Angesichts des akuten Personalmangels auf eigener Seite setzte die Ukraine auf Drohnenteams, um Verluste in den eigenen Reihen möglichst gering zu halten. Diese Drohnenteams sind nun die Hauptziele von "Rubikon".
Die Elitedrohneneinheit operiert laut dem Militäranalysten Gady rund 20 bis 25 Kilometer hinter der Frontlinie. Ermöglicht wird das durch eine verdoppelte Batterielaufzeit ihrer Fluggeräte. "Die Einheiten teilen das Schlachtfeld in Zonen auf, die sie dann methodisch abfliegen und dort Angriffsziele identifizieren", erklärte Gady t-online.
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Videos, die in sozialen Netzwerken kursieren, zeigen zudem, dass die Russen auch auf Hinterhalte setzen. So werden FPV-Drohnen unbemerkt an Straßenrändern geparkt, wo sie für vorbeifahrende Fahrzeuge kaum auszumachen sind. Kommen Militärtransporte oder auch zivile Fahrzeuge vorbei, starten die Drohnen aus dem Hinterhalt und greifen an. Aber auch statische, zivile Ziele wie Wohnhäuser wurden bereits von "Rubikon"-Einheiten attackiert, wie zuletzt mehrfach in der ukrainischen Stadt Dobropillia.
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Ukraine will mit KI die Oberhand im Drohnenkrieg zurückgewinnen
Militärexperte Gady sieht angesichts der neuen russischen Drohnenstrategie eine Gefahr für die Ukraine, da diese ihre eigene Verteidigung auf dem Einsatz von Drohnen aufbaut. Geraten die ukrainischen Verteidiger in diesem Bereich ins Hintertreffen, könnte das gesamte Verteidigungssystem instabil werden. Seiner Ansicht nach könnte die Überlegenheit im Luftraum, zwischen Schlachtfeld und höheren Lagen, in denen Kampfjets operieren, den Krieg entscheiden, wie er in einem Beitrag für die Fachzeitschrift "Foreign Policy" darlegte. Doch: "Die Ukrainer sind bereits im Prozess der Adaption", so Gady im Gespräch mit t-online.
Einen Ausweg sehen die Ukrainer offenbar in Künstlicher Intelligenz (KI). Mitte Juli erklärte Michail Fedorow, ukrainischer Vize-Premierminister und Minister für digitale Transformation, dem Sender RBC, dass im Zuge einer autonomeren Kriegsführung Drohnenpiloten weiter weg vom Schlachtfeld stationiert werden sollen. Das sei "der nächste Schritt im Krieg", so Fedorow. "Die Aufgabe besteht darin, dass der Bediener die Drohne auf dem Schlachtfeld von jeder Stadt im Land aus steuern kann." Das könne jedoch noch Jahre dauern.
Auch die Ukraine arbeitet mit Drohnenspezialteams, die als "Line of Drones" ("Drohnenlinie", Anm. d. Red.) bekannt sind. "Sie sind derzeit quasi als Frontfeuerwehr aktiv, kommen also an heiß umkämpften Frontabschnitten zum Einsatz", erklärte Franz-Stefan Gady. Die Einheiten arbeiteten ähnlich wie Russlands "Rubikon", seien jedoch weniger stark besetzt. "Um noch effektiver arbeiten zu können, müssen die Ukrainer dieses System entlang der gesamten Front ausbreiten", sagte der Militärexperte.
- Telefoninterview mit Franz-Stefan Gady, 23. Juli 2025
- united24media.com: "Russia’s New Deadly Rubikon Unit Escalates Drone War Against Ukrainian Civilians" (englisch)
- forbes.com: "Lying In Wait On The Ground, Russia’s Best Attack Drones Devastate Ukrainian Convoys" (englisch)
- foreignpolicy.com: "The Air Battle That Could Decide the Russia-Ukraine War" (englisch)
- rbc.ua: "Штучний інтелект дозволить прибрати операторів дронів з поля бою, - Федоров" (ukrainisch)
- telegraph.co.uk: "Russia’s elite drone unit destroying Ukraine’s precious Himars launchers" (englisch)
- tass.com: "Russia’s top brass sets up Rubicon Center of Advanced Unmanned Technologies" (englisch)
- internationaldefenceanalysis.com: "Russia Unveils Compact Kamikaze Drone Inspired by Iranian Shahed" (englisch)