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Russland-Ukraine-Krieg: General warnt vor riesigen Drohnenschwärmen


Neue Taktik im Ukraine-Krieg
"Dann entstehen erhebliche Schäden"


21.07.2025 - 10:37 UhrLesedauer: 5 Min.
Angriff mit Shahed-Drohnen auf Charkiw: Russland kann die Waffen billig und schnell selbst produzieren.Vergrößern des Bildes
Angriff mit Shahed-Drohnen auf Charkiw (Archivbild): Russland kann die Waffen billig und schnell selbst produzieren. (Quelle: IMAGO/Yevhen Titov / SOPA Images)
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Dreieinhalb Jahre nach dem Überfall auf die Ukraine greift Russland sein Nachbarland überwiegend mit Drohnen an. Die Attacken könnten noch heftiger werden, warnt ein deutscher General.

Wer einmal das Geräusch einer sich ihrem Ziel nähernden Shahed-Drohne gehört hat, wird das so schnell nicht mehr vergessen. Wie ein altes Motorrad klingt die Waffe, mit der Russland die Ukraine derzeit jede Nacht hundertfach angreift. Das liegt am Zweitaktmotor, mit dem die Shaheds angetrieben werden und der die Drohnen auf eine Marschgeschwindigkeit von bis zu 240 Kilometer pro Stunde beschleunigt, bis das Surren aufhört und von einer Explosion abgelöst wird, wenn die Waffe ihr Ziel findet.

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Für Russland haben die Angriffe mit Shahed-Drohnen mehrere Vorteile: Da sie in der Produktion nur rund 50.000 Euro pro Stück kosten, kann die Rüstungsindustrie sie in großen Mengen herstellen. Außerdem schaffen es die Attacken mit Drohnenschwärmen regelmäßig, die ukrainische Luftabwehr zu überfordern, sodass viele Sprengkörper ihr Ziel finden und so die Zivilbevölkerung einschüchtern können.

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Deutscher General warnt vor großen Drohnenschwärmen

Durch die Massenproduktion der Drohnen könnte Russland die Ukraine bald mit noch größeren Drohnenschwärmen angreifen, warnt Generalmajor Christian Freuding, der Leiter des Ukraine-Lagezentrums der Bundeswehr. "Russland plant Angriffe mit bis zu 2.000 Drohnen", sagt er in einem am Samstag erschienenen Video auf dem YouTube-Kanal der Bundeswehr.

Russlands Ziel sei, die ukrainische Luftverteidigung zu "übersättigen", führt Freuding weiter aus. Zwar gelinge es der Ukraine laut eigenen Angaben, rund 80 Prozent der Drohnen abzuschießen. "Aber wenn bei 700 Drohnen 20 Prozent durchkommen, entsteht erheblicher Schaden", erklärt der Generalmajor.

Ein zentrales Problem seien die Kosten, die durch die Abwehr der Shahed-Angriffe entstünden. Zwar würden die vom Westen gelieferten Flugabwehrsysteme wie der US-amerikanische Patriot gut funktionieren, allerdings koste eine Abwehrrakete für das System rund fünf Millionen Euro, während sich die Kosten für eine Shahed-Drohne auf etwa 50.000 Euro beliefen, so Freuding.

China spielt wichtige Rolle bei Drohnenproduktion

"Die konventionellen Abwehrsysteme sind zwar effektiv, aber wirtschaftlich nicht tragbar", betont Freuding. "Wir brauchen Gegenmaßnahmen im Bereich von 2.000 bis 4.000 Euro pro Einheit, um wirtschaftlich effizient reagieren zu können." Darüber hinaus müsse die Ukraine vom Westen mit Waffen beliefert werden, die es ihr erlaubten, militärische Infrastruktur im russischen Hinterland zu attackieren.

Besonders kritisch sieht Freuding die Rolle Chinas bei den russischen Angriffen. Peking habe die Ausfuhr von Drohnenteilen an die Ukraine mittlerweile komplett eingestellt und liefere stattdessen ausschließlich nach Russland. "Die Ukraine wurde aus diesem Markt verdrängt", sagte Freuding. Diese Entwicklung verschärfe die ohnehin angespannte Lage an der Front.

Zu Beginn des Krieges nutzte Russland vor allem Marschflugkörper und ballistische Raketen, um Ziele in der Ukraine anzugreifen. Doch das rechnete sich für Putin offenbar nicht. Denn diese Angriffe sind teuer: Der bisher umfangreichste Angriff dieser Art im August 2024 habe den Kreml etwa 1,3 Milliarden Euro gekostet, wie die "Ukrajinska Prawda" errechnete.

Shahed-Attacken sind für Russland günstiger

Dagegen sind die Angriffe mit Shahed-Drohnen viel günstiger. Als 539 Shaheds die Ukraine am 4. Juli dieses Jahres attackierten, war das für Putin mit Kosten von nur rund 27 Millionen Euro verbunden. Damit dürften die Kosten ein wichtiger Faktor bei der Umstellung der russischen Angriffstaktik sein.

Russland hat seine Drohnenproduktion laut dem US-amerikanischen Institute for the Study of War massiv hochgefahren. Bis zu 2.700 Shahed-Drohnen sowie 2.500 Attrappen sollen derzeit monatlich hergestellt werden. Diese Scheinziele tragen zwar keinen Sprengstoff bei sich, sind aber kaum von echten Angriffsdrohnen zu unterscheiden und stellen die ukrainische Luftverteidigung damit vor ein Dilemma: Entweder sie identifizieren die echten Drohnen mühsam oder sie schießen teure Raketen auf Attrappen ab. Beides verschafft den echten Angriffsdrohnen Spielraum.

Ein weiteres taktisches Element ist die Konzentration der Angriffe auf wenige Ziele. Statt mehrere Orte gleichzeitig anzugreifen, fokussieren sich russische Angriffe zunehmend auf einzelne Städte wie Odessa, Charkiw oder Kiew, was deren Verteidigung enorm erschwert. Beinahe jede Nacht ist eine andere Stadt Ziel der Attacken.

Jugendliche produzieren Shaheds

Zu Beginn des Krieges musste Russland die Drohnen noch aus dem Iran importieren, mittlerweile stellt der militärisch-industrielle Komplex des Kreml die Waffen unter dem Namen Geran selbst her. Am Sonntag veröffentlichte Zvezda TV, der Fernsehsender des russischen Verteidigungsministeriums, eine Reportage aus der größten Drohnenfabrik Russlands in Jelabuga, rund 1.700 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Dort produziere man die meisten Geran-Drohnen, heißt es in dem Video. Die Anlage umfasst Dutzende Produktionslinien und zeigt Hunderte einsatzbereite Drohnen in schwarzer Lackierung, die ihre Sichtbarkeit in der Nacht reduzieren soll.

Besonders brisant: In der Fertigung kommen auch minderjährige Arbeitskräfte zum Einsatz. Schüler eines benachbarten Technik-Kollegs werden dem Fernsehbericht zufolge gezielt ausgebildet und in die Fertigung eingebunden. In Berichten lokaler Medien beschweren sich Studenten über lange Schichten ohne Pause, geringe Bezahlung und massive Überwachung. Bei Verweigerung drohen den Berichten zufolge hohe Vertragsstrafen für die Eltern.

Russland entwickelt die Shahed-Drohne weiter

Auch eine neue Version der Shaheds, auf denen die neue russische Geran-3-Drohne basiert, wird dort laut einem Bericht des russischen Militärmagazins "Amalnews" produziert: Die Geran-3 ist deutlich größer als ihre Vorgängerversion, hat eine größere Sprengladung und besitzt ein Turbojet-Triebwerk. Damit erreicht die Geran-3 eine Fluggeschwindigkeit von bis zu 500 Kilometern pro Stunde, womit sie doppelt so schnell ist wie die Geran-2. Auch ihre Reichweite ist mit 2.000 Kilometern etwa doppelt bis dreifach so groß wie die ihrer Vorgänger.

Ein weiterer Vorteil der Geran-3: Durch die höhere Geschwindigkeit ist es für Flugabwehrpanzer wie den Gepard oder Shilka schwieriger, die Drohnen abzuschießen. Andererseits kann sie durch die Hitzeentwicklung des Jet-Antriebs besser von Infrarotkameras erfasst werden.

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Vielseitige Zieltechnologie

Als Russland die Geran-3 im Jahr 2024 erstmals einsetzte, analysierte Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer die drei Unterarten der neuen Jet-Drohne in einem Blogeintrag. Eine Konfiguration sei in der Lage, eigenständig gegnerische Radarsysteme aufzuspüren und zu attackieren. Solche Drohnen würden vor Marschflugkörper- und Bombereinsätzen gestartet, um die gegnerische Flugabwehr zu schwächen.


Quotation Mark

Wir müssen Hebel finden, um die russischen Lieferketten zu stören.


Generalmajor Christian Freuding


Die zweite Version sei mit einer elektrooptischen Zieleinrichtung und möglicherweise auch mit einer satellitengestützten Fernsteuerung ausgestattet. Die dritte, sogenannte Basisversion, fliege hingegen direkt auf eine vorprogrammierte Zielkoordinate zu. Welche Versionen von Russland gegen die Ukraine eingesetzt werden, ist unbekannt. Reisner stellt sich dabei die Frage: "Wie ist es möglich, dass ein streng sanktioniertes Land wie der Iran derartige Hochtechnologie erfolgreich entwickeln, produzieren und exportieren kann?"

General: Müssen Lieferketten stören

Für die Ukraine stellt sich die Frage, wie sie großangelegte Drohnenangriffe in Zukunft verhindern kann. Generalmajor Freuding nimmt dahingehend die westlichen Verbündeten der Ukraine in die Pflicht. "Indirekt kann man verhindern, dass russische Offensivmittel überhaupt wirken", erklärt der General. Dazu müsse die Ukraine befähigt werden, "frühzeitige Angriffe auf russische Flugplätze oder Produktionsstätten" zu starten.

Dabei könnte die Lieferung der von deutschen Taurus-Marschflugkörpern helfen, um die die Ukraine zwar seit Längerem bittet, jedoch bislang nicht erhalten hat. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte dem Land das Waffensystem vor der Bundestagswahl versprochen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch wirtschaftliche Maßnahmen müssten laut Freuding überdacht werden. Durch die Lieferung chinesischer Drohnenteile sei Russland überhaupt erst in der Lage gewesen, seine Produktion im großen Stil hochzufahren. "Hier müssen wir Hebel finden, um diese Lieferketten zu stören", erklärt der Generalmajor.

Einer dieser Hebel könnten Sanktionen sein, die auch China treffen. Am vergangenen Freitag verabschiedete die Europäische Union das 18. Sanktionspaket seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Darin nimmt sie Moskaus Öleinnahmen ins Visier und damit auch China. Mehrere chinesische Unternehmen und auch zwei Banken stehen auf der Sanktionsliste. China kündigte daraufhin "Vergeltungsmaßnahmen" an, nicht allerdings das Ende der Zusammenarbeit mit Russland.

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